Pubertät: Hormone und die Entwicklung der sekundären Geschlechtsmerkmale
Während der Kindheit sind die Spiegel der im Blut zirkulierenden Sexualhormone niedrig, die Geschlechtsorgane sind noch nicht voll entwickelt und Jungen und Mädchen unterscheiden sich in ihrem allgemeinen Erscheinungsbild kaum. Diese Ruhephase in der Entwicklung endet abrupt mit Beginn der Pubertät - der Ubergangsphase zwischen der Kindheit und dem Erwachsenenalter, in der die Fertilität erlangt wird, der adoleszente Wachstumsschub eintritt und sich die sekundären Geschlechtsmerkmale entwickeln. Die sekundären Geschlechtsmerkmale sind diejenigen Merkmale, ausgenommen die Geschlechtsorgane, die geschlechtsreife Männer und Frauen unterscheiden. Einige der körperlichen Veränderungen, die wälirend der Pubertät eintreten, sind in
► Abbildung 14.9 dargestellt.

Abbildung 14.9: Die Veränderungen, die bei Männern und Frauen normalerweise während der Pubertät auftreten.
Die Pubertät geht mit einer Zunahme der Freisetzung von Hormonen durch den Hypophysenvorderlappen einher. Die Zunahme in der Freisetzung des Wachstumshormons (Somatotropin) - des einzigen Hormons des Hypophysenvorderlappens, das keine Drüse als primären Wirkungsort hat - wirkt direkt auf das Knochen- und Muskelgewebe und ruft den pubertären Wachstumsschub hervor (siehe Russell et al.,
2011). Die Zunahmen in den Ausschüttungen der gonadotropen Hormone und des adrenocorticotropen Hormons (ACTH, auch Corticotropin genannt) veranlassen die Gonaden und die Nebennierenrinde. Sexual- bzw. Nebennierenrindenhormone vermehrt freizusetzen, die wiederum die Reifung der Genitalien und die Entwicklung der sekundären Geschlechtsmerkmale anstoßen.
Das allgemeine Prinzip, das die typische sexuelle Reifung in der Pubertät steuert, ist eigentlich einfach: Bei pubertierenden Jungen sind die Androgenspiegel höher als die Östrogenspiegel, was eine Maskulinisie-rung zur Folge hat, und bei pubertierenden Mädchen überwiegen die Östrogene, was eine Feminisierung bedingt. Individuen, die vor der Pubertät kastriert wurden, werden nicht geschlechtsreif, außer wenn sie Substitutionsinjektionen von Androgenen oder Östrogenen erhalten.
Aber sogar während der Pubertät ist die „Mann-ist-Mann-und-Frau-ist-Frau“-Annahme problematisch. Beispielsweise ist Androstendion, ein Androgen, das hauptsächlich von der Nebennierenrinde freigesetzt wird, beim weiblichen Geschlecht normalerweise für das Wachstum der Schamhaare und der Achselhaare verantwortlich. Man kann die in der Praxis eingebürgerte Bezeichnung der Androgene als „männliche Hormone“ also nicht wirklich ernst nehmen, wenn man weiß, dass ein Androgen für die Entwicklung und das Muster der weiblichen Schambehaarung verantwortlich ist. Das männliche Schamhaar hat das Muster einer Pyramide, das weibliche das einer umgedrehten Pyramide (siehe ► Abbildung 14.9).