Effektivität klinischer Studien
Klinische Prüfstudien werden zwar kontrovers diskutiert. aber es steht außer Frage, dass sie sinnvoll sind.
Scharlatane, die haltlose Versprechen machen und andere Menschen zu einem Zeitpunkt ausnutzen, an dem sie am wenigsten in der Lage sind, sich um sich selbst zu kümmern, gibt es unglücklicherweise schon sehr lange. Das Verfahren der klinischen Prüfstudien ist die objektivste Methode, die je ausgearbeitet wurde, um die Wirksamkeit eines Behandlungsverfahrens zu beurteilen. Es ist teuer und langsam und bedarf ständiger Verbesserungen sowie Überprüfungen, aber das Verfahren ist vertrauenswürdig (Zivin, 2000. p. 75).
Sicherlich ist das Verfahren der klinischen Priifstu-dien weit davon entfernt, perfekt zu sein. Zum Beispiel sind die ethischen Bedenken gegenüber randomisierten. doppelblinden Placebo-Kontrollstudien oft berechtigt.
Dennoch akzeptiert die breite Mehrheit der Personen mit medizinischen und wissenschaftlichen Berufen, dass diese Studien der wesentliche und entscheidende Test jeder neuen Behandlung sind. Das trifft besonders auf Psychopharmaka zu, da psychiatrische Störungen häufig auf Placebobohandlungen ansprechen (siehe Rutherford & Roose. 2013: Wager & Atlas, 2015) und da die Beurteilung der Schwere der Krankheit stark von den Erwartungen des Therapeuten beeinflusst wird.
Es ist jedem klar, dass klinische Studien zu teuer sind und zu lange dauern. Ein Experte. Zivin (2000), reagiert auf diese Bedenken wie folgt: Klinische Studien können zuverlässig, schnell oder billig sein, aber jede einzelne klinische Prüfstudie kann nur zwei dieser drei Punkte realisieren. Denken Sie darüber nach.
Es ist wichtig, sich klar zu machen, dass jede klinische Prüfung während der Durchführung sorgfältig überwacht wird. Wann immer die Ergebnisse es erfordern, werden Änderungen am Forschungsprotokoll vorgenommen, um die Kosten und die Zeit bis zur Verfügbarkeit eines wirksamen Behandlungsverfahrens für bedürftige Patienten zu reduzieren. Das Verfahren würde weiter deutlich verbessert werden, wenn es eine gesetzliche Verpflichtung gäbe, alle partiellen oder abgeschlossenen klinischen Prüfstudien zu veröffentlichen. So hätten dann Patienten, Ärzte und Wissenschaftler Zugang zu allen relevanten Belegen. Wie denken Sie darüber?
Schlussfolgerung Idealerweise sollten Patienten mit derselben Diagnose dieselben Symptome assoziiert mit derselben zugrunde liegenden Pathologie verursacht durch dieselben genetischen und Umwelteinflüsse zeigen. Und noch wichtiger, sie sollten alle auf dieselbe Behandlung ansprechen. Wenn es um die Störungen des Gehirns geht, unserem komplexesten Organ, trifft dieses Ideal selten zu. Wenn es allerdings um die Diagnosen psychiatrischer Störungen geht, trifft es nicht einmal annähernd zu.
Bei der Bearbeitung dieses Kapitels sollten Sie erkannt haben, dass die Diagnosen der psychiatrischen Störungen verbessert werden müssen (evtl, mit Ausnahme Tourette-Störung). Die Symptome der Schizophrenie, der depressiven Störungen, der bipolaren Störungen und der Angststörungen sind so variabel, dass zwei Patienten mit derselben Diagnose nur wenige gleiche Symptome haben könnten. Außerdem spielen für jede Diagnose eine Vielzahl von genetischen und Umweltfaktoren eine Rolle, und Patienten mit derselben Diagnose zeigen eine große Variabilität an assoziierten neuronalen Veränderungen. Besonders problematisch ist, dass zwar viele Medikamente, die über mehrere Mechanismen wirken, zur Behandlung jeder Störung eingesetzt werden, allerdings viele Patienten nicht substantiell davon profitieren. Es sieht so aus, dass jede Diagnose mehrere verschiedene Störungen beinhaltet, und Forschung und Behandlung könnten davon profitieren, diese zu unterscheiden.
Dieses Kapitel - und tatsächlich auch das Buch -enden mit dem Fall von S. B., der an einer bipolaren Störung Typ I leidet. Bisher hat Ihnen der Fall S. B. die Kennzeichen sowohl der bipolaren Störung als auch der Depression veranschaulicht. Abschließend veranschaulicht der Fall den Wert einer biopsycholo-gischen Ausbildung mit einer Betonung auf eigenständigem Denken und der Übernahme von Verantwor-ttmg für die eigene Gesundheit. S. B. hatte einen Kurs über Biopsychologie belegt, der demjenigen ähnelt, den Sie im Augenblick absolvieren. Was er in diesem Kurs gelernt hat, hat es ihm ermöglicht, seine eigene Behandlung zu einem positiven Ergebnis zu führen.
