Primäre Orientierung

Mit nur acht Ausnahmen ist in allen NGOs eine spezifische Zuständigkeit für

„Advocacy/Lobbying“ etabliert. Daneben sehen fast 64% einen relevanten Universitätsabschluss und 91% die einschlägige Berufserfahrung als sehr bis extrem wichtig für diesen Arbeitsbereich an. Auch scheint neben der Zusammenarbeit mit anderen NGOs, wie vermutet, die Kooperation mit politischen Akteuren einen neuen Stellenwert erlangt zu haben (Lahusen 2002). Fast 86% arbeiten mit diesen entweder in Form reziproken Informationsaustauschs (58%), der Bereitstellung von Expertise (53%) oder konkreten Projekten (35%) zusammen – fast 1/4 auf regelmäßiger Basis. Indessen geben nur 16 NGOs explizit Advocacy als Kooperationsgrund an. Ferner kooperieren zum Zweck der Interessenvermittlung 62% mit anderen zivilgesellschaftlichen Akteuren, 59% mit wissenschaftlichen Institutionen und 57% mit den Medien. Hingegen haben nur 32 NGOs ein Büro auf EU-Ebene. Dies mag neben fehlenden finanziellen Mitteln oder einem Fokus auf interoder nationale Politik auch darin gründen, dass sie ihre jeweilige Dachorganisation, wie etwa EWL oder EPHA, als Vertreter ihrer Interessen auf EU-Ebene ansehen, weshalb für sie nicht der Bedarf einer EU-Repräsentanz besteht.

Auf 15 NGOs treffen alle Indikatoren der Dimension zu; 25 kooperieren mit politischen Akteuren, haben „Advocacy/Lobbying“ als eigenständigen Aufgabenbereich etabliert und ein Büro auf EU-Ebene. Weitere 15 erfüllen die beiden erstgenannten Indikatoren, besitzen jedoch kein EU-Büro.

Strategische Partnerschaften

Der Großteil der befragten NGOs ist vergleichsweise stark vernetzt. 80% bzw. 78% kooperieren mit Medien respektive Think Tanks. In der Zusammenarbeit mit Ersteren steht für 51% der Informationsaustausch imVordergrund, für 32% das Bereitstellen von Expertise. Dabei arbeiten nur 19% auf regelmäßiger Basis mit den Medien und bloß 15% permanent mit wissenschaftlichen Institutionen zusammen. Alle Organisationen kooperieren mit anderen NGOs auf EU-Ebene, wobei diese, laut 58% der Befragten, vornehmlich im eigenen Themenbereich zu verorten sind. Doch lediglich 1/4 arbeitet regelmäßig mit anderen zivilgesellschaftlichen Akteuren zusammen, die übrigen pflegen issue-spezifische Kooperationen. Selbiges gilt für die nationale Ebene: 70% kooperieren mit anderen NGOs auf nationaler Ebene, welche wiederum überwiegend im eigenen Politikfeld aktiv sind. Auch hier sind es mehrheitlich issue-spezifische Partnerschaften (60%). Für die Anzahl der strategischen Partner ergibt sich folgendes Bild: 35% bzw. 25% haben „eine bis 19“ bzw. „20 bis 39“ Partnerorganisationen. Knapp 20% geben „60 und mehr“ Partner an.

Insgesamt 33 NGOs kooperieren sowohl mit politischen und anderen zivilgesellschaftlichen Akteuren, als auch mit Medien und Think Tanks bzw. wissenschaftlichen Institutionen. Nur eine arbeitet mit keinem dieser Akteurstypen zusammen; weitere fünf nur mit anderen NGOs und das, bezogen auf die Quantität, auch nur in geringem Umfang.

