Die Vorstellung einer glücklichen und „normalen“ Zukunft

Auf die Frage der Autorin nach „Pläne[n] oder Wünsche[n]“ (Z. 454) und wie er sich seine Zukunft vorstellt (vgl. 453f.), ist eine große Erleichterung seitens des Befragten zu erkennen. Er geht zunächst auf die gegenwärtige Situation ein, in der er seine Frau „Gott sei Dank“ (Z. 455) „gefunden“ (Z. 456) hat. Diese Erleichterung ist mit dem Hintergrund zu versehen, dass er mit seiner Frau nicht nur die „Partnerin fürs Leben“ (Z. 454) gefunden hat, sondern damit auch die Möglichkeit auf einen rechtmäßigen Aufenthalt in Deutschland. Zuvor hatte er, wie der Befragte in einem anderen Gespräch mitteilte, bereits einen Abschiebungsbescheid erhalten. Er muss nun nicht mehr zurück nach Pakistan gehen und kann nun selbst entscheiden, was er will, nämlich „hierbleiben“ (Z. 461). Der Befragte besitzt zwar immer noch eine Duldung, [1] aber da er weiß, dass er bald eine Aufenthaltserlaubnis bekommt, ist er sich der neuen Möglichkeiten die sich ihm dabei auftun bewusst: er kann eine „Ausbildung anfangen“ (Z. 462), er hat „mehrere Chance[n] [einen] gute[n] Job zu finden“ (Z. 463) und kann weiter Deutsch lernen (vgl. Z. 464) wobei er immer noch auf finanzielle Unterstützung von der Stadt zurückgreifen kann.

Als er auf die weitere Zukunft zu sprechen kommt, entwirft er eine Vision, in welcher seine Frau, die jetzt noch studiert, fertig mit ihrem Studium ist und ebenso wie er nach einer abgeschlossenen Ausbildung eine Arbeitsstelle besitzt. Zusätzlich spricht er davon, dass die beiden Kinder haben werden (vgl. Z. 473ff.). Der Befragte führt seine Zukunftsvorstellung weiter aus, indem er anschließt, dass er „hier (…) leben [will]“ (Z. 475f.), dass er nicht vom Reichwerden träumt (Z. 477), sondern „einfach ganz normal“ (Z. 477) mit seiner Familie leben will und „einfach zufrieden“ (Z. 479) und „einfach glücklich“ (Z. 480) sein will. Er fügt dem hinzu, dass er nicht arbeitslos werden will, sondern „einfach (…) leben“ (Z. 333) will wie „ein(…) gute[r] Mensch“ (Z. 333f.). Dies steht im Gegensatz zu vorherigen Situationen, in denen ein „Leben als guter Mensch“ aufgrund von beschränkenden Strukturen wie dem Arbeitsverbot, nicht immer möglich, sondern geprägt von Unsicherheit, Konflikten und provisorischen Lösungen wie dem Wohnen in einer Gemeinschaftsunterkunft, war. Raza spricht selbstbewusst von seiner Zukunft, [2] in der er sich als Subjekt wahrnimmt, welches bestimmte Bedürfnisse und Wünsche hat, die aufgrund von wegfallenden äußeren Strukturen nun auch umgesetzt werden können. Diese Wünsche und Bedürfnisse charakterisiert er als „ganz normal“ (Z. 477) und verortet sich mit seiner Vorstellung eines „einfach“ (Z. 480) glücklichen und zufriedenen Lebens innerhalb des dominierenden Lebensentwurfes einer deutschen Mittelschicht. Der Befragte blickt optimistisch in die Zukunft, die in seinen Erzählungen mit Wörtern wie zufrieden, glücklich, leben, normal und gut illustriert wird (im Gegensatz zu den prägenden Adjektiven wie laut, krank und schlimm im Zusammenhang mit dem Leben in der Gemeinschaftsunterkunft).

  • [1] Nach Aussage des Befragten rechnet dieser damit, dass er circa sechs Monaten nach der Hochzeit eine Aufenthaltserlaubnis bekommt. Bis jetzt fiel der Befragte noch unter die Zuständigkeit der Ausländerbehörde von Stadt A. Der Wechsel der Zuständigkeit nach Stadt B ist seiner Meinung nach unter anderem ein Grund für die Verzögerung des Erhalts einer Aufenthaltserlaubnis.
  • [2] Im Abschnitt über die Zukunft findet sich dreimal die Satzkonstruktion „ich will“ (vgl. Z. 475, Z. 476, Z. 477). Dies steht im Gegensatz zu Erzählungen an anderen Stellen wie beispielsweise die Passage über die Duldung oder über das Leben in der Gemeinschaftsunterkunft, welche geprägt sind von Beschreibungen und Erzählungen von anderen Leuten und Gegebenheiten.
 
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