Dauerhaftigkeit der Organisation
Auch die Dauerhaftigkeit einer Organisation determiniert deren kommunikative Performanz. (Jarren & Donges 2006). Dies bezieht sich etwa auf den unsteten Charakter von NSB und der u.a. daraus resultierenden Fokussierung auf Öffentlichkeitsstrategien. Dauerhaftigkeit soll sich hier primär auf das Alter der NGO und den Zeitpunkt der Einrichtung des EU-Büros beziehen. Beides impliziert eine Etablierung, in Gestalt gefestigter Kommunikationsformen und Routinen mit relevanten Stakeholdern. Existiert eine EU-Repräsentanz bspw. schon seit Beginn der 1990er Jahre ist von etablierten Kontakten bzw. Interaktionsformen mit Partnern und Entscheidungsträgern auszugehen – diese befinden sich nicht erst im Stadium des Aufbaus, das ein großes Maß an Ressourcen erfordert. In Konsequenz können jene Ressourcen in die Kommunikation mit Mitgliedern, Basis und Öffentlichkeit investiert werden.
Ebenfalls ist in Anlehnung an Poguntkes (2000) Forschungsergebnisse zu vermuten, dass sich in älteren NGOs der Fokus von organisatorischer auf direkte Linkage verschoben hat.
Medialisierung und Optionen des Medienzugangs
Ein Phänomen, das die Kommunikation aller zivilgesellschaftlichen und politischen Akteure massiv beeinflusst (Hallin & Mancini 2004; Swanson & Mancini 1996) und Fragen nach deren Reaktion aufwirft, ist das der Medialisierung. Moderne Gesellschaften sind Mediengesellschaften (Luhmann 1996; 1994; Gerhards & Neidhard 1990), die sich durch Massenmedien als zentralen konstituierenden Faktor auszeichnen. Diese stellen die Verbindung zu den Bürgern her und erlauben Meinungsund Informationsaustausch auf breiter, unbegrenzter Basis (Wimmer 2007: 44; Donges & Imhof 2001; Gerhards 1994: 84). Sie bieten die Möglichkeit, die Aufmerksamkeit eines großen Publikums zu erreichen, also die Chance, die Legitimation politischer Forderungen zu optimieren (Marcinkowski
& Steiner 2009: 18) und sich auf der öffentlichen Agenda zu positionieren, welche durch die Massenmedien bestimmt wird (McQuail 2005: 512ff; McCombs & Shaw 1972). Die Vermittlung politischer Botschaften findet demgemäß vorrangig über die Massenmedien statt [1].
„[P]eople depend on the media for information about politics and society (…) just as politicians and other powerful elites depend on the media for information about peoples' opinions and trends in society, and for reaching out to people. Stated differently, the media mediate between the citizenry, on one hand, and the institutions involved in government, electoral processes, or, more generally, opinion formation, on the other.” (Strömbäck 2008: 230)
Obwohl die direkte persönliche Kommunikation mit den Anhängern nicht vernachlässigt werden darf, ist massenmediale Kommunikation überlebenswichtig für NGOs. Sie bestimmt ihr Handeln in hohem Maß und wird als mitverantwortlich für die Professionalisierung, u.a. sichtbar an der Einrichtung spezialisierter Kommunikationsabteilungen (Raupp 2009: 265), angesehen (Frantz 2007: 187). Die gestiegene Bedeutung massenmedialer Kommunikation ist daher ein weiterer zu berücksichtigender Faktor bezüglich der Strategien von NGOs (Kriesi et al. 2007: 50).
Öffentlichkeit und öffentliche Meinung sind wertvolle Ressourcen; dementsprechend ist die Konkurrenz der Akteure um Deutungsmacht und Aufmerksamkeit hoch (Röttger 2005: 45). Im Vergleich zu politischen Entscheidungsträgern ist NGOs keine mediale Grundaufmerksamkeit gesichert, sodass es ihnen im Alltag schwer fällt, ihre Themen auf der medialen Agenda zu platzieren. Gelingt es NGOs nicht, ihre Anliegen und Forderungen medienwirksam zu verpacken, bleibt ihnen die Aufmerksamkeit versagt (Curbach 2003: 128); die Agenda-Settingund Gatekeeping-Funktion der Journalisten (McQuail 2005: 308f) setzt ihren Öffentlichkeitsstrategien Grenzen (Peters 1994: 58). Bereits im nationalen Kontext ist es für die Organisationen oft schwierig, mediale Aufmerksamkeit zu generieren. Auf EU-Ebene wird die Situation angesichts der weitgehenden Abwesenheit europäischer Medien (Kriesi et al. 2007: 54; Brüggemann et al. 2007) und der primär länderspezifischen Ausrichtung der nationalen Massenmedien verstärkt. Zwar ist eine Europäisierung Letzterer festzustellen (Koopmans 2004; Koopmans & Pfetsch 2003: 13f) [2], indessen sind die Chancen, dass NGOs und ihre Themen Eingang in die Berichterstattung finden, meist gering (Altides & Kohler-Koch 2009).
- [1] Zur Auseinandersetzung mit dem Phänomen Medialisierung und der Rolle der Medien in modernen Demokratien siehe Strömbäck (2008), Pfetsch & Adam (2008), Donges (2008), Schulz (2008; 2004) und Imhof (2006)
- [2] Koopmans und Pfetsch (2003) sprechen von vertikaler und horizontaler Europäisierung. Während Erstere die Aufnahme europäischer Themen in die nationale Debatte meint, ist unter horizontaler Europäisierung, die Beobachtung von Debatten in anderen EU-Staaten zu verstehen