Zugang zu Bildung

Personen mit einem gesicherten Aufenthaltsstatus haben das Recht bzw. die Pflicht, an einem Integrationskurs teilzunehmen (vgl. §44 AufenthG). Diese Regelung schließt Personen, deren Asylverfahren noch nicht abgeschlossen ist, sowie Personen mit einer Duldung aus. Dieser Personenkreis muss finanziell selbstständig für die Gebühren von Deutschkursen aufkommen, was mit den Leistungen im Rahmen des AsylbLG kaum zu bewältigen ist. In vielen Kommunen bieten gemeinnützige Organisationen und Initiativen neben dem staatlichen Angebot kostenlose Sprachkurse für Flüchtlinge an. Nicht betroffen von dieser benachteiligenden Regelung sind schulpflichtige Kinder und Jugendliche, die im Rahmen von Vorbereitungsklassen bzw. regulären Schulen, Deutschkenntnisse erwerben. Personen, denen der Zugang zu Sprachkursen verwehrt bleibt, sind in vielen Lebensbereichen wie z.B. bei Gängen zum Amt oder Arztbesuchen, auf Andere angewiesen, womit eine selbstständige Lebensführung schwierig ist. Dies wiederum hat zusätzlich zu den bereits angesprochenen Einschränkungen Auswirkungen auf die Selbstbestimmtheit und die Selbstständigkeit der Personen (vgl. Flüchtlingsrat Baden-Württemberg 2012: 6). Welche Konsequenzen fehlende Sprachkenntnisse auf die Integration haben, zeigen unterschiedliche Studien. Esser (2006) bezeichnet Sprache als „Schlüssel zur Integration“ (ebd.:1). Im Prozess der individuellen sowie gesellschaftlichen Integration misst er Sprache eine zentrale Bedeutung bei. Dabei erfüllt Sprache mehrere Funktionen: „Sie ist sowohl Medium der alltäglichen Kommunikation als auch eine Ressource, insbesondere bei der Bildung und auf dem Arbeitsmarkt. Zudem können Sprachen und Sprachakzente als Symbole von Zusammengehörigkeit oder auch Fremdheit wirken und zu Abgrenzungen oder Diskriminierungen führen“ (ebd.). Haug (2008) gibt einen Überblick über die Beziehung von sprachlicher Integration mit weiteren integrationsrelevanten Dimensionen und führt dabei den belegten Zusammenhang zwischen Sprachkenntnissen und schulischer Leistung (auch bezüglich des Schulabschlusses von erwachsenen MigrantInnen) sowie positive Effekte von Sprachkenntnissen auf die Arbeitsmarktintegration, auf (vgl. ebd.: 9). Hinsichtlich der sozialen Integration, bei der Sprache eine zentrale Funktion übernimmt, treten „Rückwirkungsmechanismen“ (ebd.) auf, da Kontakte im sozialen Umfeld den ungesteuerten Spracherwerb und Zugang zur Alltagssprache ermöglichen.

Im neuen FlüAG findet sich eine Verpflichtung für Kommunen, Personen während der vorläufigen Unterbringung die kostenfreie Möglichkeit zum Erwerb von Grundkenntnissen der deutschen Sprache zu bieten (vgl. Duchrow 2014: 7). Dafür sieht das Land eine Pauschale von 91,36 Euro pro Flüchtling vor (vgl. ebd.). Berechnungen zeigen, dass diese Pauschale nur einen Teil dazu beitragen kann, Personen mit einem ungesicherten Aufenthaltsstatus Grundkenntnisse in Deutsch zu vermitteln. Um ein ausreichendes Angebot und damit einen Grundbaustein für den Spracherwerb zu legen, muss weiterhin hauptamtlicher Sprachunterricht mit ehrenamtlichen zusätzlichen Unterstützungsangeboten kombiniert werden (Evangelischer Oberkirchenrat Karlsruhe/Diakonisches Werk Baden 2013: 8).

