Experten für Fundraising

Die steigende Konkurrenz im NGO-Markt wird als weitere Antriebsfeder der Professionalisierung gesehen (Frantz 2007: 187; Appel 2005: 43). Die Ressourcenmobilisierung hat einen neuen Stellenwert gewonnen. Es geht darum, Botschaften zu verkaufen und Unterstützer zu gewinnen. Obwohl NGOs nicht profitorientiert sind, bemühen sie sich mit vielfältigen Strategien um die Sicherung ihrer Einnahmen; der Grundlage ihres Engagements (Curbach 2003: 36). Auch in der Hauptamtlichkeit gründet die Notwendigkeit, finanzielle Mittel zu akquirieren, um die Organisationsstruktur aufrecht zu erhalten (Frantz 2007: 186; Strachwitz 2000), weshalb NGOs – soweit es das Budget zulässt – auf professionelle Fundraiser zurückgreifen (Messner 1999: 260). Seit den 1990ern lässt sich eine Professionalisierung der Öffentlichkeitsarbeit und des Fundraising ausmachen (Lahusen 2002: 268). In beiden Bereichen bildeten sich Berufsgruppen heraus, welche die Betreuung der Mitglieder und Unterstützer übernehmen.

Experten für Kommunikation

NGOs konkurrieren mit anderen Akteuren um mediale und politische Aufmerksamkeit (Baringhorst 2009, 1998; Jarren & Donges 2006). Um erfolgreich zu kommunizieren und ihre interessenpolitische Wirkung zu steigern, ist die Adaption an den gesellschaftlichen Wandel und die Entwicklungen im Bereich Massenmedien bzw. an technische Innovationen erforderlich. Um sich der Unterstützung ihrer Anhänger und der Öffentlichkeit zu versichern, müssen sie zu diesen durchdringen – es bedarf des Wissens um zielgruppenspezifische Kommunikation. NGOs erhöhen ihre Chancen, indem sie enge Kontakte zu Journalisten etablieren und diesen, basierend auf ihrer spezifischen Expertise produziertes, mediengerecht aufbereitetes Material zukommen lassen. Zudem ist für die langfristige Mobilisierung von Unterstützern kontinuierliche Kommunikation entscheidend, da die Gefahr besteht, dass sich die mediale und öffentliche Aufmerksamkeit auf ein anderes Thema richten. Für NGOs ist es essenziell, als Ansprechpartner für „ihre“ Problematik in der Öffentlichkeit präsent zu bleiben, sonst riskieren sie die Definitionsmacht. Diese Anforderungen führen zu erhöhtem Bedarf an qualifiziertem Personal bzw. einer Ressourcenallokation mit Fokus auf Presseund Medienarbeit. Insbesondere finanzstarke NGOs bauen ihre Öffentlichkeitsarbeit deshalb aus (Voss 2007: 77). Es werden professionelle Kampagnenmacher und Public Relations [1] -Experten rekrutiert (Lahusen 2002) sowie feste Stellen für die Öffentlichkeitsarbeit eingerichtet.

Experten für Projektarbeit

NGOs sind mittlerweile als Akteure im sozialen und politischen Handlungsraum akzeptiert. Auch von der Politik werden sie als etablierter Teil des gesellschaftlichen Akteursspektrums wahrgenommen. Gleichzeitig haben sie den mit ihrem Außenseiterdasein einhergehenden moralischen Vorsprung in der öffentlichen Wahrnehmung zu einem großen Teil eingebüßt und müssen sich verstärkt kritischer öffentlicher Prüfung unterziehen. Die Anforderungen an Effizienz und Effektivität seitens der Geldgeber und der politischen Institutionen steigen (Lahusen 2002). Neben Experten für Öffentlichkeitsarbeit und Ressourcenmobilisierung sowie professionellen Lobbyisten finden sich in NGOs infolgedessen verstärkt Spezialisten für die Projektarbeit, in Gestalt von Wissenschaftlichern und Projektmanagern.

Primäre Orientierung – Advocacy statt Projektarbeit

Als Anpassung an das EU-System und mit dem Anspruch, ihre Aufgaben dauerhaft zu erfüllen und so den Organisationsbestand zu sichern, ist eine (stärkere) Orientierung in Richtung Interessenvermittlung wesentliches Professionalisierungsmerkmal.

„Advocacy work is increasingly seen by NGOs as an integral part of the role they play in civil society“ (Jordan & van Tuijl 2000: 2052).

In Konsequenz haben NGOs ihre diesbezüglich relevanten Strukturen ausgebaut oder Advocacy als zweiten gleichbedeutenden Arbeitsbereich neben der Bereitstellung von Serviceleistungen etabliert. Die Zusammenarbeit und Interaktion mit politischen Akteuren, besonders Entscheidungsträgern (Lahusen 2002: 269), zwecks deren Beeinflussung, aber auch Experten und anderen kollektiven zivilgesellschaftlichen Akteuren (Krüger 2001) sind zu beobachten. Diese „Kontaktnetze sind das Kapital der Akteure“ (Leif & Speth 2003: 8), denn die Wahrnehmung ihrer politischen Funktion hängt maßgeblich davon ab, inwieweit es ihnen gelingt Partnerschaften aufzubauen, mittels derer „sie Informationsvorsprünge abschöpfen und politisch ummünzen können“ (Frantz & Martens 2006: 108). Da räumliche Nähe Kommunikation und Informationsaustausch in hohem Maße begünstigt, etablieren NGOs ihr Hauptquartier auf EU-Ebene oder entsenden ihr Personal nach Brüssel, um in den dort ansässigen NGO-Netzwerken eine aktive Rolle zu spielen. Die Einrichtung eines Büros auf EU-Ebene ist damit ein weiteres Merkmal der Professionalisierung.

  • [1] Grunig & Hunt (1984: 6) definieren Public Relations als „management of communication between an organisation and its publics“
 
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