Mathematikunterricht
Neben den individuellen Voraussetzungen der Kinder wird die Verwendung der Strategien auch durch den Mathematikunterricht beeinflusst (Lorenz, 2003b). Trotz des inhaltlichen Zusammenhangs zwischen zählendem Rechnen, Zahlund Operationsvorstellungen und unterrichtlichen Geschehen bleibt bei den deskriptiven Studien (Kap. 2.1.2 & 2.2) weitgehend unklar, was zwischen den Messzeitpunkten im Unterricht geschehen ist. Dabei ist unstrittig, dass der Mathematikunterricht in positiver und negativer Hinsicht Einfluss auf die Kompetenzen der Kinder hat (Lorenz, 2013; Scherer & Moser Opitz, 2010).
Ein Mathematikunterricht, in dem Kinder über einen längeren Zeitraum ermutigt, aufgefordert und durch ungeeignete Aufgabenstellungen dazu gedrängt werden, Additionsund Subtraktionsaufgaben zählend zu lösen, kann nach Einschätzung Gaidoschiks „die Verfestigung zählenden Rechnens (und damit das Entstehen von "Rechenschwäche") provozieren“ (2009, S. 172 Hervorhebungen im Original). Baroody und Ginsburg (1986, S. 101) nehmen auch an, dass in einem Unterricht, der mechanisch auf das Auswendiglernen von Aufgaben setzt, Kinder ihre zählenden Vorgehensweisen beibehalten, da diese Strategien für sie bedeutungsvoller sind. Weitere unterrichtliche Faktoren, die eine Verfestigung zählenden Rechnens begünstigen können, sind die ungünstige Verwendung ungünstiger Anschauungsmittel, eine Fokussierung auf (richtige) Ergebnisse und eine Verständnis von Mathematik als Regelwerk, in dem bestimmte Verfahren vorgemacht und ohne tieferes Verständnis nachgeahmt werden (Lorenz, 2003). Wird dies bei auftretenden Schwierigkeiten kombiniert mit einer Didaktik der Isolierung von Schwierigkeiten und einem Vorgehen in kleinsten Schritten kann der Mathematikunterricht Kinder und Eltern in der Sicherheit wiegen, mit ihren (zählenden) Strategien (gut) zurecht zu kommen. Dies kann dazu führen, dass die Notwendigkeit, alternative Strategien zum zählenden Rechnen aufzubauen, nicht erkannt wird, da gerade im kleinen Zahlenraum auch mit zählenden Strategien Aufgaben schnell gelöst werden können.
Auch wenn obiges Vorgehen möglicherweise unterrichtliche Realität ist, entspricht es nicht den Ansprüchen der Fachdidaktik an einen zeitgemäßen Unterricht. Welche Aspekte im Mathematikunterricht umgesetzt werden müssen, damit eine Verfestigung zählender Strategien möglichst vorgebeugt wird, und welche empirischen Studien dazu bereits vorliegen, ist Gegenstand des nächsten Kapitels.