Die Verwaltungsleitung in den Landeshochschulgesetzen

Die Entwicklungsphasen und Veränderungen der Hochschulorganisation in Deutschland spiegeln sich in den Strukturen der Leitungsund Verwaltungsorganisation wider. Dahingehend wurde in Kapitel 3.3 argumentiert, dass sich die auf veränderte gesellschaftspolitische Leitbilder und umfassende Reformen im Hochschulsektor zurückzuführenden Reorganisationsprozesse der Leitungsund Verwaltungsorganisation seit Beginn der 1990er Jahre als Ausdruck institutionellen Wandels von einer akademisch-bürokratischen Logik der Hochschulverwaltung zu einer post-bürokratischen Logik des Hochschulmanagements verstehen lassen. Doch inwiefern lässt sich dieser institutionelle Wandel der Hochschulorganisation auch an den Zuschreibungen der organisationsstrukturellen Festlegungen für die Verwaltungsleitung [1] in der Hochschulgesetzgebung festmachen?

Die formale Gestaltung der Organisationsund Leitungsstrukturen an deutschen Hochschulen basiert auf deren Grundordnungen, die in Abhängigkeit von den Bestimmungen im Hochschulrahmengesetz (HRG) auf der Bundesebene und in den Landeshochschulgesetzen (LHG) [2] festgelegt wurden. Hochschulgesetze können dabei entsprechend dem in Kapitel 3.2 zu Grunde gelegten Ansatz der neoinstitutionalistischen Organisationsforschung als „regulative Systeme“ verstanden werden (Scott 2001: 52), die sowohl strukturelle bzw. materielle Vorgaben für die Gestaltung von Organisationen machen als auch kulturelle Handlungsskripte, modellhafte Vorstellungen der Organisationsgestaltung sowie institutionelle Praktiken organisationsübergreifend konstituieren (Edelman/ Suchman 1997: 482). Nach dieser organisationstheoretischen Lesart manifestieren Gesetzesvorgaben spezifische Rationalitäten und nicht mehr hinterfragte Organisationsmodelle innerhalb des organisationalen Feldes der Hochschulen (Meyer/Rowan 1977; DiMaggio/Powell 1983; Edelman 1990; Dobbin et al.

1993). In diesem Sinne können Hochschulgesetze als Kristallisation organisationaler Praktiken verstanden werden, die einerseits zur Institutionalisierung formaler Strukturen als Organisationsmodelle auf der Organisationsebene wesentlich beitragen und andererseits die Fokalorganisationen der Hochschulen mit dezidierten Erwartungen im Hinblick auf Veränderungen konfrontieren. Daher soll im Folgenden den Fragen nachgegangen werden: Welche organisationsrechtlichen Vorgaben wurden für die Stellung der Verwaltungsleitung an Hochschulen durch die LHG etabliert? Inwiefern haben sich im Zeitverlauf organisationsfeldübergreifend strukturelle Veränderungen ergeben?

Zur Beantwortung dieser Fragen kann die Analyse auf eine umfangreiche rechtswissenschaftliche Literatur zur Auslegung der formalen Vorgaben in den LHG zurückgreifen. Dahingehend wurde die organisationsrechtliche Stellung des Kanzlers durch eine Reihe hochschulrechtlicher Arbeiten zu jeweils unterschiedlichen Zeitpunkten in den Hochschulgesetzgebungen herausgearbeitet (Leuze 1975b; Meusel 1978; Ludwig 1984; Epping 1993; Neese 1999; Horst/Bußmann 2003; Horst/Neyses 2007; Wallerath 2004; Breitbach 2005; Knauff 2007; Battis 2009; Knopp 2010). Zudem haben andere Beiträge anhand der Gesetzesvorgaben in den LHG seit 1998 die Umsetzung des „ManagementSteuerungsmodells“ analysiert und dabei auch die Vorgaben zur Verwaltungsorganisation einbezogen (Pautsch 2009; Bogumil et al. 2011; Heinze et al. 2011; Kamm/Köller 2010; Sandberger 2011). Im Unterschied zu diesen Arbeiten ist es jedoch Anliegen dieses Kapitels, anhand der bundesländerübergreifenden Betrachtung der formalen Vorgaben für die Verwaltungsleitung in den LHG Veränderungen über einen längeren Zeitverlauf hin nachzuvollziehen. Daher fokussiert sich die folgende Analyse der organisationsstrukturellen Vorgaben der LHG für die Verwaltungsleitung auf den Zeitraum seit Verabschiedung der ersten LHG in den Jahren 1971-2013. Aus dem Fokus auf die LHG ergibt sich einschränkend, dass nur die Leitungsorganisation auf der abstrakten Ebene der gesetzlichen Regulierung erfasst wird. Über deren konkrete Umsetzung auf der Organisationsebene der Hochschulen und zu den damit verbunden Organisationspraktiken können an dieser Stelle keine Schlussfolgerungen gezogen werden. Der Analyse der Vorgaben in den LHG wird zunächst noch eine kurze Erklärung zu den Rechtsquellen und zur Entwicklung der Hochschulgesetzgebung vorangestellt.

  • [1] „Verwaltungsleitung“ wird hier, wie auch in den anderen Kapiteln der Arbeit, als Oberbegriff für die unterschiedlichen Bezeichnungen für die administrative Leitungsfunktion an Hochschulen und damit insbesondere das Amt des Kanzlers, leitenden Verwaltungsbeamten und hauptamtlichen Vizepräsidenten für Haushalts-, Personal,und Verwaltungsangelegenheiten verwendet
  • [2] Zur Vereinfachung wird im Text „LHG“ sowohl für den Singular als auch den Plural von Landeshochschulgesetze verwendet
 
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