Im Rahmen des vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) getragenen XENOS-Sonderprogrammes „ESF-Bundesprogramm zur arbeitsmarktlichen Förderung von Bleibeberechtigten und Flüchtlingen mit nachrangigem Zugang zum Arbeitsmarkt“ haben Personen mit einer Duldung seit Mitte 2012 die Möglichkeit, an berufsbezogenen Sprachkursen teilzunehmen (vgl. BAMS 2014). Dazu müssen sie jedoch mindestens einen nachrangigen Zugang zum Arbeitsmarkt haben. [1]

In der EURichtlinie zur Festlegung von Mindestnormen für die Aufnahme von Asylbewerbern in den Mitgliedstaaten findet sich eine Verpflichtung der Mitgliedsstaaten, minderjährigen Kindern und Jugendlichen ohne gesicherten Aufenthaltsstatus den Zugang zum Bildungssystem zu gewähren (vgl. Richtlinie 2003/9/EG Art. 10 Abs. 1). Baden-Württemberg setzte die Bestimmungen fünf Jahre nach der Veröffentlichung der Richtlinie, 2008, als einer der letzten Bundesländer in Deutschland, um (vgl. Duchrow 2008: 1). Seitdem unterliegen Kinder und Jugendliche ungeachtet ihres Aufenthaltstitels der Schulpflicht. Zuvor galt in Baden-Württemberg nur das Schulantragsrecht, was für die Betroffenen erhebliche Nachteile mit sich brachte. [2] Diese Verbesserung löst jedoch nicht das Problem von jungen geduldeten Flüchtlingen, die, wenn sie nach Deutschland kommen, bereits über dem schulpflichtigen Alter von 16 Jahren sind und sich aufgrund dessen Schwierigkeiten für den regulären Schulbesuch ergeben. [3]

Aufenthaltsrechtlich gesehen ist Personen mit einer Duldung der Zugang zu Hochschulen gestattet. In Baden-Württemberg wurde Personen mit einer Duldung jedoch erst 2013 durch eine Änderung des Hochschulgesetzes der Zugang zum Studium gewährt (vgl. Flüchtlingsrat Baden-Württemberg 2012a). Dieses ist jedoch mit dem Hinweis versehen, dass ausländerrechtliche Bestimmungen den Zugang zum Studium weiterhin verbieten können (vgl. ebd.). Neben der Tatsache, dass viele Personen mit Duldung eingeschränkte Möglichkeiten für den Spracherwerb haben, sind vor allem Regelungen zur räumlichen Beschränkung (Residenzpflicht) und Wohnsitzauflagen, zeitliche Kollisionen mit der Wahrnehmung von Arbeitsgelegenheiten[4] sowie eingeschränkte finanzielle Möglichkeiten hinderliche Gründe für die Aufnahme eines Studiums.

  • [1] Nach dem neuen Gesetz vom November 2014 ist Personen mit einer Duldung Arbeiten in den ersten drei Monate ihres Aufenthaltes verboten. Danach haben sie 15 Monate lang lediglich einen nachrangigen Zugang zum Arbeitsmarkt (vgl. 2.2.2.4).
  • [2] So gab es beispielsweise kein offizielles Informationsverfahren, sodass viele Flüchtlinge nur durch Zufall oder dem Engagement Einzelner von der Möglichkeit und den Bestimmungen des Schulantragrechtes erfuhren. Bei Kapazitätsproblemen seitens der Schule oder auffälligem, störendem Verhalten der Kinder konnten diese leichter von der Schule verwiesen werden. Nach Ablauf der Vollzeitschulpflicht wurde vielen Kindern mit Schulrecht der Zugang zu weiterführenden Schulen verwehrt (vgl. Flüchtlingsrat Baden-Württemberg 2008: 1).
  • [3] In einigen Städten wird diesem Problem mit zusätzlichen Schulen, wie beispielsweise der SchlaUSchule in München versucht entgegenzuwirken (vgl. SchlaU-Schule: schlauschule.de/, zuletzt geprüft am 17.11.2014).
  • [4] Nach §5 AsylbLG können LeistungsempfängerInnen zu „Arbeitsgelegenheiten“ verpflichtet werden. Diese betreffen vor allem die Instandhaltung der Unterkunft und werden mit 1,05 Euro pro Stunde vergütet.
 
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