Forschungsdesign
Untersuchungsgegenstand Kommunikation
Die Aufgabe von NGOs als intermediärer Akteur ist eine doppelte: Kommunikation mit Entscheidungsträgern und ihrer Anhängerschaft. Folglich ist ein analytischer „double-step“ (Hüller & Kohler-Koch 2008: 158) nötig, um ihre Performanz vollständig zu erfassen und sich dem hier zugrundeliegenden Erkenntnisinteresse in angemessener Art und Weise zu nähern.
„Thus, it is not sufficient to assess civil society impact in EU decision making, rather we have to analyse the communication and interaction up from and down to the citizens in order to evaluate the democratic value of civil society involvement.“ (ebd.: 164f)
Ergo ist das Ziel der Untersuchung, den Kommunikationsprozess als Ganzes zu erfassen und sowohl die Interaktion mit den Mitgliedsorganisationen, als auch die Kommunikation mit den Bürgern, in Gestalt der direkten Mitglieder, Mitglieder der Mitgliedsorganisationen, (potenziellen) aktiven und finanziellen Unterstützern oder Begünstigten der Arbeit der NGO, aber auch als der breiten (europäischen) Öffentlichkeit (top-down und bottom-up) betreffend der verschiedenen Linkage-Dimensionen, genauso wie die Kommunikation mit anderen zivilgesellschaftlichen und politischen Akteuren zu beleuchten.
Jarren und Donges (2006: 124ff) Charakterisierung des intermediären Systems als Interaktionsraum folgend, sind in dieser Beziehung verschiedene Analyseebenen zu unterscheiden. Die horizontale Ebene meint die Interaktion zwischen intermediären Akteuren, bspw. in Form von Kooperationen. Auf der vertikalen Ebene findet Kommunikation zwischen intermediären Akteuren und der staatlichen Sphäre, als jenen, die an der Politikformulierung und -realisierung mitwirken, statt. Die organisationsinterne oder auch binnenkommunikative Ebene umfasst die Kommunikation innerhalb der NGO.
Die empirische Analyse folgt dem Bild der zwischengeschalteten Instanzen und stützt sich auf die von Jarren und Donges (2006) spezifizierten Kommunikationsebenen. Dabei bezieht sich die vertikale Kommunikation – wie in Abbildung 4 dargestellt – nicht nur auf Entscheidungsträger, in diesem Fall EUInstitutionen sowie nationale Regierungen und Parlamente, in Gestalt direkter Interaktion und koordinierter Bemühungen, diese über die Mitglieder zu erreichen. Aufgrund des Erkenntnisinteresses der Studie wird die vertikale Ebene um die Interaktion mit der Basis – d.h. (individuelle) Mitglieder der Mitgliedsorganisationen sowie, in Anlehnung an Katz und Mair (1993), diesen zugetane Unterstützer [1] und Begünstigte der Arbeit der NGO – und der Öffentlichkeit ergänzt. Öffentlichkeit wird mit Referenz auf die Erwartungen der EU-Institutionen, mittels NGOs die EU-Bürger besser erreichen zu können, als prinzipiell jeder EU-Bürger verstanden. Damit soll Neidhardts Konzeption (1994: 10), die Öffentlichkeit an der Existenz eines unbegrenzten Publikums festmacht, keinesfalls widersprochen werden, dennoch sind im Rahmen dieser Studie in besonderem Maße die EU-Bürger relevant.
