Kanäle

Zur Mitgliedermobilisierung setzt keine NGO auf Kampagnen. Publikationen, Interviews und Artikel in Zeitungen, sind ebenso zu vernachlässigen. Ohne relevantes Muster in Abhängigkeit der UV nutzt die Mehrheit jede Gelegenheit des persönlichen Kontakts (68%), bspw. bei Meetings (58%) oder Veranstaltungen (32%), um Willensbildung zu betreiben und zu mobilisieren. Abermals hervorzuheben sind die Arbeitsgruppen, in welchen neben Positionsfindung auch Mobilisierung und Sozialisierung stattfindet. Darüber hinaus verbreiten 68% der NGOs mobilisierende Inhalte per Newsletter, dicht gefolgt von Website (53%) und E-Mail (47%). Über die PGs annähernd gleich verteilt, rufen elf konkret zum Handeln auf: Sechs integrieren Aufrufe in die Hintergrundpapiere, welche sie den Mitgliedern via E-Mail oder Website zur Verfügung stellen, fünf senden spezifische Handlungsaufrufe per E-Mail.

Insgesamt ist das allgemeine Aktivitätsniveau für Basis oder Öffentlichkeit so niedrig, dass sich kaum relevante Unterschiede in Abhängigkeit von der UV erkennen lassen. Zur Beeinflussung der Basis und zur Mobilisierung der öffentlichen Meinung wird, wie angesichts Reichweite und einfachen Zugangs zu erwarten ist, über alle PGs hinweg, hauptsächlich die Website eingesetzt (45%). Zwei PG2 benennen die auf der Website veröffentlichten politischen Erklärungen und Aufrufe, die sie – soweit die Adressen vorhanden sind – auch direkt an die Basis senden. Alle übrigen Kanäle werden nur von einem verschwindend geringen Teil instrumentalisiert. Allein zwei PG3 und eine PG2 ermöglichen persönlichen Kontakt. Genauso werden Newsletter und Social Media je nur von zwei PG3 aktiv genutzt. Kampagnen oder Petitionen, als niederschwellige Optionen aktiven Engagements, initiieren zwar 30%, aber lediglich eine PG3 regelmäßig. Die niedrigen Werte sind u.a. darauf zurückzuführen, dass sich nur elf NGOs in ihren, in der Intensität stark variierenden, Willensbildungsund Mobilisierungsbestrebungen an die Öffentlichkeit richten und nur vier an ihre Basis.

Auch für die Mobilisierung wird die Kombination der Kanäle nicht außer Acht gelassen. Nur eine PG3 greift zur Mitgliedermobilisierung auf neun Kanäle (darunter drei Formate persönlichen Kontakts) zurück, eine PG3 und zwei PG4 nutzen sieben Ansatzpunkte. Oft werden persönliche Treffen und Newsletter kombiniert (neun Mal); sieben NGOs verknüpfen Erstere mit den Push-Medien Newsletter und E-Mail, fünf mit mobilisierenden Inhalten via Website und Social Media. Dabei steigen Zahl der eingesetzten Medien und Nutzung der, auch für die zweite Linkage-Stufe relevanten Social Media-Anwendungen mit dem Professionalisierungsgrad. Der geringe Stellenwert der Mobilisierung von Basis und Öffentlichkeit zeigt sich außerdem in der Zahl der gewählten Kanäle. Zwei PG3 sowie je eine PG2 und PG4 kombinieren Newsletter und Website. Nur eine PG3 ergänzt dies um Social Media und gelegentliche Online-Kampagnen. Je eine PG2 und PG3 verbindet persönlichen Kontakt und Website. Die Frage nach den Kommunikationsinhalten erlaubt zu überprüfen, inwieweit die NGOs die den einzelnen Dimensionen zuzuordnenden Inhalte transportieren. Infolge der unterschiedlichen Anliegen und Politikbereiche sind die Inhalte äußerst divers, was einen systematischen Vergleich erschwert. Um dennoch Aussagen treffen zu können, wurden die NGO-Vertreter gebeten, die der Mobilisierung dienenden Inhalte zu erläutern. Auch wenn diese, in Bestätigung der Ausführungen in Kapitel 3.3, in Teilen der Sozialisierung und der Accountability zuzuordnen sind, werden sie aus diesem Grund an dieser Stelle präsentiert. Differenziert man die Inhalte in die Bereiche Information bzw. Aufklärung, Willensbildung und Zielformulierung, zeigt sich, dass 95% der NGOs mit Mitgliedschaftsoption diese, im Sinne der Sozialisierung und der externen Accountability informieren, um welche Problemstellung es geht. Mit Versuchen der Willensbildung, d.h. der Darlegung ihrer Position kombinieren dies 17; mit accountability-relevanten Details, etwa wer am Politikprozess beteiligt ist sowie einer Aufklärung über die Folgen geplanter Entscheidungen 16 und 13 NGOs erläutern die verschiedenen Sichtweisen auf den Sachverhalt.

„Wir versuchen immer sicherzustellen, dass die Mitglieder verstehen, warum wir einen politischen Issue ausgewählt haben und was er mit den Ideen zu tun hat, die sie zusammen erarbeitet haben. Wir versuchen, den Issue so einfach wie möglich zu formulieren und zu erklären um was es geht: Wer sind die Akteure? Was die Konsequenzen? In welchem Zeitrahmen wird die Entscheidung getroffen? Für die, die sich noch tiefer ins Thema vertiefen wollen stellen wir Hintergrundinfos zur Verfügung, die sie wie auch immer verwenden können.“ (39 P12# NGO12)

Effektive Mobilisierung beschränkt sich nicht auf die Vermittlung der eigenen Position, sondern beinhaltet ein konkretes Ziel, das es zu erreichen gilt. Dieses wird von annäherungsweise 4/5 der NGOs formuliert. Obgleich die Detailliertheit der einzelnen Aspekte erheblich variiert, zeigen sich keine relevanten Unterschiede nach Ausprägung der UV.

Da nicht alle NGOs Basis und Öffentlichkeit adressieren, sind die Werte für diese Zielgruppen insgesamt niedriger. Unabhängig von der Ausprägung der UV, liegt der Fokus für 65% ebenfalls auf der Präsentation des Sachverhalts in Kombination mit der eigenen Position. Elf verbinden das mit einer Zielformulierung und nur sieben kommunizieren accountability-relevante Inhalte. Begründet wird dies mit der Schwierigkeit, die Aufmerksamkeit der Menschen zu gewinnen und der besseren Wirkung kurzer Slogans. Auch wenn keine NGO in erster Linie klassische aufmerksamkeitsfördernde, eher konfrontative Öffentlichkeitsstrategien verfolgt, transportieren über 2/3 mobilisierende Inhalte und erfüllen die für ihre Legitimation bedeutsame Mobilisierung von Unterstützung für ihre Forderungen.

 
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