Mehr-Ebenen-Strukturgleichungsmodelle
Oben in Abschn. 4.2.2 wurde bereits darauf hingewiesen, dass Strukturgleichungsund Mehr-Ebenen-Modelle eng miteinander verwandt sind (Muthèn 2002; Skrondal und Rabe-Hesketh 2004) und sich einige Modelle in äquivalenter Weise sowohl als Mehr-Ebenen-Modell als auch als Strukturgleichungsmodell formulieren lassen. Diese enge Verwandtschaft hat man sich in den vergangenen Jahren zunutze gemacht, um Modelle zu formulieren, die Elemente beider Ansätze (Messmodelle und komplexe Erhebungsdesigns, bei denen Untersuchungsobjekte innerhalb übergeordneter Einheiten „geschachtelt“ sind) miteinander verbinden.
Gerade der Politikwissenschaft eröffnet dies neue Möglichkeiten der theorieadäquaten Modellierung. So dürfte die individuelle latente Variable „negative Einstellungen gegenüber Migranten“ (Abschn. 3.2) nicht nur von individuellen Faktoren wie der formalen Bildung, der Berufsgruppenzugehörigkeit und allgemeineren Einstellungen und Wertorientierungen beeinflußt werden. Vielmehr steht zu erwarten, dass auch Variablen auf der Ebene des politischen Kontextes (z. B. des Bundestagswahlkreises) eine Wirkung haben. Dabei kann es sich um nicht gemessene kontextspezifische Ereignisse handeln, die durch einen zufällig variierenden Achsenabschnitt modelliert werden, oder um Kontextvariablen wie die Arbeitslosenquote, die nur im Rahmen einer Mehr-Ebenen-Modellierung angemessen abgebildet werden können. Selbst latente Variablen auf der Kontextebene (z. B. der mit Hilfe mehrerer Kodierer ermittelte Tenor der regionalen Medien) können berücksichtigt werden.
Der Phantasie sind hier kaum Grenzen gesetzt. Gerade weil jedes der beiden Verfahren für sich genommen schon recht komplex und flexibel ist, ist es aber umso wichtiger, die eigene Forschung von Beginn an auf eine solide theoretische Grundlage zu stellen und die verwendeten Konzepte angemessen zu operationalisieren.
Von den drei hier vorgestellten Programmen beinhaltet LISREL die wenigsten Möglichkeiten zur Schätzung von Mehr-Ebenen-Strukturgleichungsmodellen. Mplus hingegen bietet aufgrund seines generalisierten und sehr flexiblen Ansatzes ein kaum überschaubares Spektrum von Modellierungsvarianten. In Stata schließlich konnten Mehr-Ebenen-Strukturgleichungsmodelle bis einschließlich Version 12 nur mit Hilfe von GLLAMM geschätzt werden. Durch die aktuelle Version 13 wurde das Repertoire der Modellierungsvarianten jedoch dramatisch erweitert und reicht nun zumindest in einigen Bereichen an die Möglichkeiten von Mplus heran.