Das Drama Nathan der Weise
Der Inhalt des Dramas
Das Drama Nathan der Weise besteht aus fünf Aufzügen (Akten) mit jeweils mehreren Auftritten (Szenen). Die komplexe, figurenreiche Handlung kann wie folgt zusammengefasst werden: Im ersten Aufzug kehrt der reiche jüdische Geschäftsmann Nathan von einer Reise zurück und erfährt, dass sein Haus niedergebrannt ist. Seine Tochter Recha wurde von einem christlichen Tempelherren aus dem Feuer gerettet. Dieser wurde zuvor von dem muslimischen Sultan Saladin begnadigt. Als sich Nathan und Recha wiedersehen, entspinnt sich ein Gespräch über den Wunderglauben Rechas. Sie glaubt, ein Engel habe sie gerettet. Nathan versucht seiner Tochter deutlich zu machen, dass sie nicht von einem Engel gerettet wurde, sondern vielmehr ein besonnen handelnder Mensch der Retter sei. Nathan erklärt ihr, dass der Engelsglauben nur dazu führe, sich in religiösen Schwärmereien zu verlieren, ohne das eigene Handeln reflektieren zu müssen. Nathan wird von seinem Freund Al-Hafi, einem Derwisch, gefragt, ob er dem Sultan Geld leihen würde. Nathan hat Bedenken und lehnt vorerst ab. Der Versuch Nathans, dem Tempelherren für die Rettung Rechas zu danken, scheitert, da dieser sich gegenüber Daja, seiner christlichen Gesellschafterin, dem Kontakt zu einem Juden entschieden verwehrt: „Weib, macht mir die Palmen nicht/Verhasst, worunter ich so gern sonst wandle“ (Lessing 1983, Vs. 786).
Im zweiten Aufzug zeigen sich die finanziellen Probleme des Sultans im Gespräch mit seiner Schwester Sittah deutlich. Sie schlägt dem Derwisch Al-Hafi daraufhin vor, Geld von seinem reichen Freund Nathan zu besorgen. Al-Hafi lehnt das mit dem Wissen, dass Nathan kein Geld verleihen wird, jedoch ab. Nathan geht im Verlauf des Textes auf den Tempelherrn zu, stellt sich vor und bietet ihm Geld zur Belohnung für die Rettung Rechas an. Der Tempelherr ist gegenüber Nathan zunächst abweisend, beide nähern sich aber immer mehr an und als Nathan feststellt, dass sie trotz verschiedener Religion beide nur Menschen sind, beschließen sie, Freundschaft zu schließen.
Im dritten Aufzug zeigen sich die romantischen Gefühle des Tempelherren und Rechas füreinander. Bei einer Audienz Nathans bei dem Sultan Saladin fragt dieser Nathan nach der wahren, richtigen Religion der drei monotheistischen Glaubensrichtungen. Nathan erzählt ihm, um einer eindeutigen Antwort aus dem Weg zu gehen, die Parabel von einem Mann, der Besitzer eines kostbaren Ringes ist, der die Kraft hat, seinen Träger „vor Gott/Und Menschen angenehm zu machen“ (Lessing 1983, Vs. 1916). Es ist ihm vor seinem Tod jedoch nicht möglich, zu entscheiden, welchem seiner drei Söhne er den Ring vererben soll. So lässt er zwei weitere, identische Ringe anfertigen und gibt jedem seiner Söhne einen der Ringe. Der richtige Ring kann nicht ausgemacht werden. Die Söhne gehen vor Gericht, jedoch kann auch der Richter den echten Ring nicht identifizieren. Er empfiehlt, dass jeder Einzelne durch sein Handeln nun beweisen müsse, dass der eigene Ring der Ring mit der magischen Kraft sei. Der Sultan zeigt sich beeindruckt von dieser Geschichte und der klugen Antwort. Im anschließenden Gespräch klärt sich auf, warum der Tempelherr trotz seiner christlichen Herkunft begnadigt wurde, denn dieser sähe dem verstorbenen Bruder Saladins sehr ähnlich. Der Tempelherr hält bei Nathan um Rechas Hand an, auch wenn er unschlüssig ist, ob eine Liebe zwischen Jüdin und Christ möglich ist. Es stellt sich heraus, dass Recha nicht die leibliche Tochter von Nathan ist.
Im vierten Aufzug fordert der christliche Patriarch die Todesstrafe für Nathan, da dieser ein christliches Mädchen als Jüdin aufgezogen habe. Der Sultan soll sich um die Bestrafung kümmern. Nathan wird von einem christlichen Klosterbruder vor der bevorstehenden Bestrafung gewarnt. Dieser klärt Nathan auch darüber auf, dass aus Aufzeichnungen, die er besitzt, hervorgeht, dass Recha und der Tempelherr Geschwister sind.
Im fünften Aufzug klären sich die aufgekommenen Fragen. Es bestätigt sich, dass Recha und der Tempelherr Geschwister sind und ihr Vater der verstorbene Bruder des Sultans ist. Ein christlicher Tempelherr und die Pflegetochter eines Juden sind somit Neffe und Nichte des muslimischen Herrschers: Obwohl sie drei verschiedenen Religionen angehören, sind sie Mitglieder derselben Familie. Das Stück endet mit Umarmungen.