Wachstum, Morphogenese und Differenzierung formen den Pflanzenkörper
Stellen Sie sich vor, dass eine typische kleine Pflanze aus Milliarden von Zellen bestehen kann - einige darunter groß, andere klein, einige hoch spezialisiert und andere nicht. Das Wachstum, das diese Pflanze im Lauf ihres Lebens durchläuft, ist durch Zellteilungen und Zellstreckung bedingt. Doch wodurch werden diese beiden Vorgänge kontrolliert? Warum wachsen Blätter nicht weiter, sobald sie eine bestimmte Größe erreicht haben, während die Zellen des Apikalmeristems sich weiter teilen?
Jede Zelle einer Pflanze enthält denselben Satz an Genen. Die unterschiedlichen Muster der Genexpression bei verschiedenen Zellen führen zur Zelldifferenzierung, die eine Vielfalt von Zelltypen zur Folge hat (siehe Kapitel 18). Komplexe Prozesse, als Morphogenese bezeichnet, führen zur Entwicklung der Pflanzengestalt und ihrer Organisation.
Die Molekularbiologie revolutioniert die Pflanzenwissenschaften
Die Techniken der modernen Molekularbiologie erlauben es Pflanzenwissenschaftlern zu untersuchen, wie Zellteilung, Zellstreckung, Zelldifferenzierung und Morphogenese zur Entwicklung der fertigen Pflanze führen. Die Pflanzenbiologie erlebt gegenwärtig eine Renaissance; dabei haben die neuen Labormethoden und die Konzentration auf Modellorganismen den Pflanzenwissenschaften neue Impulse verliehen. Ein wichtiger Forschungsschwerpunkt ist die Acker-Schmalwand (Arabidopsis thaliana), ein einjähriges Unkraut aus der Familie der Kreuzblütengewächse, das so klein ist, dass es sich zu Tausenden auf wenigen Quadratmetern Laborraum anziehen lässt. Arabidopsis ist selbstkompatibel (siehe Kapitel 38.2). Dadurch ist eine identische Vervielfältigung von Mutanten und Züchtungen möglich. Mit ihrer kurzen Generationsdauer, die sechs Wochen von der Keimung bis zur Blüte umfasst, ist Arabidopsis ein ausgezeichneter Modellorganismus für genetische Untersuchungen. Arabidopsis ist die erste Pflanze, deren gesamtes Genom in einer sechs Jahre währenden, multinationalen Kooperation sequenziert werden konnte.
In Arabidopsis wurden etwa 26.700 Gene, die für Proteine codieren, nachgewiesen; darunter befinden sich jedoch viele Duplikate. Die Aufklärung der Funktion vieler Arabidopsis-Gene trägt dazu bei, dass wir viele Vorgänge der pflanzlichen Entwicklung wesentlich besser verstehen.