Potenziale für den Deutschunterricht
Ein Unterrichtsangebot zum Zusammenhang von Sprache und sozialer Position auf Grundlage Woyzecks
Immer schon wird Sprache als ein symbolisches Zeichensystem zur Kommunikation zwischen Menschen genutzt. Oftmals fungiert sie jedoch auch als verbales Instrument, um sich beispielsweise durch gezielte Wortwahl von anderen Sprechern [1] abzugrenzen. Dies gelingt dann, wenn eine bestimmte Sprechergruppe eine spezifische Sprechweise als für sich konventionalisiert versteht, woraus eine Solidarisierung zu ähnlichen Sprechern und eine Abgrenzung gegenüber anderen Sprechergruppen resultieren kann (Bourdieu 1990, S. 25 ff.). Diese Distinktionsfunktion von Sprache äußert sich u. a. in der Einteilung in verschiedene Stilschichten (vulgär, salopp, standardsprachlich, gehoben, etc.) oder der Einteilung sprachlicher Muster in die Codes elaboriert und restringiert (Bernstein 1970). Deren jeweilige Nutzung wird nicht selten mit einer entsprechend bildungsnahen oder bildungsfernen Sozialschicht assoziiert. Dies bedeutet, dass Menschen anhand ihrer sprachlichen Kompetenz von anderen beurteilt und kategorisiert werden, allerdings auch selbst solcherlei Zuschreibungen vornehmen. Als „Gütekriterien“ dienen dafür zumeist die orthografische Kompetenz [2] und der Stil eines Schreibers allgemein sowie die mündliche Ausdrucksfähigkeit eines Sprechenden. Dies schließt u. a. Kriterien wie grammatische Korrektheit ein.
Wozu der hier vorgestellte didaktische Baustein die Schülerinnen und Schüler anregen möchte, ist das Erkennen und Reflektieren der Funktion von Sprache zur sozialen Positionierung. In der Ausarbeitung wird die Ansicht vertreten, dass Büchner auch mittels der Sprachverwendung seiner Figuren intendierte, Schichtunterschiede zu demonstrieren. Dies geht einher mit dem Erkennen, dass ein jeder Mensch auch anhand seines sprachlichen Könnens bewertet und eingeordnet wird; ebenso wie die Erkenntnis, dass Sprache für einige Menschen immer auch ein Prestigeobjekt darstellt, nicht selten, um sich von anderen abzugrenzen. In der gegenwärtigen Forschungsliteratur wird der Zusammenhang von negativ bewerteter Sprache und der sozialen Stellung ihres Produzenten als rückläufig konstatiert (vgl. Imo 2013, S. 6 ff.; von Polenz 1999, S. 58 ff.). Nichtsdestotrotz hebt Imo auch die immer noch vorhandene Skepsis hervor, die zumeist von präskriptiv (und oftmals sprachkonservativ) orientierten Sprechern und Schreibern gegenüber solcherlei Sprachwandeltendenzen geäußert wird (Imo 2013, S. 9).
Im Folgenden soll zunächst eine Zusammenfassung des didaktischen Angebots dargestellt und die Zielstellung mit dem brandenburgischen Rahmenlehrplan für die gymnasiale Oberstufe in Verbindung gesetzt werden. Da das Ziel verfolgt wird, ein unterrichtspraktikables Angebot vorzulegen, soll entgegen gängiger wissenschaftlicher Prozedur keine vorhergehende theoretische Einbettung erfolgen. Diese wird vielmehr den jeweiligen Unterrichtsinhalten voranoder zur Seite gestellt und verweist aus Gründen der Übersichtlichkeit und des Umfangs ggf. auf vertiefende Literatur.
- [1] Lediglich aus Gründen der Lesbarkeit soll in dieser Arbeit vom generischen Maskulinum Gebrauch gemacht werden.Es liegt mir fern mittels diesen Sprachphänomens Menschen ganz gleich welchen geschlechtlichen Selbstverständnisses auszuschließen
- [2] Dies zeigt sich wohl am deutlichsten an der Bedeutung bzw. Sanktionierung orthografischer Fehler in einem Bewerbungsschreiben