Abbildung 4 Fokussierte Kommunikationsbeziehungen von NGOs Quelle: eigene Darstellung
In gleicher Weise wird die organisationsinterne bzw. binnenkommunikative Ebene, in Anlehnung an Voss (2007: 80), um die Mitgliedern erweitert. Sie definiert Mitglieder anders als die breite Öffentlichkeit oder Teilöffentlichkeiten, wie Entscheidungsträger und Partner, nicht als externe Öffentlichkeiten, da sie einen weitergehenden Einfluss auf die NGO haben, der überdies meist in einer Satzung geregelt ist. Die Ebene der horizontalen Kommunikation umfasst die Interaktionsbeziehungen mit anderen zivilgesellschaftlichen Vertretern, Massenmedien, Think Tanks und politischen Akteuren in ihrer Funktion als Partner. Die relevanten Zielgruppen der Untersuchung sind demzufolge:
• Mitglieder, in Gestalt natürlicher Personen und/oder Mitgliedsorganisationen
• Basis, in Gestalt der (individuellen) Mitglieder der Mitgliedsorganisationen, Unterstützer und Freiwilligen oder Begünstigten der NGO-Aktivitäten
• Öffentlichkeit, in Gestalt eines jeden (EU-)Bürgers
• Politische Entscheidungsträger
• Strategische Partner
Um dem Anspruch einer ganzheitlichen Analyse der Kommunikation gerecht zu werden, wird erfasst, welche öffentlichen und nichtöffentlichen Kommunikationsstrategien und -maßnahmen NGOs zur Ansprache ihrer Zielgruppen nutzen und welche Zielsetzung dabei im Vordergrund steht. So ist in Hinsicht auf die Potenziale der NGOs zur Realisierung des Linkage-Bedarfs im EU-System ein Blick auf die faktisch realisierte Kommunikation und die vornehmlich genutzten Kanäle zur Ansprache von Mitgliedern, Basis und Öffentlichkeit unerlässlich. Es wird die Kommunikation, in Form von Informations-, Sozialisierungsund Mobilisierungsstrategien, gerichtet an diese Zielgruppen betrachtet. Zudem werden neben organisationsinternen Willensbildungsund Entscheidungsprozessen, formelle und informelle Kommunikationskanäle der Interessenartikulation berücksichtigt. Bezüglich der Kommunikation mit Basis und Öffentlichkeit werden direkte Bemühungen der NGOs gleichermaßen beachtet wie Bestrebungen, Mitglieder und Massenmedien zu diesem Zweck zielführend zu nutzen. Nicht minder von Interesse ist die Gewichtung der verschiedenen Kommunikationstypen, da zur Verwirklichung von Linkage die Binnenkommunikation sowie die Interaktion mit Basis und Öffentlichkeit nicht zugunsten der Kommunikation mit Entscheidungsträgern und Partnern vernachlässigt werden dürfen.
Leitende Fragen in Bezug auf die demokratisierenden Effekte der NGO-Beteiligung sind:
• Werden Mitgliedern, Basis und Öffentlichkeit den verschiedenen LinkageDimensionen zuzuordnende Inhalte vermittelt?
• Mit welchen Strategien aggregieren sie Interessen, informieren Mitglieder, Basis und Öffentlichkeit, vermitteln Wissen und politische Entscheidungen, mobilisieren Unterstützung, regen transnationale Diskurse und Engagement an, gewährleisten Accountability bzw. Kontrolle der Politikprozesse sowie der NGO selbst und bringen ihre Anliegen in den Politikprozess ein?
• Welche Kommunikationskanäle werden zu welchem Zweck genutzt?
• Welche Bedeutung wird der Kommunikation mit Partnern und politischen Autoritäten zugewiesen?
• Wird die Kommunikation mit Mitgliedern und Basis zugunsten des Kontakts mit Partnern und Entscheidungsträgern vernachlässigt?
In Erweiterung der Arbeiten von Altides und Kohler-Koch (2009) und Steffek et al. (2010) wird die Gruppe der für die Analyse relevanten Zielgruppen auf die Basis bzw. die Öffentlichkeit, als den für die an NGOs adressierten Erwartungen bedeutsamen potenziell unbegrenzten Adressatenkreis, ausgedehnt. Außerdem werden über die Website hinausgehende Kommunikationsmaßnahmen berücksichtigt und die Kommunikation mit Partnern, ebenso wie der Sozialisierung zuzurechnende Inhalte explizit erfasst.
- [1] Katz und Mair (1993: 597) zählen auch „regular acitivists, financial supporters and even loyal voters“ zur Party on the Ground