Organisationstypus

Dieser Einflussfaktor bezieht sich zum einen auf die Mitgliedschaftsoptionen: Gestatten die NGOs auch natürlichen Personen die Mitgliedschaft oder nur Organisationen? Im ersten Fall ist von größerer Basisnähe auszugehen, da eine direkte Verbindung zu ebendieser besteht. Der Großteil der auf EU-Ebene präsenten NGOs sind jedoch Netzwerke von Organisationen, die ihrerseits oftmals Organisationen als Mitglieder haben. Kohler-Koch und Buth (2009: 18) kommen in ihrer Analyse der CSCG auf bis zu neun Organisationsebenen bis zum individuellen Mitglied an der Basis. Es ergibt sich eine enorme Herausforderung allein dadurch, dass NGOs mit ihren Kommunikationsmaßnahmen mehrere Ebenen, sowohl innerorganisatorisch, als auch geographisch, überwinden müssen.

Die vermuteten Konsequenzen dieser Organisationsstruktur sind vergleichbar mit jenen der Professionalisierung. Mit der Verlängerung der Repräsentationsketten über die nationale bis zur EU-Ebene verschärfen sich die Probleme innerorganisatorischer Demokratie und Entscheidungsfindung. Transnationale Organisationsformen erhöhen nicht nur den Koordinationsaufwand und das interne Konfliktpotenzial, sondern bergen laut Janett (2000: 154f) das Risiko der Loslösung der NGO-Spitze von „den mikrosozialen Milieus“ ihrer Anhänger. Willensbildungsprozesse laufen meist über viele Stufen, (politische) Entscheidungen und Informationen müssen über mehrere Ebenen und zwischengeschaltete Akteure vermittelt werden. Steffek et al. (2010: 30) sehen folglich die Gefahr, dass sich in NGOs mit mehreren Organisationsebenen die gleiche Entfremdung einstellt, die dem EU-System diagnostiziert wird.

Zum anderen bestimmt die Komposition, ob föderativ oder zentralistisch, die Organisationskapazitäten zur Ausgestaltung der Beziehungen zu politischen Autoritäten (Frantz & Martens 2006: 46ff; Martens 2005a; Freeman 1979), aber auch zu Mitgliedern, Basis und Öffentlichkeit. Dieser Aspekt ist, wie die folgenden, eher zu den allgemeinen, nicht EU-spezifischen Einflussfaktoren zu zählen. Föderative NGOs entstehen nach dem bottom-up Prinzip, d.h. autonome Organisationen mit ähnlichen Zielen schließen sich zusammen, um ihre Ziele effektiver verfolgen zu können. Dagegen sind zentralistisch organisierte NGOs durch ein top-down Prinzip geprägt. Starke und gut ausgebaute Sekretariate bestimmen die Politik und das Vorgehen der nationalen Sektionen. Auf Basis dieser Charakteristika lassen sich zwei gegensätzliche Thesen betreffend der kommunikativen Strategien zur Realisierung von Linkage aufstellen:

(1) föderativ organisierte NGOs erbringen eine bessere Linkage-Leistung, da die nationalen Mitgliedsorganisationen größere Bürgernähe mit sich bringen und ihre kommunikativen Strategien autonom ausarbeiten, weshalb sie besser auf nationale Besonderheiten eingehen können.

(2) zentralistisch organisierte NGOs werden ihrer Rolle als Linkage-Agenten im Vergleich eher gerecht, da das EU-Sekretariat, in dem die entsprechende Expertise zu verorten ist, eine abgestimmte Strategie entwickelt, die von den Mitgliedsorganisationen – eventuell mit geringen Modifikationen, um dem jeweiligen nationalen Kontext gerecht zu werden – umgesetzt wird.

 
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