Seit 1999: Frieden ohne Freiheit: Kosovo unter UN-Verwaltung
Seit 1999 steht Kosovo unter einem internationalen Protektorat, der United Nations Interim Administration Mission in Kosovo (UNMIK), die von der OSZE und der EU unterstützt sowie von der NATO Kosovo Force (KFOR) ergänzt wird.
Durch die Resolution 1244 vom 10. Juni 1999 wurde die UN-Präsenz mandatiert, Kosovo zu unterstützen, durch eine
“transitional administration while establishing and overseeing the development of provisional democratic self-governing institutions to ensure conditions for a peaceful and normal life for all inhabitants in Kosovo.”253
Das Mandat war zunächst auf zwölf Monate beschränkt, verlängert sich jedoch automatisch, sofern kein neuer Beschluss des Sicherheitsrates vorliegt. Die UNMIK ist in vier Säulen unterteilt: Dem Pillar I unterliegen die Schwerpunkte Justiz und Polizei sowie anfangs die humanitäre Hilfe und damit auch die Flüchtlingsrückkehr, die das UNHCR zunächst leitete. Der Pillar II ist für die zivile Verwaltung zuständig und obliegt ebenso wie der Pillar I der UN. Der Pillar III ist für die Demokratisierung Kosovos einschließlich des Aufbaus von Institutionen verantwortlich und wird weitgehend eigenverantwortlich von der OSZE geleitet. Die EU ist für den Pillar IV und somit für die Rekonstruktion und wirtschaftliche Entwicklung verantwortlich. Hinzu kommt die UNMIK-Polizei, die ebenso wie die UNMIK-Verwaltung von internationalen Kräften gestellt wird. Festzuhalten ist, dass der UNO-Generalsekretär durch die Resolution zwar ermächtigt wurde, eine „substantial autonomy“ und „meaningful self-administration for Kosovo“ aufzubauen, gleichzeitig aber auch die „sovereignty and territorial integrity of the Federal Republic of Yugoslavia254 and the other States of the region“255 bestätigt wurde. Kosovo bleibt demnach Teil Serbiens, während eine UN-Mission die Verwaltung übernimmt und gleichzeitig eine kosovarische Verwaltung parallel aufbaut. Das Budget der UNMIK betrug für das fiskalische Jahr 2007/ 2008 knapp 211 Millionen US-Dollar und sank demnach stetig gegenüber den Vorjahren. Im Januar 2008 waren ca. 2.500 Mitarbeiter bei der UNMIK beschäftigt, zuzüglich jenen, die unter der OSZE-Mission sowie im Rahmen des EU-Engagements tätig sind.256
Zwei Tage nach Verabschiedung der Resolution 1244 wurde der internationalen Kosovo Force (KFOR) das Mandat erteilt, “to establish a safe environment for all people in Kosovo and to facilitate the safe return to their homes of all displaced persons and refugees.”
Seit Juni 1999 sind Soldaten in der NATO-geführten Mission im Einsatz, um Kosovo vor einer neuen kriegerischen Bedrohung zu schützen, die UCK zu entmilitarisieren, ein sicheres Umfeld zu schaffen und die internationale Gemeinschaft bei der Ausübung ihrer Tätigkeiten zu unterstützen.258 Dazu gehörte anfangs vor allem eine stabile Sicherheitslage für die Flüchtlingsrückkehr zu etablieren. Heute wird hingegen ein Hauptaugenmerk auf den Schutz der ethnischen Minderheiten in Kosovo gelegt. Die KFOR-Truppen werden hauptsächlich, aber nicht ausschließlich von NATO-Mitgliedsstaaten gestellt.