Im Zuge der Bewertung durch den additiven Index ergibt sich folgende Gesamtpunkteverteilung:

Gruppe Punkte pro NGO N

Social

36

40

24

25

22

36

37

36

8

Concord

32

33

41

36

19

35

12

36

39

9

EPHA

25

31

30

34

32

36

6

EUCIS-LLL

30

25

25

3

EWL

31

26

26

23

36

24

35

10

23 33

36 11

GT

36

37

35

41

4

HRDN

36

35

39

41

26

31

25

7

CAE

37

32

31

33

40

31

27

7

Gesamt

55

Tabelle 4 Gesamtpunkteverteilung differenziert nach NGO-Gruppen

Es bestätigen sich die theoretischen Überlegungen und empirischen Befunde zur Relevanz von Netzwerken bzw. strategischen Partnern (Kohler-Koch & Buth 2011; Rek 2007; Take 2002; Coates & David 2002) und akademischer Qualifizierung (Langer & Schröer 2011), zur Etablierung der Hauptamtlichkeit (Eurich

& Brink 2009; Skocpol 2003; Zimmer et al. 2003) sowie zur Professionalisierung der Kommunikationsarbeit – in Gestalt fester Zuständigkeiten für externe Kommunikation und Advocacy – inklusive hoch qualifiziertem und spezialisiertem Personal (Voss 2007; Frantz 2007; Zimmer & Priller 2007; Saurugger 2006;

Lahusen 2000).

Obgleich die Professionalisierung in Form von Hauptamtlichkeit, akademischer Ausbildung und der Etablierung spezifischer Arbeitsbereiche insgesamt relativ weit fortgeschritten ist, divergiert der Professionalisierungsgrad der befragten NGOs beträchtlich. Während eine NGO nur 10 Punkte erzielt, schneiden drei mit 41 von möglichen 45 Punkten ab. Des Weiteren offenbaren sich, wie in Tabelle 4 dargestellt, Unterschiede zwischen sowie, mit Ausnahme der Green Ten, innerhalb der NGO-Gruppen. Vergleichbare Rückschlüsse auf einen variierenden Professionalisierungsgrad wie sie bei Parteien, in Abhängigkeit von deren „Parteifamilie“ bzw. ideologischem Hintergrund, gezogen werden (u.a. Gibson & Römmele 2009: 280), lassen sich in Anbetracht der vergleichweise großen Varianz innerhalb der Gruppen und der Tatsache, dass manche NGOs Mitglied in mehreren der Gruppen sind, nur sehr eingeschränkt treffen.

Dessen ungeachtet kann man nicht von einem bestimmten Professionalisierungsgrad von auf EU-Ebene agierenden NGOs ausgehen, welcher generalisierbare Schlussfolgerungen in Bezug auf die Linkage-Leistung und die Interaktionsmuster mit den Stakeholdern ihres Organisationshandelns zulassen würde. In Bestätigung der im theoretischen Teil formulierten Annahmen, kann man nicht pauschal von der Professionalisierung sprechen; deren konkretes Ausmaß und die Ausprägung der einzelnen Indikatoren unterscheiden sich teilweise erheblich. Die der Arbeit zugrundeliegende These, dass die relevanten Organisationsumwelten nicht alle NGOs in gleicher Weise beeinflussen, sondern auf verschiedene Organisationen einen unterschiedlichen Effekt haben, kann auf Basis der erhobenen Daten bestätigt werden.

Für das weitere Vorgehen erweist sich eine zusätzliche Zusammenfassung als sinnvoll. Die Studie leistet keinen Zeitvergleich und bildet nicht den Verlauf des Prozesses ab, sondern erfasst den Professionalisierungsgrad zu einem gegebenen Zeitpunkt. Mit dessen Kategorisierung ist es möglich, den Professionalisierungsgrad als UV zu operationalisieren und mit Blick auf die angenommene Kausalität von Professionalisierung und Linkage-Leistung eventuelle Muster zu erfassen. Sollten NGOs mit identischem Professionalisierungsgrad in einzelnen Linkage-Dimensionen – unter Berücksichtigung weiterer Einflussfaktoren, wie etwa Mitgliedschaftsoption oder Organisationstypus – eine vergleichbare Performanz zeigen, kann dies als Indikator für dessen Einfluss gewertet werden.

Mittels des Professionalisierungsindex lässt sich der Professionalisierungsgrad der NGOs in vier Stufen einteilen.

