Ergebnisse Linkage

Im Folgenden werden die zentralen Ergebnisse der empirischen Erhebung präsentiert. Der Fokus liegt auf den, zur Bewertung der Linkage-Leistungen bzw. der von den NGOs geschaffenen Voraussetzungen, relevanten Resultaten sowie dem Professionalisierungsgrad als UV.

Zielgruppen, Kommunikationsziele, Strategien und Kanäle

Zielgruppen der Kommunikation

Die Bedeutung der Zielgruppen wird anhand mehrerer Fragenkomplexe erfasst, um die Validität zu erhöhen. So werden alle Interviewpartner zu den Hauptzielgruppen ihrer NGO befragt und gebeten, diese nach ihrer Bedeutung im Alltag zu ranken. Auch Einschätzungen der Relevanz der Kommunikation mit den verschiedenen Zielgruppe und Fragen nach den Aufgaben der Kommunikationsverantwortlichen dienen der systematischen Bewertung.

Unabhängig von UV, Mitgliedschaftsoption oder Organisationsalter und struktur kristallisieren sich die Mitglieder (meint im Folgenden sowohl Organisationen, als auch natürliche Personen), dicht gefolgt von Entscheidungsträgern als die am häufigsten aktiv angesprochene Zielgruppe heraus: Alle 19 NGOs mit Mitgliedschaftsoption zählen sie zu ihren Zielgruppen; 70% benennen sie als die bedeutsamste. Ferner sehen sie die Interaktion mit den Mitgliedern als (sehr) wichtig und als explizite Aufgabe der Kommunikationsabteilung bzw. aller Mitarbeiter an. Die Interviewpartner verdeutlichen, dass die Kommunikation zwischen NGO-Spitze und Mitgliedern nicht nur top-down verläuft. Nahezu alle betonen die Relevanz des Mitglieder-Inputs, etwa für Positionspapiere, aber auch in Form des Wissens über die Bedarfe vor Ort in den jeweiligen Ländern ihrer Tätigkeit.

Basis und Öffentlichkeit sind in Bezug auf die Linkage-Leistung, welche die kommunikative Kluft zwischen EU und Bürgern überwinden soll, als Zielgruppen besonders bedeutsam. Nur drei NGOs – alle in der PG4 zu verorten – formulieren explizit, dass die Basis, in Gestalt der Mitglieder und Unterstützer ihrer Mitgliedsorganisationen in den verschiedenen EU-Staaten, keine Zielgruppe ist. Doch nur 30% (zwei NGOs der PG2; drei der PG3 und eine der PG4), räumen natürlichen Personen eine Mitgliedschaftsoption ein. Diese sechs haben demnach theoretisch direkten Kontakt zur Basis; zwei betonen allerdings, dass die individuellen Mitglieder nur eine untergeordnete Rolle spielen. Den Gegenpol bildet NGO6, die ausschließlich individuelle, in der Regel nicht an Organisationen angebundene Mitglieder hat, weshalb hier Mitglieder und gesellschaftliche Basis gleichzusetzen sind. Insgesamt ist nur für sechs NGOs die Basis explizite Zielgruppe ihrer Kommunikationsbemühungen; darunter je eine PG2 und PG4 sowie vier PG3. Es sei jedoch angemerkt, dass mehrere NGOs in ihrer Basis weniger die Mitglieder und Unterstützer ihrer Mitgliedsorganisationen, als die Begünstigten ihrer Arbeit sehen. Auch spielen aktive und finanzielle Unterstützer für die Mehrheit nur eine untergeordnete bis keine Rolle; finanzielle Förderer, etwa in Gestalt der EU-Institutionen hingegen schon eher.

Fast unbeeinflusst von der Ausprägung der UV messen knapp 70% der Weiterleitung der Inhalte und Botschaften durch die Mitglieder an die Basis große Bedeutung bei, aber nur drei dieser 14 NGOs sehen in der Basis eine wesentliche Zielgruppe. Zudem schreiben sich nur eine PG2 und sieben PG3, d.h. lediglich 40% der NGOs die von den EU-Institutionen erhoffte Rolle des Bindegliedes zwischen nationaler und EU-Ebene zu. Für fünf dieser NGOs ist es jedoch sogar übergeordnetes Organisationsziel, über die Mitglieder die Unterstützer an der Basis in den verschiedenen EU-Staaten zu erreichen.