Der OSZE wurde durch einen Beschluss des Ständigen Rates der OSZE im Juli 1999 das Mandat erteilt, als Teil der UNMIK u. a. folgende Aufgabenbereiche abzudecken: Sie unterstützen den Aufbau von demokratischen Institutionen und begleiten kommunale und parlamentarische Wahlen, wachen über das Justizsystem und bilden für dieses Personal aus, setzen sich für die Einhaltung der Menschenrechte ein und fördern den interethnischen Dialog. Die Mission setzt sich aus internationalen sowie aus lokalen Mitarbeitern zusammen. Im Jahr 2009 waren dies insgesamt noch etwa 1.000.260
Wie bereits oben erwähnt wurde, ist die EU im Rahmen des UNMIK-Pillars IV, auch EU-Pillar genannt, in Kosovo seit 1999 aktiv gewesen.261 Die Hauptaufgabe bestand im wirtschaftlichen Wiederaufbau bzw. darin, Strukturen und Instrumente zu etablieren, die eine Basis zur Entwicklung einer wettbewerbsfähigen und effizienten Markwirtschaft auf dem Weg Richtung Europäische Union darstellen.262 Ebenso soll an dieser Stelle der Stabilitätspakt für Südosteuropa erwähnt werden, der auf Initiative der EU 1999 als Antwort auf den Kosovo-Krieg gegründet wurde und neben EU-Institutionen wie der Europäischen Investitionsbank, der Europäischen Kommission und den EU-Mitgliedsstaaten ferner auch von der OSZE (als Schirmherrin), dem Europarat, der UN einschließlich dem UNHCR, der NATO, der OECD, der WEU, dem Internationalen Währungsfonds, den USA, Japan und Russland sowie regionalen Initiativen etc. unterstützt wird. Vorteil des Stabilitätspakts als Instrument der Friedenskonsolidierung sollte die Koordinierung des Engagements, der finanziellen Mittel und der Interessen der aktiven Organisationen und Staaten sein.263 Der Auftrag, „lasting peace, prosperity and stability für South Eastern Europe“264 macht deutlich, dass es hierbei sowohl um die politische Stabilisierung als auch um den wirtschaftlichen Wiederaufbau ging. Das Ziel, durch den Stabilitätspakt eine vermehrte regionale Kooperation zwischen den Folgestaaten Jugoslawiens zu erreichen, wurde inzwischen so weit erreicht, dass er 2008 durch den Regional Cooperation Council (RCC) ersetzt wurde und sich die Länder Südosteuropas somit ein Stück weit von der Fremdbestimmung internationaler Organisationen und Drittstaaten emanzipieren konnten.265 Schwerpunkte blieben die wirtschaftliche und soziale Entwicklung, der Aufbau der Infrastruktur und Schutz der Umwelt sowie die Bereiche Sicherheit, Justiz und Inneres, Bildung und Forschung.
Wie zuvor auch im Stabilitätspakt wurde Kosovo im RCC durch die UNMIK vertreten.266 Der Stabilitätspakt stellte erst einmal eine Gesamtstrategie für die Region dar, die die internationale Gemeinschaft und insbesondere die europäischen Institutionen in den 90er Jahren vermissen ließen. So schrieb Emil Mintchev entsprechend kurz nach den NATO-Angriffen 1999:
„Der Krieg in Kosovo ist der letzte und hoffentlich endlich richtig verstandene Beweis für das Scheitern der Politik des separaten Herangehens an die Konflikte in der Region.“267
und forderte im Folgenden einen „Marshall-Plan“ für den Balkan, der auf eine Integration sowohl in die europäischen als auch transatlantischen Strukturen abzielt.
An dieser Stelle kann keine abschließende Bewertung über die Arbeit der internationalen Gemeinschaft beim Aufbau Kosovos stattfinden; u. a. deshalb nicht, da der Erfolg bzw. Misserfolg kaum zu messen ist. Das Mandat der UNMIK und KFOR ist zu vage, als dass man daran das Ergebnis bewerten könnte.268 Dennoch soll eine kurze Bilanz gezogen werden, indem die Entwicklung in Kosovo seit 1999 bis zu den März-Unruhen 2004 aufgezeigt wird. Im Anschluss werden einige der vielfältigen Kritikpunkte vorgebracht.
