Rekonstruktion von Deutungsaushandlungen
Bei den im Folgenden analysierten Szenen handelt es sich um Episoden, die ihren individuellen Charakter zeigen und nicht als „auszählbare“ Prototypen von „Interaktionsbeispielen“ fungieren. Trotzdem sind sie mehr als Einzelfälle, da an ihnen exemplarisch deutlich wird, wie Deutungsaushandlungen erfolgen und auf welche Art und Weise dies zum Lernen der Kinder beiträgt. Die Verallgemeinerbarkeit liegt dabei nicht in der empirisch-statistischen, sondern in der empirisch begründeten Theoriebildung (Beck & Maier, 1993)
Thomas und Max erkennen die Kommutativität von Zahlenhäusern
Überblick über die Fördereinheit und zeitliche Einordnung der Szene
Der Förderbaustein „Zahlenhäuser“ hat das Ziel, die Kinder zum Nutzen von Strukturen anzuregen. Deshalb ist eine Voraussetzung, dass den Schülerinnen und Schülern des zweiten Schuljahres das Aufgabenformat Zahlenhäuser bekannt ist oder gezielt eine Stunde zum Kennenlernen des Aufgabenformats vorgeschaltet wurde (Häsel-Weide et al., 2014). Dies ist deshalb wichtig, da in der Stunde im Rahmen der unterrichtsintegrierten Förderung die Aufgaben gemäß des Ordnungssystems "Aufzug" (Nührenbörger & Pust, 2011) ins Zahlenhaus eingetragen werden sollen, um die Konstanz der Summe in besonderer Weise zu betonen. Hiermit wird an den vorhergehenden Baustein angeknüpft, in dem Zahlzerlegungen an der Punktreihe vorgenommen und in der Reflexion alle Zerlegungen einer Zahl gesammelt und sortiert wurden. Diese systematische Anordnung der Zerlegungen kann Kindern helfen, auf der symbolischen Ebene die Zahlzerlegungen zu finden, indem sie die operative Beziehung zwischen den Termen ausnutzen. Gerade das Nutzen von Aufgabenbeziehungen ist für die Ablösung vom zählenden Rechnen von entscheidender Bedeutung. Neue Zerlegungsaufgaben werden aus bereits aufgestellten Termen abgeleitet und die mathematische Struktur so zum Lösen der Aufgaben genutzt.
Im Einstieg werden vorgegebene Zerlegungen in das Zahlenhaus zur Zahl fünf eingeordnet, günstige Anordnungen besprochen und eine Sortierung gemäß des "Aufzugs" vorgegeben (Häsel-Weide et al., 2014, S. 74). Die Kinder erhalten in der Arbeitsphase die Zahlenhäuser und sollen diese in der ersten Phase der Partnerarbeitsform "Weggabelung" (vgl. Kap. 5.1.3) unter Berücksichtigung des Sortierkriteriums "Aufzug" füllen. Anschließend werden die Zahlenhäuser zur Zahl sieben bzw. 70 verglichen. Gemäß den Konstruktionsprinzipien der Fördereinheiten liegen die Aufgabenstellungen in parallelisierter Form für den Zwanzigerraum und als Zerlegungen von Zehnern im Hunderterraum vor. Die Häuser für ein Kinderpaar sind analog, aber nicht identisch (vgl. Abb. 6.2).
Abbildung 6.2: Struktur-analoge Zahlenhäuser zu 7 bzw. 7 und 70 (ABs werden in der Mitte zerschnitten, jedes Kind bekommt eine Hälfte)
Diese Differenz zwischen den Häusern soll die aufbzw. absteigende Folge der Summanden sowie die Kommutativität innerhalb eines Hauses und zwischen den Häuser deutlicher machen, also den Blick der Kinder auf die Strukturen lenken. Die Kinder werden aufgefordert, die Häuser zu vergleichen, Auffälligkeiten zu markieren und zu notieren. Die Stunde schließt mit dem Austausch der Kinder in der Gesamtgruppe über unterschiedliche Strukturen, die von den Kinderpaaren gemeinsam an der Tafel sichtbar gemacht und beschrieben werden. (Häsel-Weide et al., 2014, S. 77).