Für die Öffentlichkeit zeigt sich ein vergleichbares Bild. Ohne Einfluss der UV ist sie für 20% keine Zielgruppe, aber wie die Basis sehen nur 30% (abermals je eine PG2 und PG4 sowie vier PG3) sie als vorrangigen Adressat ihrer Kommunikation. Je eine NGO aus jeder PG zählt die Öffentlichkeit und die Medien zu den wichtigsten Stakeholdern, drei PG3 und eine PG4 nur Letztere. Die Interviewten machen deutlich, dass sie als Zielgruppe keinesfalls gleichzusetzen sind. Es ist eine differenzierte Darstellung erforderlich, da einige NGOs mittels der Medien weniger die Öffentlichkeit, also potenzielle Unterstützer im Sinne öffentlichkeitsbasierter Strategien adressieren wollen, als Entscheidungsträger. Indessen sehen alle Befragten Medien und Öffentlichkeit als weniger wichtig an; insgesamt neun weisen ausdrücklich auf den geringen Stellenwert der an die Öffentlichkeit gerichteten Kommunikation hin. Für die zweite Linkage-Stufe zeichnen die Angaben zu den Hauptzielgruppen der NGOs folglich ein negatives Bild.

Während eine PG3, trotz gegenteiliger Angabe im dem Interview vorangestellten Fragebogen, nach eigenen Aussagen kaum Advocacy in Form von Eliteoder Öffentlichkeitsstrategien betreibt, verfolgt eine weitere PG3 zwar derartige Bemühungen, zählt politische Entscheidungsträger aber nicht zu den Hauptzielgruppen, da sie diese Aufgabe vornehmlich bei den Mitgliedern verortet. Dessen ungeachtet macht die Analyse den geringen Einfluss der UV auf die Relevanz der Kommunikation bzw. auf die Interaktionsmuster mit Entscheidungsträgern evident. So benennen 18 NGOs politische Autoritäten als Zielgruppe; unabhängig von der UV sind sie für neun die wichtigsten Kommunikationsadressaten. Mit Ausnahme jener NGO, die kaum Advocacy betreibt, bewerten alle diese Art der Kommunikation als (sehr) wichtig und sehen in der Interessenvertretung das Hauptziel der Interaktion mit politischen Akteuren (siehe Tabelle 9). Fast gleich verteilt über die drei PGs strebt die Hälfte der NGOs auch den Aufbau von Partnerschaften mit passenden politischen Akteuren an, die wiederum der Advocacy dienen (können).

Der Anspruch dieser Arbeit ist es nicht nur die vertikalen Kommunikationsprozesse zu beleuchten, sondern auch die horizontale Kommunikation mit anderen zivilgesellschaftlichen Akteuren bzw. Partnern. Ohne relevantes Muster in Abhängigkeit der UV ist für 85% der Interviewten die Kommunikation mit (potenziellen) Partnern – meist andere NGOs, aber auch die Medien und ihnen thematisch zugetane politische Akteure – (sehr) wichtig. Insgesamt 65% zählen strategische Partner zu ihren primären Zielgruppen; 55% explizit andere NGOs. Im Gegensatz dazu sind wissenschaftliche Institutionen für die wenigsten NGOs relevant, was darin gründet, dass die Expertise in der Organisation selbst vorhanden ist oder es an den nötigen finanziellen Mitteln mangelt.

Dabei intendieren die meisten Befragten ausdrücklich langfristige Partnerschaften für gemeinsame Aktionen und Advocacy (je 55%), zehn streben Erfahrungsaustausch an (siehe Tabelle 9). Der Prozentsatz derer, die Partner als Zielgruppe benennen, steigt mit dem Professionalisierungsgrad. Abgesehen davon hat die UV hier, wie auch bezüglich der Zielgruppe Entscheidungsträger, kaum Einfluss. Eher stützen die Ergebnisse der Analyse die Argumentation zum Stellenwert von Netzwerkbildung und Partnern für die Umsetzung der Organisationsziele. Die im theoretischen Teil formulierten Annahmen bestätigen sich: Politische Akteure sind neben anderen NGOs mit Abstand die wichtigsten strategischen Partner auf EU-Ebene; nur für 35% sind es die Medien. Gleichwohl arbeiten nur zwei NGOs der PG2 nahezu nie mit den Medien zusammen. Alle anderen sehen sich wenigstens manchmal in der Rolle des Informationsund Expertise-Lieferanten. Eine vergleichbare Bedeutung als Beobachtungssystem, wie sie Poguntke (2000) den Medien zuweist, wird diesen aber nicht beigemessen. Die meisten NGOs verlassen sich in Hinblick auf Informationen über die Situation in den EU-Staaten bzw. den Ländern, in welchen ihre Projekte zu verorten sind, auf die Mitglieder und sehen es darüber hinaus auch als deren Aufgabe, ihnen diese Inhalte zuzutragen.

 
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