PG Range Anzahl NGOs

1

0-15

2

2

16-26

13

3

27-37

33

4

38-45

7

Gesamt

55

Tabelle 5 Professionalisierungsgrad der befragten NGOs

Die erhobenen Daten lassen auf ein recht hohes Professionalisierungsniveau von auf EU-Ebene agierenden Organisationen schließen. Weit über die Hälfte ist in der Kategorie „Professionalisierungsgrad 3“ (PG3) zu verorten; und dies unabhängig davon, ob es sich um eine NGO oder eine PIA handelt [1]. Systematische Unterschiede zwischen den vier Professionalisierungsstufen, die bei der Analyse des Zusammenhangs von Professionalisierung und Linkage-Leistung eventuell besonders zu beachten sind, lassen sich in den folgenden Indikatoren erkennen. Die Ausführungen beziehen sich nur auf NGOs, ferner wird die PG1 angesichts der geringen Fallzahl außer Acht gelassen.

Merkliche Unterschiede zwischen den drei PGs zeigen sich in der Existenz eines EU-Büros. Während nur 40% bzw. 58% der PG2 bzw. PG3 ein solches etabliert haben, sind es alle der PG4. Auch der Anteil der NGOs, die mit politischen Akteuren und Medien kooperieren, steigt graduell mit dem Professionalisierungsgrad. Alle PG4 und 90% der PG3 pflegen Kooperationen mit beiden Akteurstypen (im Vergleich nur 73% der PG2). Insgesamt lässt sich festhalten, dass jede NGO der PG4 sehr gut vernetzt ist und mit allen genannten Akteuren, obgleich in unterschiedlicher Intensität und mit divergierender Zielsetzung, zusammenarbeitet.

Die personelle Besetzung des EU-Büros ist eine äußerst relevante Determinante, da Anzahl und Professionalität des Personals über die Leistungsfähigkeit der NGO entscheiden (Kohler-Koch & Buth 2011). Der Einfluss des Faktors ist evident, erklärt die Varianz der Variablen Professionalisierungsgrad aber nur zu einem gewissen Teil. So haben alle PG4 sechs bis zehn Mitarbeiter. Hingegen sind in der PG3 und PG2, intrakategoriale Variationen in der personellen Besetzung zu erkennen. Zwar haben 36% der PG3 nur bis zu fünf Mitarbeiter, weitere 32% können jedoch auf einen Personalstock von 16 und mehr Angestellten zurückgreifen. In der PG2 verhält es sich wie folgt: die Mehrheit von 40% hat bis zu fünf Mitarbeiter; 27% haben sechs bis zehn und nur 13% der NGOs mehr als 16 Angestellte. Demzufolge sind jene NGOs mit dem höchsten Professionalisierungsgrad nicht zwangsläufig die mit der höheren Mitarbeiterzahl.

Dagegen lässt sich für die Faktoren akademische und berufliche Qualifikation der Angestellten ein linearer Anstieg mit dem Professionalisierungsgrad erkennen. Während in nur 40% der PG2 alle Angestellten akademisch qualifiziert sind, ist dies bei 94% der PG3 und allen PG4 der Fall. Sowohl die Relevanz eines akademischen Abschlusses, als auch einer einschlägigen Berufserfahrung sind statistisch signifikant schwach positiv mit dem Professionalisierungsgrad korreliert – rs = ,403; Sig. (1-stg) ,005) bzw. rs = ,339; Sig. (2-stg) ,005).

Aufgrund des Fokus der Studie werden erklärende Variablen der Professionalisierung weitgehend außer Acht gelassen. Für hier nicht erfasste Einflussfaktoren sei auf die jüngste Erhebung von Klüver und Saurugger (2013) hingewiesen [2].

  • [1] Zehn PIAs sind in der PG3 zu verorten, vier in der PG2, zwei in der PG4 und eine in der PG1
  • [2] Sie können in ihrer Analyse keinen systematischen Effekt weiterer potentieller Einflussfaktoren, wie etwa des Alters und der Größe der Organisation, wohl aber der Ressourcenausstattung feststellen – je umfangreicher die finanziellen Mittel, desto weiter fortgeschritten die Professionali
 
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