Kultur als Weg aus der Krise eh. Industriestädte

Spätestens seit den 1980er Jahren suchen viele Städte, die mit den Folgen des Niedergangs traditioneller Industriezweige wie Arbeitslosigkeit und Abwanderung zu kämpfen haben, nach Wegen aus der Krise und setzen auf einen Strukturwandel, bei dem Stadtentwicklung und Investitionspolitik wesentliche Faktoren sind. Dabei kommt Kultur und Kulturbauten eine besondere Bedeutung zu.

Ein für viele sterbende oder zumindest darbende Industriestädte in Europa richtungsweisendes Beispiel ist das baskische Bilbao mit dem Guggenheim–Museum von Frank Gehry. Eine visionäre Stadtverwaltung bewarb sich als Standort für eine europäische Zweigstelle des New Yorker Guggenheim–Museums, mit dessen Wunschdestinationen Venedig und Salzburg es zu keiner Einigung gekommen war. Das vormals industrielle Zentrum im ehemaligen Hafen sollte zu einem neuen kulturellen werden. Seit der Eröffnung des einzigartigen Museumsbaus im Jahr 1997 ist Bilbao nicht nur ein höchst erfolgreicher Touristenmagnet. Denn gleichzeitig wurde auch in die Infrastruktur der Stadt investiert die auch der lokalen Bevölkerung zugutekommt wie eine Metrolinie, die auch die Bewohner der dezentralen Stadtteile in das neue Bilbao einbezieht. Auch ein neuer Flughafen war Teil des Infrastrukturkonzepts der inzwischen florierenden Stadt.[1]

Der sogenannte Bilbao Effekt war und ist in aller Munde. Allerdings nicht bei allen Folgeprojekten gelingt die kalkulierte Nachhaltigkeit, die die meist sehr hohen Investitionen rechtfertigen soll.

Demogaphischer Wandel

Wenn auch mit regionalen Unterschieden ist der unaufhaltsame demographische Wandel ein wesentlicher Faktor für den Kultursektor. Er kann kurz mit „weniger, älter, bunter“ umschrieben werden.

[2] Zu den Konsequenzen dieser Veränderungen für die Kultur gehört:

„Das weniger werden“ führt zu einer Verringerung von potenziellen Nutzern kultureller Angebote, der Wettbewerb der einzelnen Sparten und Häuser um das Publikum könnte deshalb härter werden. Das „älter werden“ führt zu einer Veränderung der Bevölkerungsstruktur, was sich über kohortenspezifische kulturelle Interessen und Bedürfnisse im Nutzungsverhalten des Kulturpublikums widerspiegeln dürfte. (….) Wachsende Anteile von Bevölkerung mit Migrationshintergrund machen ein Eingehen der Kultur und ihrer Häuser auf diese unterschiedlichen kulturellen Prägungen unumgänglich“.[3]

Ein weiterer Aspekt ist die zunehmende Armut und soziale Polarisierung, was zur Folge hat, dass „immer größere Gruppen in ihrer gesellschaftlichen Teilhabe eingeschränkt oder gar davon ausgeschlossen“ werden.

Abnehmende Bevölkerungszahlen wirken sich nicht nur auf die Nutzung der kulturellen Angebote aus, sondern auch auf die Finanzierung der kulturellen Einrichtungen durch die Kommunen, deren Budgets ja nicht zuletzt von der Bevölkerungszahl abhängen. Daher sind immer neue Partnerschaften für zusätzliche Finanzmittel gefragt. Und zudem gilt es der Politik zu beweisen, welchen Mehrwert Investitionen in Kultur haben – Stichwort Bilbao Effekt – aber nicht nur.

  • [1] Siehe dazu: Thomas Grumböck : “Der Bilbao Effekt“, in: nachrichten.at, 21. Januar 2012, (nachrichten.at/reisen/Der-Bilbao-Effekt;art119,801514
  • [2] Siehe dazu: ILS – Forschung 1/10: “Demographischer Wandel in Nordrhein-Westfalen“ Vorwort.

    Die Abnahme der Geburtenrate, eine zunehmende Lebenserwartung und eine mehr oder weniger hohe Zuwanderung aus dem Ausland sind wesentlich Aspekte des demographischen Wandels. Diese Prozesse werden nach allen vorliegenden Prognosen weiter anhalten.“ Pdf auf ils-forschung.de/cms25/index.php?option=com_content&view=article&id=344&Itemid=205&lang=d

  • [3] Ebenda: “Demographischer Wandel und Kultur“, Seite 88ff. In den Jahren 2003 und 2004 wurden drei Fachgespräche unter dem Titel „Konsequenzen des demographischen Wandels für die kulturelle Infrastruktur“ vom ILS NRW im Auftrag der Kulturabteilung des damaligen Ministeriums für Städtebau und Wohnen, Kultur und Sport des Landes NRW durchgeführt
 
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