Forschungsfragen

Ausgehend von der Prämisse, dass die Europäisierung von Konfliktparteien die friedliche Konfliktregelung fördert, stellen sich folgende Fragen:

1) Kann auch bei Staaten, die im Rahmen des Stabilisierungsund Assoziierungsprozesses an die EU herangeführt werden, ein entsprechendes Verhalten in Konfliktfällen beobachtet werden?

2) Welche Bedeutung kommt dabei der Europäischen Union zu? Spielt sie eine aktive oder passive Rolle bzw. welche Instrumente hat sie, um auf die Konfliktbeilegung einzuwirken?

3) Welchen Einfluss haben weitere externe Akteure und inwiefern kann deren Europäisierungsgrad eine friedliche Konfliktregelung forcieren oder behindern?

In dem konkreten Fallbeispiel wird dazu untersucht, ob die beiden Parteien Kosovo und Serbien in den Verhandlungen um die Statusfrage Kosovos eine europäische Konfliktregelungskultur aufweisen konnten und der Konflikt entsprechend friedlich beigelegt wurde. Um beantworten zu können, welche Bedingungen dafür erfüllt sein müssen, wird auf der Basis des von Axt, Schwarz und Wiegand in der o. g. Publikation vorgestellten Modells des

„Hexagons der Konfliktbeilegung“5 ein leicht modifiziertes Analyseschema

entwickelt und angewandt. In Abgrenzung zu der genannten Arbeit, liegt die Besonderheit in der vorliegenden Schrift darin, dass es sich hierbei um einen innerstaatlichen Konflikt handelt. Insofern schließen sich weitere Forschungsfragen an:

4) Ist eine Anwendung des (modifizierten) Modells auf innerstaatliche Konflikte möglich, in diesem Fall eines Staates, der noch an die EU herangeführt wird?

5) Ist eine Übertragung des Modells für die Untersuchung innerstaatlicher Konflikte innerhalb der EU denkbar und sinnvoll?

Vorgehensweise und Inhalt

Das erste Kapitel bietet einen Überblick über den Forschungsstand zur Europäisierung und eine Abgrenzung des Begriffs zu dem der Europäischen Integration. Ausgehend von diesem theoretischen Abriss, wird im zweiten Kapitel das Analyseschema aufgezeigt, das später zur Untersuchung des Fallbeispiels dienen soll: Um das Europäisierungsniveau der beiden Konfliktparteien zu bestimmen, wird der Europäisierungsbegriff operationalisiert. Dazu werden sechs Variablen bestimmt; darunter fallen die Kompromissbereitschaft, die Zusammenarbeit mit der EU, die Zusammenarbeit mit internationalen Akteuren, die Anerkennung der Verhandlungspartner, die Gewaltfreiheit sowie die wirtschaftliche Zusammenarbeit. Es wird davon ausgegangen, dass bei Erfüllung aller dieser Variablen, die Parteien im Sinne einer Europäischen Konfliktregelungskultur handeln. Im dritten Kapitel wird die Konfliktgeschichte Kosovos umrissen, beginnend mit den Balkankriegen 1912 und abschließend mit dem Kosovokrieg 1999 und der darauf folgenden UN-Mission. Diese ausführliche Darstellung ist notwendig zum tieferen Verständnis des Handlungsspektrums der Konfliktparteien im Rahmen des Statusprozess. Dieser wird im vierten Kapitel chronologisch dargestellt. Besonderes Augenmerk wird dabei erstens auf die Verhandlungen mit dem UNSondervermittler Martti Ahtisaari und dessen Vorschlag zur Beilegung des Konflikts gelegt; zweitens werden die anschließenden Vermittlungsgespräche mit der multinationalen Troika näher beleuchtet. Dieser gesamte Verhandlungszeitraum ist Gegenstand in Kapitel fünf, in welchem die Konfliktparteien Kosovo und Serbien anhand der o. g. sechs Variablen auf deren Europäisierungsniveau analysiert werden.

Methodik, Quellenauswahl und besondere Herausforderungen

Gemäß des Vorgehens, von einer allgemeinen Prämisse ausgehend ein Fallbeispiel zu betrachten, greift die vorliegende Arbeit auf die deduktive Methode zurück. Als theoretischer Ansatz wird die Europäisierungsforschung bemüht, deren Ergebnisse anhand wissenschaftlicher Publikationen dargestellt werden. Die empirische, qualitative Analyse stützt sich auf eigens für die Arbeit durchgeführte Experteninterviews sowie verschiedene Primärund Sekundärquellen. Während auf eine solide Datenlage von Sekundärquellen zur Historie des Kosovo-Konflikts zurückgegriffen werden konnte, stellte sich die Anzahl der Quellen zu den Statusverhandlungen als überschaubar dar. Hier waren vor allem Dokumente der Vereinten Nationen (UN) von besonderer Wichtigkeit. Ferner musste oftmals aus Mangel an wissenschaftlicher Literatur auf Medienberichte zurückgegriffen werden. Eine weitere Herausforderung und gleichzeitig Einschränkung war, dass auf Grund fehlender Sprachkenntnisse weder serbische, noch Kosovo-albanische Quellen in der jeweiligen Sprache bemüht werden konnten. Der Untersuchungszeitraum bezieht sich auf die Zeit des Statusprozesses ausgehend von der Initiative „Standards before Status“ in 2002 und abschließend mit der Unabhängigkeitserklärung in 2008; der Fokus der Analyse liegt jedoch auf den Statusverhandlungen beginnend mit der Entsendung des Vermittlers Martti Ahtisaari im Jahr 2005.

 
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