Abschließendes zum Fall von S. B„ dem Studenten der Biopsychologie, der die Kontrolle übernahm
S. B. schlief, stark sediert durch Benzodiazepine, den größten Teil der Woche, nachdem er von seinem Psychiater auf eine psychiatrische Station eingewiesen wurde. Als er aus seiner Benommenheit erwachte, informierte ihn sein Psychiater von der Station, dass er einen Stimmungsstabilisator einnehmen sollte und dass er dies vermutlich für den Rest seines Lebens nehmen müsste. Zwei Dinge beunruhigten S. B. dabei. Erstens nahmen viele Patienten auf der Abteilung dieses Medikament, und sie wirkten wie aufgedunsene Zombies. Zweitens schien der Stationsarzt weniger über dieses Medikament und seinen Wirkmechanismus zu wissen als S. B. selbst. Daher beantragte S. B. Zugang zur Krankenhausbibliothek, um so mehr über seine Störung und das Medikament, mit dem er behandelt werden sollte, zu erfahren.
S. B. war verblüfft über das. was er herausfand. Vor einigen Monaten hatte sich gezeigt, dass das Medikament, welches ihm der Stationspsychiater empfahl, bei der Langzeitbohandlung bipolarer Störungen nicht wirksamer war als ein Placebo. Darüber hinaus hatte sich ein neues Medikament, das kürzlich die klinische Prüfung durchlaufen hatte, als sehr effektiv und mit weniger Nebenwirkungen behaftet erwiesen. Als S. B. seinen Psychiater mit diesen Befunden konfrontierte, war er überrascht und stimmte zu, das neue Medikament zu verschreiben.
Heute fühlt sich S. B. gut und er hat das Promotionsstudium beendet. Mittlerweile hat S. B. eine Anstellung als Wissenschaftler an einer führenden Universität in Kanada. Tatsächlich hat S. B. diese Worte geschrieben. Falls Sie es noch nicht bemerkt haben, S. B. ist einer der /Xutoren (Steven Barnes) dieses Lehrbuchs.
Ich kann noch immer schwer glauben, dass ich den Mut hatte, meine Ärzte in Frage zu stellen und mir selbst etwas zu verschreiben. Ich hätte mir niemals träumen lassen, dass die durch die Biopsychologie gelernten Lektionen eine so positive Auswirkung auf mein Leben haben würden. Ich erlebe zwar immer noch Stimmungsschwankungen in Zusammenhang mit meiner bipolaren Störung, diese sind aber nicht mehr annähernd so stark wie vor Beginn der Einnahme eines Stimmungsstabilisators, und ich habe gelernt, die residualen Symptome sowohl pharmakologisch als auch durch psychosoziale Methoden zu kontrollieren (siehe Geddes & Miklowitz, 2013; Murray et al., 2011). Ich freue mich, dass ich Ihnen meüie Geschichte erzählen konnte, und hoffe, dass Sie oder jemand, den Sie gerne haben, davon profitieren wird.
Das Wichtigste in Kürze
Dieses gesamte Kapitel konzentrierte sich auf psychiatrische Störungen, so dass es nicht überraschend ist, dass die klinischen Implikationen dominierten. Trotzdem waren auch die drei anderen Hauptthemen dieses Buchs wichtig.
Kreatives Denken war bei der Diskussion der folgenden Ideen wichtig: Tiermodelle der Angst könnten Modelle für die Wirkung von Benzodiazepinen sein; aktive Placebos werden gebraucht, um die klinische Wirksamkeit psychotherapeutischer Medikamente nachzuweisen; Wissenschaftler sollten sich besser auf die Behandlung bestimmter messbarer Symptome konzentrieren als auf allgemeine Störungen, wie sie aktuell verstanden werden; und es sollte einen Weg geben, um Pharmakonzerne dazu zu zwingen, auch negative Befunde zu publizieren.
Die evolutionäre Perspektive war zweimal wichtig: Bei der Diskussion über die Tiermodelle der Angst und bei der Diskussion der wichtigen Rolle der tierexperimentellen Forschung. um die offizielle Freigabe für die Durchführung klinischer Prüfstudien zu erhalten.
Neuronale Plastizität wurde in diesem Kapitel nur einmal angesprochen, nämlich bei der Erklärung der Neuroplastizitäts-Theorie der Depression.
MyLab I Biopsychologie
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