„It is impossible to underestimate the chaos of Kosovo in the wake of the war. Albanians streamed back in and Serbs fled, or were ethnically cleansed, from their homes and villages. Some 120.000 houses had either been destroyed or damaged and bridges and other key infrastructure bombed. Most significant, however, was the collapse of any law and order.”269
Die UNMIK hat es innerhalb des ersten Jahres gemeinsam mit der KFOR geschafft, diese anarchischen Zustände, in der ethnisch motivierte Gewalt an der Tagesordnung war, langsam einzugrenzen und das Machtvakuum, das die serbischen Kräfte hinterließen und auf das die UCK bereits spekulierte, auszufüllen. King und Mason nennen dies die emergency-Phase.270 Dabei gelang es der UNMIK, die humanitäre Lage deutlich zu verbessern sowie eine erste Stabilisierung zum einen durch die baldige Gründung der Kosovo Police Force, in der ein Teil der UCK-Kämpfer aufgefangen wurde, zu erreichen, zum anderen durch die baldigen ersten Lokalwahlen im Oktober 2000. Dadurch war schnell ein erster Schritt gemacht worden, gewählte Volksvertreter ins Amt zu erheben und damit die Kosovaren partizipieren zu lassen. Als zweite Phase identifizieren sie die Zeit der consolidation. Von Oktober 2000 bis Mitte 2002 wurde die humanitarian agenda durch eine political agenda ersetzt. Zwar herrschte immer noch eine unsichere, angespannte Atmosphäre, jedoch nahmen die interethnischen Gewalttaten ab, was weniger auf einer Verbesserung der Beziehungen zurückzuführen war, sondern vielmehr auf einer räumlichen Trennung der Minderheiten von der kosovo-albanischen Mehrheitsbevölkerung und der hohen internationalen Sicherheitspräsenz beruhte. Darüber hinaus war die Phase von der Verankerung der UNMIK-Präsenz sowie vom institutionellen Aufbau kosovarischer politischer Strukturen gekennzeichnet. Die Herausforderung bestand darin, sowohl die unterschiedlichen kosovo-albanischen Parteien sowie die verschiedenen Minderheiten – neben den Serben auch die Roma, Ashkali bzw. Kosovo Ägypter, Türken, Bosniaken, Kroaten und Goranen – einzubeziehen. Nachdem zunächst 1999 durch die Joint Interim Administrative Structure ein Grundmaß an politischer Struktur mit kosovo-albanischer Beteiligung – durch Hashim Thaci, Ibrahim Rugova und Rexhep Qosja – geschaffen worden war, wurde im Frühjahr 2001 der sog. Verfassungsrahmen für die provisorische Selbstverwaltung271 verabschiedet. Damit wurde der Grundstein für die Einrichtung folgender Institutionen im Rahmen der Provisional Institutions of Self-Government (PISG) gelegt: eine parlamentarische Versammlung, das Amt des Präsidenten sowie des Ministerpräsidenten, eine Regierung einschließlich der Minister sowie einer Gerichtsbarkeit mit entsprechenden Institutionen.272 Ibrahim Rugova von der LDK273, die gleichzeitig die stärkste Partei war und auch den Parlamentspräsidenten stellte, wurde zum ersten Präsidenten der PISG gewählt. Bajrami Rexhepi von der zweitstärksten Partei PDK274 wurde Ministerpräsident.275 Die folgenden zwei Jahre wurden für King und Mason von confrontation und stagnation geprägt, die in einem violent showdown im März 2004 enden sollten. Zwar hatte sich das PISG konstituiert und seine Arbeit aufgenommen, jedoch waren die Volksvertreter nahezu ohne Befugnisse, da die UNMIK weitgehend das öffentliche Leben regelte. Ausnahmen waren die serbischen Enklaven. Vor allem im an Serbien angrenzenden Norden Kosovos hatten die Parallelstrukturen Bestand und wurden sowohl materiell als auch organisatorisch aus Belgrad unterstützt. Es war versäumt worden, die Kosovo-Serben ernsthaft in die PISG einzugliedern. Auch die UNMIK hatte die Kontrolle über den kosovo-serbischen Norden, sprich Nord-Mitrovica, verloren. Die Integration der kosovoserbischen Minderheit war nur eine von vielen Herausforderungen, die sich der aktuelle Special Representative of the Secretary-General for Kosovo (SRGS) Steiner auf die Agenda gesetzt hatte: die Forcierung der Dezentralisierung, Gespräche zwischen Pristina und Belgrad, die Fortführung der
Flüchtlingsrückkehr, die Erreichung einer ökonomischen Basis, aber auch die Reform der UNMIK-Strukturen sowie eine Annäherung an die EU.
