Vergleich zu anderen zählend rechnenden Kindern
Im Rahmen der vorliegenden Studie wurden neben Mary noch vier weitere zählend rechnende Kinder begleitet und deren Deutungen untersucht. Jedes dieser Kinder zeigte individuelle Entwicklungen; doch gleichzeitig konnten verbindende Entwicklungen ausgemacht werden:
Alle fünf Kinder zeigten im Verlauf der Förderung Alternativen zum zählenden Rechnen, wobei die Spanne von einem hauptsächlich faktennutzenden Vorgehen, also einem Abrufen oder Ableiten, bis zu einem sehr vereinzelten Nicht-Zählen reichte. Dabei wurden zählende Strategien häufig dann beobachtet, wenn die Kinder in einer (scheinbar unbeobachteten) Arbeitsphase mit Aufgaben in Form eines klassischen Zahlensatzes konfrontiert wurden.
Vier der fünf Kinder zeigten sich entwickelnde Kompetenzen bei der strukturierten Anzahlerfassung, während ein Mädchen auch zum Ende der Förderung Anzahlen fast ausschließlich über das Zählen von Einzelelementen bestimmte. Möglicherweise wurde in dieser Klasse außerhalb der Förderung im Rahmen der vorliegenden Untersuchung ein zählender Umgang bei der Anzahlbestimmung toleriert oder gar forciert, da das Partnerkind bei der Anzahlbestimmung auch zählend vorging.
Die Kinder fokussierten zunehmend Strukturen, wobei sich diese auf Beziehungen zwischen Zahlen beschränkten und daneben oft Identitäten oder formale „Strukturen“ in den Blick genommen wurden. Wie oben aufgezeigt, scheint die struktur-fokussierende Deutung von Aufgabenbeziehungen für viele Kinder des zweiten Schuljahres, also nicht nur für die verfestigt zählend rechnenden Kinder, eine Herausforderung zu sein. Zudem bedurfte die Identifzierung einer Deutung von Beziehungen der Interaktion der Kinder über die vorliegenden Muster, d.h. zum einen war Voraussetzung, dass die Förderbausteine komplett durchgeführt wurden, was aus unterschiedlichen Gründen nicht immer der Fall war (vgl. 8.2). Zum anderen konnte eine struktur-fokussierende Deutung von Zahlen oder Aufgaben nur dann als solche erkannt werden, wenn die Kinder diese in ihrer Kooperation auch verbalisierten. Für Kinderpaare im ersten Halbjahr des zweiten Schuljahres, die häufig im Rahmen der Förderung zum ersten Mal auf diese Weise über Mathematik sprechen sollten, möglicherweise eine Hürde.
Bei allen zählend rechnenden Kindern und deren Partnerkindern zeigte sich, dass die Darstellung von Aufgaben am Rechenstrich eine zusätzliche Hürde bedeutet. Alle Klassen schienen wenig oder gar nicht mit dieser Darstellung zu arbeiten, so dass die Kinder, auch wenn eine Einführungsstunde „zwischengeschaltet“ wurde, vor allem mit dem Verstehen der Darstellung der Aufgaben beschäftigt waren, so dass die Darstellung der Ableitung bzw. Zerlegung von Aufgaben nicht im Fokus der Aufmerksamkeit stand. Hier wurde deutlich, dass die Einführung einer neuen Anschauung immer auch ein neuer Lernstoff ist (Wittmann, 1993).