An objektiven Merkmalen ist festzuhalten:

Das „Große rote Bild“ ist keine Komposition im traditionellen Sinn, doch es enthält Relationen. Als Kennzeichen des Bildes auf der formalen und kompositionellen Ebene kann man „Ambiguität“ feststellen.

Die roten Farbflächen

Die roten Farbflächen dominieren vom Anteil an der Gesamtfläche und von ihrer Leuchtkraft her. Das Bild wird durch die breite schwarze Farbspur in zwei unterschiedlich rote Farbflächen geteilt: Auf der linken Seite ist das Rot durch das strahlende Orange aktiver, während das rote Farbfeld an der rechten Seite des kräftigste Rot des ganzen Bildes zeigt. Die verschiedenen Töne der Orange-Ocker-Rot-Skala zeigen eine unterschiedliche Helligkeit und Intensität: Strahlend, leuchtendes Orange und Orange-Braun, Ocker, helles, intensives Rot und getrübtes Rot, ein dunkleres Rot und durch schwarz gebrochenes Rot. Auch die subtile Nuancierung der Farbdimensionen ist sprachlich kaum zu fassen. Das Bild zeigt sowohl die Helligkeit des gesättigten Farbtones als auch Veränderungen durch Abdunkeln oder Aufhellen. Dabei liegen verschiedene Farbschichten übereinander, die Helligkeit wird abgedunkelt durch eine schwarze Unterlage oder intensiviert durch einen hellen Untergrund. Nirgends auf dem Bild erscheint eine mit Weiß gemischte Farbe, denn dies würde die Leuchtkraft des Bildes beeinträchtigen.

Neben der in viele Nuancen differenzierten Rotskala spielt die Oberflächenstruktur der roten Fläche eine große Rolle. Im „Großen roten Bild“ gibt es stumpfe und glänzende Oberflächen. Die Konsistenz der Farben reicht von dünnflüssiger, transparenter Farbbrühe zu pastosen, körnigen Farbmassen und Farbklumpen, hier wird Farbe als Materie verwendet.

Wichtig ist die Oberflächendichte der roten Farbe. Fast immer ist sie durchlässig, offenporig oder rissig und lässt darunterliegende Schichten erkennen. Nur an wenigen, unten liegenden Stellen hat die rote Farbe eine geschlossene, stumpfe und unstrukturierte Oberfläche. Eine gezielte Kombination der materiellen Eigenschaften der Farbe ist zu beobachten: die dünnflüssige, transparente Farbe deckt orangefarbige oder schwarze Gründe, lässt sie durchscheinen und hat dabei eine stumpfe Oberfläche mit einer körnigen Struktur. Die dickflüssige, opake und glänzende Farbmasse wird mit einer welligen Struktur kombiniert. Dabei zeigen die Farbwellen Risse, in denen der schwarze Grund sichtbar wird.

Als objektive Merkmale sind festzustellen: Die Wirkung der roten Farbflächen des Bildes kann auf die Farbskala der Rot-Orange-Ocker-Töne, auf die unterschiedliche Konsistenz der Farbe und die Kombination ihrer materiellen Eigenschaften, sowie auf die benutzten Techniken der Gestaltung der Farboberfläche zurückgeführt werden. Diese Zusammenstellung führt zu dem Eindruck des Mineralischen, Glühenden, Beweglichen und Ruhenden. Durch die Plastizität der Oberfläche wirken die roten Farbflächen beweglich. Die verwendeten Rot-OrangeFarben zeigen – mit wenigen Ausnahmen – eine mineralische Beschaffenheit und führen zu einer „erdigen“ Bildoberfläche, die durch die verwendeten Techniken das Moment der Bewegung enthält.

Dies führt zu einer weiteren Ambiguität: Zwar wird die Vorstellung einer Bedeutung der roten Farbfläche provoziert, gleichzeitig aber durch die Sichtbarmachung der benutzten Verfahren wieder relativiert.

 
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