“Steiner's initiatives succeeded for some time in giving the impression of progress, but few were able to overcome the zero-sum logic of Albanian versus Serb or the lack of consensus in the international community.”277
Der mangelnde Fortschritt, sprich die nur relativ stabile Sicherheitslage, die immer noch weitestgehend schlechten sozialen Bedingungen basierend auf einer immer noch kaum entwickelten Wirtschaft und die mangelnde Selbstbestimmung aufgrund der nahezu machtlosen eigenen Regierung schürten den Frust und die Ungeduld der kosovarischen Bevölkerung. War die UNMIK anfangs als Befreier gefeiert worden, so enttäuschte sie jetzt vor allem dadurch, dass sie keine Perspektiven anbot. Denn die Stagnation betraf nicht nur den sozialen Standard, sondern auch den politischen Status. Sicher war, dass Kosovo nicht ewig ein UN-Protektorat bleiben konnte. Eine Alternative wurde jedoch auch nur begrenzt diskutiert.
Die folgende Phase nennen Mason und King somit „reckoning“. Diese Abrechnung wurde auf dem Rücken der Minderheiten in Kosovo ausgetragen: Am 15. März 2004 kam es, nachdem ein serbischer Jungendlicher durch Schüsse schwer verletzt worden war, zu ersten Ausschreitungen zwischen Kosovo-Albanern und -Serben. Einen Tag später ertranken drei kosovo-albanische Kinder, nachdem sie – angeblich – von kosovo-serbischen Jugend lichen mit Hunden in einen Fluss gehetzt worden waren. Dieser Vorfall brachte das sich seit Jahren mit interethnischen Verleumdungen, Anfeindungen und Angriffen füllende Fass zum Überlaufen. Die folgenden sog. MärzUnruhen begannen am 17. März mit einer Großdemonstration und mündeten in einer „Kosovo-Kristallnacht“: Menschen wurden aus ihren Häusern getrieben, verletzt und getötet, Klöster wurden niedergebrannt, Kirchen beschädigt und Häuser zerstört. Auch die KFOR und UNMIK hatten Opfer zu beklagen.278 Petritsch führt an, dass nicht nur die Unruhen selbst, sondern auch die öffentlichen Reaktionen
„deutlich das zentrale Problem im multi-ethnischen Zusammenleben im Kosovo wider(spiegelten). Die Standpunkte prallen entlang festgefahrener ethnischer Trennlinien aufeinander.“279
Die UNMIK stand dem hilflos gegenüber. Sie waren ebenso wie die KFOR überrascht von den Gewaltexzessen und zunächst auch überfordert, die Lage in den Griff zu bekommen: Der KFOR wurde in mehrfacher Hinsicht Versagen vorgeworfen: Die Aufklärung, also das Frühwarnsystem der Streitkräfte, hatte nicht funktioniert; zudem war es während der Aufstände je nach nationalem Mandat für die Soldaten nicht möglich, einzugreifen. Größtenteils waren sie für diese Art von riot control ohnehin nicht ausgebildet, da dies in vielen Ländern in die Kompetenz der Polizei fällt. Die Verständigung mit den internationalen und lokalen Polizeikräften lief derweil – nicht nur aufgrund sprachlicher Probleme – schlecht. Vermutlich auch deshalb zieht der ehemalige KFOR-Befehlshaber Dieter Reinhardt als Lehre aus dem Einsatz, die Truppe müsse bei Einsätzen wie diesem „alle zur Verfügung stehenden
eskalierenden sowie deeskalierenden Mittel sicher beherrschen“280. Überfordert schienen auch die kosovarischen politischen Akteure:
“Some political leaders publicly condemned the violence in the afternoon of March 17, by appealing to protesters to bring to an end the acts of violence. However, in most statements issued or actions undertaken lacked the decisive condemnation of violence and the clear and necessary energy to communicate effectively with citizens.”281
Kramer und Dzihic verurteilen in diesem Zusammenhang die Reaktion von Präsident Rugova, der die internationale Gemeinschaft während der Unruhen zu einer Anerkennung der Unabhängigkeit Kosovos aufrief. Scheint dieser Zeitpunkt auch nicht klug vom damaligen Präsidenten gewählt, so traf er doch den Nerv seiner Bevölkerung und wies gleichzeitig die internationale Gemeinschaft auf eine der Ursachen für die Unruhen hin. Denn diese lag nicht in den interethnischen Spannungen verborgen. Die Spannungen waren nur ein Ventil für einige Extremisten. Die Ursache lag in der Verzweiflung über schlechte Lebensbedingungen und die andauernde Fremdbestimmtheit, verbunden mit der Ungewissheit über den Status Kosovos. „As a Kosovo
Albanian student said, ‚you gave us freedom, but not a future' “.282 Somit waren die Vorfälle nicht nur als reckoning zu verstehen, sondern vor allem als wake-up-call für die internationale Gemeinschaft.
Die Kritik an der UNMIK ist vielfältig; sie betrifft den institutionellen bzw. personellen Aufbau, ihre Machtbefugnisse, die immensen finanziellen Ausgaben, die mangelnden Erfolge etc. Einige dieser Punkte sollen an dieser Stelle näher betrachtet werden. Hinsichtlich des SRSG wird hinterfragt, ob dessen Machtbündelung in einer Person sinnvoll ist: Er wacht als Kontrollinstanz über die Arbeit der internationalen Präsenz, ist aber gleichzeitig auch legislativ tätig:
„Bereits mit seiner ersten Verordnung übertrug der SRGS UNMIK und sich selbst als ausübendes Organ sämtlich legislative und exekutive Kompetenzen einschließlich der Justizverwaltung (…) und verlieh sich gleichzeitig das Recht, jede Person in der Zivilverwaltung einbzw. abzusetzen.“283
Veton Surroi nennt dies „postmodern neocolonial power“: Während UNMIKs Auftrag lautete, eine demokratische Gesellschaft aufzubauen, deren Bedingung Rechtsstaatlichkeit sein sollte, hindert sie – wegen des mangelnden Status – Kosovo daran, diese Rechtsstaatlichkeit auch tatsächlich auszuüben.284
Des Weiteren wird in Frage gestellt, warum die Mitarbeiter der internationalen Verwaltung Immunität genießen, wodurch sie sich nahezu in einem rechtsfreien Raum bewegen können. Dieses System fördert geradezu Korruption und kriminelle Machenschaften, wie sie auch tatsächlich zu beobachten sind, was nicht zur Akzeptanz der UN-Mission in Kosovo beiträgt.285
Ebenso wird kritisiert, dass die Besetzung vieler und teils sehr zentraler politischer Posten durch ehemalige UCK-Kämpfer stillschweigend akzeptiert wird – was u. a. mit dem Mangel an Alternativen erklärt wird. Darüber hinaus werden die Verstrickungen politischer Akteure mit der Organisierten Kriminalität meist geduldet: „(…) outsiders turn a blind eye to things they should not, in return for stability.“286 Die Organisierte Kriminalität kann somit parallel zur UNMIK ihre Netzwerke ausbauen und weite Teile des gesellschaftlichen, politischen und (schatten)wirtschaftlichen Lebens kontrollieren.
