(struktur-fokussierende) Deutungen zählend rechnender Kinder
Zahlbeziehungen
Zählend rechnende Kinder nehmen im Diskurs mit ihren Partnerkindern Strukturen innerhalb mathematischer Aufgabenstellungen wahr. Dabei zeigen sich erwartungsgemäß viele Deutungen, die dem Referenzkontext des zählenden Rechnens zugeordnet werden können, bspw. wenn Beziehungen zwischen Zahlen im Sinne der Folge der natürlichen Zahlen gesehen werden, d.h. eine eher ordinale Deutung eingenommen wird (vgl. Kap. 7). Die Analysen machen jedoch auch deutlich, dass zählend rechnende Kinder eine struktur-fokussierende Sicht auf Zahlen einnehmen, indem sie diese relational oder kardinal deuten. Die Kinder interpretieren also Strukturen zwischen Zahlen als Beziehungen zwischen Anzahlen.
Aufgabenbeziehungen
Beziehungen zwischen Aufgaben werden auf die Beziehungen zwischen Zahlen reduziert. Mit Blick auf die Beziehung zwischen Aufgaben wird zwar die Veränderung von Zahlen betrachtet, aber ihre Wirkung auf die Objekte nicht explizit fokussiert. Beispielsweise wird im Sinne eines operativen Musters festgestellt, dass der Summand einerseits um eins erhöht wird und die Summe andererseits um eins erhöht wird. Dass die Erhöhung der Summe eine Folge der Veränderung des Summanden ist, wird nicht formuliert. Im Hinblick auf ein Lösen von Aufgaben durch Ableitung ist es jedoch entscheidend, die Wirkung einer Veränderung von Zahlen bei einer Operation zu betrachten. Nur dann kann von einer struktur-fokussierenden Deutung von Aufgaben gesprochen werden. Die Ergebnisse bestätigen damit die vorliegenden empirischen Befunde, dass leistungsschwächere Kinder bei der Deutung von mathematischen Strukturen Schwierigkeiten zeigen (vgl. Kap. 2) und differenzieren diese gleichzeitig aus. Die Analysen machen deutlich, dass zählend rechnende Kinder strukturfokussierende Deutungen vornehmen, allerdings mit Blick auf Zahlbeziehungen. Dies zeigt sich sowohl im querschnittlichen Blick als auch in der längsschnittlich angelegten Fallstudie.
Der Fokus auf Zahlbeziehungen ist nicht nur bei zählend rechnenden Kindern, sondern auch bei ihren Partnerkinder und den Lehrkräften zu beobachten. Während im Hinblick auf die leistungsschwächeren Kinder die Strukturfokussierung auf die Zahlbeziehung nachvollziehbar scheint, trägt diese Erklärung mit Blick auf die leistungsstärkeren Partnerkinder nicht. Die strukturfokussierende Deutung von Aufgabenbeziehung scheint somit für Kinder im zweiten Schuljahr insgesamt eine Herausforderung zu sein und einer intensiven Thematisierung zu bedürfen. Zum aktuellen Zeitpunkt können nur Vermutungen darüber angestellt werden, ob die konzipierten Lernumgebungen keine ausreichende Fokussierung auf die Veränderung zwischen Aufgaben gelegt haben oder im ersten Halbjahr des zweiten Schuljahres eine Sicht auf operative Zusammenhänge zwischen Aufgaben noch nicht zu erwarten ist und es sich bei der Fokussierung auf Zahlbeziehung um eine "proto-struktur-fokussierende Deutung" von Aufgabenbeziehungen handelt. Diese Fragen müssten in sich anschließenden Studien geprüft werden.