Der Aufbau des Bildes

Das „Große rote Bild“ zeigt keinen erkennbaren Aufbau im traditionellen oder kubistischen Sinn. Es werden weder der Bildmittelpunkt, noch die Diagonalen oder die Mittelsenkrechten hervorgehoben; auch Teilungsverhältnisse der Fläche sind nicht feststellbar.

Doch erscheint die Bildfläche des „Großen roten Bildes“ nach oben und unten, links und rechts austariert. Diese Wirkung erreicht der Künstler, indem er die schwarze Fläche von der Mitte des linken Randes nach oben führt und parallel zum oberen Bildrand laufen lässt. Der schwarze, obere Randstreifen betont die Horizontale und stellt zugleich einen Abschluss nach oben dar. Die Betonung der Horizontalen wird von den schwarzen Lineamenten des „Augen-Feldes“ aufgenommen und setzt sich in den schwarzen Bögen des rechten, unteren Randes fort. Durch die schwarze „Rahmung“ der beiden roten Farbfelder erscheinen auch sie als horizontal.

Die beiden großen roten Farbflächen und der schwarze Rand bilden die Bildfläche, eröffnen aber auch die Möglichkeit ihrer Fortsetzung über die Bildgrenzen nach links und rechts. Die breite Farbspur, die vom unteren Rand zum oberen Rand reicht, gliedert die Bildfläche und weist zugleich über sie hinaus, denn sie könnte nach unten hin fortgeführt werden. Diese andeutungsweise diagonal verlaufende Spur lässt eine Spannung zu den horizontal angelegten roten und schwarzen Farbflächen entstehen. Innerbildlich wird das „Oben“ des Bildes durch die von links unten nach rechts oben laufende schwarze Farbspur betont. Mit dem Oben und Unten wird zugleich links und rechts festgelegt.

Deutlich ist, dass das Bild weder ein Zentrum besitzt noch eine Hierarchie der Formelemente aufweist. Die Formelemente des Bildes (Auge, Weißhöhung etc.) haben die gleiche Dignität und stellen eine Reihe gleichwertiger Blickpunkte dar. Die graphischen Formelemente zeigen eine Ambiguität: Zwar sind sie auf das Bildganze bezogen (z. B. betont das „Augen-Feld“ die Horizontale, teilt die schwarze breite Farbspur das Bild), trotzdem sind sie nicht einer Kompositionsstruktur unterworfen, sie zeigen z. B. keine Symmetrie, Verdichtung, o. ä. Die graphischen Elemente umschreiben keine Formen, sie zeigen sich inhaltsund bedeutungsleer. Trotzdem enthalten sie eine Information, denn sie geben Hinweise auf den Werkprozess, da sie den Duktus des Künstlers als expressiv, kontrolliert oder verhalten zeigen. Zudem sind sie auf der materiellen Ebene durch den Werkprozess geradezu miteinander verzahnt.

 
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