Ferner stößt die Internationalität der Mitarbeiter nicht immer auf Anklang in der kosovarischen Gesellschaft bzw. unter den kosovarischen Verwaltungsangestellten. So herrscht bspw. Misstrauen gegenüber UN-Mitarbeitern oder UN-Polizeikräften, die aus teils nichtdemokratischen Staaten mit nur mäßig organisiertem Sicherheitsapparat stammen, kaum eine andere als ihre Landessprache sprechen und nun Kosovo beim Aufbau demokratischer Strukturen unterstützen sollen. Die Akzeptanz gegenüber europäischen bzw. amerikanischen Mitarbeitern ist hingegen wesentlich höher. Hierbei stellt sich jedoch ein anderes Problem dar: Zwischen den an der Mission teilnehmenden Staaten herrscht kein kohärentes Konzept. Jeder baut nach der Vorstellung seiner eigenen Staatskonstitution die Verwaltung, den Sicherheitsapparat, das Gesundheitswesen, die Wirtschaft etc. auf. Bei häufig wechselnden Mitarbei-
tern288 bedeutet dies neben der ohnehin hohen Anzahl von Vorstellungen auch eine hohe Fluktuation von verschiedenen Konzepten. Es fehlt eine einheitliche Gesamtkonzeption und oftmals fehlt die grundsätzliche Kenntnis über den Einsatzort und die Kompetenz, die Arbeit dort verrichten zu können.289 Schmitt vergleicht das internationale Personal mit
„all den staatlichen Verwaltungen in früheren Jahrhunderten, mit dem Unterschied, dass sowohl die drei Imperien wie auch Serbien über wesentlich bessere Kenntnisse bzw. gründlichere Erfahrungen im Umgang mit Kosovo verfügt hatten“290.
Die UNMIK scheint zu einem Selbstläufer zu werden, die sich – trotz Aufbau kosovarischer Verwaltung – immer mehr Kompetenzbereiche einverleibt, was zum einen die kosvoarischen Verwaltungskräfte und politischen Akteure in ihrer Arbeit hochgradig frustriert und zum anderen keinerlei den Vertrauensaufbau in der lokalen Bevölkerung fördert. Dies trägt nicht dazu bei, die ohnehin bisher kaum vorhandene politische Kultur zu stärken. Die Regierung wird mit einem Marionettentheater verglichen, in dem die Amerikaner die Fäden ziehen.
Die Skepsis der kosovarischen Gesellschaft gegenüber dem neu aufgebauten Justizund Gerichtswesen – das in der Theorie einen hohen Stellenwert hinsichtlich Versöhnungsprozessen in Nachkriegsgesellschaften einnimmt – vermochte die UNMIK auch nicht auszuräumen. Im Gegenteil machte sich auch hier große Unzufriedenheit breit, da Prozesse verschleppt wurden, Zeugen von Kriegsverbrechen nicht beschützt und letztendlich Kriegsverbrechen oftmals nicht geahndet wurden.
Die Bilanz der UNMIK wird auch in Bezug auf die wirtschaftliche Weiterentwicklung kritisch beäugt: Die immer noch schlechte Infrastruktur und Energieversorgung, das fehlende eigene Telefonnetz, die extrem negative Handelsbilanz, die hohe Arbeitslosigkeit sind nur einige wenige Kritikpunkte, die – vor allem in Relation zu den immensen Ausgaben – genannt werden.
Das größte Problem scheint aber darin zu liegen, dass jahrelang ein kosovarisches Parallelsystem an der Nabelschnur der UNMIK aufgebaut wurde, ohne Serbien dabei einzubinden. Gleichzeitig wurde Serbien – mit Verweis auf die Resolution 1244 – stets im Glauben gelassen, Kosovo sei immer noch ein Teil seines souveränen Staates, ohne diesen aber dabei in irgendeiner Weise an den Aufbauprozessen teilhaben zu lassen. Es wurden lange keine Eingliederungsoptionen mit Serbien und Kosovo abgewogen, keine Annäherungsversuche unternommen und keine Fragen nach Zukunftsoptionen für beide gestellt. Der UNMIK fehlte somit nicht nur ein Gesamtkonzept für den Aufbau Kosovos, sondern vor allem auch ein Gesamtziel für die Konstitution Serbiens einschließlich Kosovos. Wie bereits 1999 in den Verhandlungen von Rambouillet wurde auch zunächst in den Folgejahren unter UNMIKProtektorat die Statusfrage ausgeklammert.