Ablösung vom zählenden Rechnen

Zur Ablösung vom zählenden Rechnen gibt es eine Reihe fachdidaktischer Überlegungen und einige empirische Studien. Zunächst werden die fachdidaktischen Überlegungen dargestellt, wobei diese immer bereits mit empirischen Belegen gestützt wird werden, soweit welche vorliegen. Die im Anschluss in ihren zentralen Ergebnissen dargestellten Studien sind Interventionsstudien aus dem internationalen Raum, in denen gezielt nicht-zählende Strategien angeregt oder flexible Vorgehensweise gefördert werden sollen.

Fachdidaktische Überlegungen zur Ablösung vom zählenden Rechnen

Wenn verfestigtes zählendes Rechnen wie aufgezeigt mit einseitigen Zahlund Operationsvorstellungen einhergeht (vgl. 2.2.1), so muss in einem Mathematikunterricht, in dem Kinder Alternativen zum zählenden Rechnen aufbauen sollen, der Aufbau von tragfähigen Zahlund Operationsvorstellungen im Mittelpunkt stehen.

Zahlvorstellungen

Nur dann, wenn Kinder über tragfähige Zahlvorstellungen verfügen, sind sie in der Lage, aus zentralen Aufgaben verwandte Aufgaben abzuleiten. Um tragfähig zu sein, dürfen Zahlvorstellungen demnach nicht ausschließlich auf einem Zahlaspekt beruhen, sondern mindestens ordinales und kardinales Verständnis umfassen. Insbesondere muss das Verständnis eine Sichtweise von Zahlen als Teile bzw. Zusammensetzungen von quantifizierbaren Mengen umfassen, also ein Verständnis von Zahlen im Sinne des Teile-Ganzes-Konzepts (vgl. 2.1.1). Zahlen sollten relational mit anderen Zahlen in Beziehung stehend gedeutet werden und die Beziehung sollte zunehmend quantifizierbar werden.

Konkret bedeutet dies, dass ein Ziel für zählend rechnende Kinder darin besteht, Zahlen als strukturierte Anzahlen zu erkennen, zu zerlegen, darzustellen, zu beschreiben und dann quasi-simultan zu erfassen (Gerster, 1996; Krauthausen, 1995; Scherer, 2009b; Wittmann, 2004, 2011). Die Aufgaben sollten so gestellt sein, dass zählendes Bestimmen der Anzahl möglich ist. Gleichzeitig sollten sie mit Anzahlen arbeiten, die simultan bzw. quasi-simultan erfasst werden können. Eine wichtige Einsicht zum Teile-Ganzes-Konzepts besteht darin, dass die Kinder verstehen, dass ein Ganzes aus verschiedenen Teilen zusammengesetzt werden kann und sich nicht verändert, solange nichts weggenommen und nichts dazugetan wird und dass sich die Veränderung eines Teils auch auf das Ganze auswirkt. Darüber hinaus geht es auch darum, dass die Kinder verstehen, dass Teile gemäß der Konstanz der Summe und der Differenz gegensinnig oder gleichsinnig verändert werden können (Häsel-Weide, Nührenbörger, Moser Opitz, & Wittich, 2014).

Neben diesen Grunderfahrungen muss ein Bewusstsein geschaffen werden für günstige und verlässliche strukturelle Deutungen, so dass zählend rechnende Kinder zentrale Darstellungen einer Menge von fünf oder zehn in strukturierten Anordnungen erkennen und automatisieren (Krauthausen, 1995). Idealerweise geschieht die Darstellung mit dem Zwanzigerfeld oder anderen strukturierten Materialien (Scherer & Moser Opitz, 2010). Von einigen Autoren wird auch die Arbeit mit Fingerbildern vorgeschlagen (Gaidoschik 2009; Meyerhöfer, 2009, Steinweg, 2009), was im Zahlenraum bis zehn vor allem bei Aufgaben zum Zerlegen durchaus sinnvoll erscheint, jedoch darüber hinaus nicht fortsetzbar ist. Deshalb macht das Arbeiten mit Fingerbildern vor allem dann Sinn, wenn es im Kindergarten oder zum Beginn der ersten Schuljahres eingesetzt wird, um das Zahlzerlegungen mit Fingerbildern darzustellen und auch die Ablösung davon produktiv zu begleiten (Meyerhöfer, 2009).

Neben der kardinalen Vorstellung von Zahlen sollten auch, unabhängig von der Anzahlbestimmung, die Kompetenzen im flexiblen Zählen gefördert werden (Schmassmann & Moser Opitz, 2007). Diese müssen insbesondere im Bereich des rückwärts Zählens und beim Zählen in Schritten erweitert werden. Dabei geht es zum einen um eine Sicherung der Zählkompetenzen, so dass Fehler beim Abzählen in geringerem Umfang gemacht werden. Zum anderen ermöglicht das (verbale) Zählen in größeren Schritten (Zweier-, Fünferund Zehnerschritte) erste Einsichten in Zahlbeziehungen insbesondere in die Fünferund Zehnerstruktur des Zahlensystems. Auch bei einer Fokussierung auf den ordinalen Zahlaspekt sollten Zahlen in Beziehung zu anderen Zahlen gesehen werden. Hier können Abstände, Zehnerzahlen und dekadische Analogien als zentrale Strukturen erkannt werden, die später genutzt werden, um nicht-zählend zu rechnen (Häsel-Weide et al., 2014, S. 52; Wittmann, 2011).

 
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