Mitgliedschaftsoption

Die Vermutung liegt nahe, dass jene NGOs, die natürliche Personen zu ihren Mitgliedern zählen, eine im Vergleich bessere Linkage-Leistung erbringen, da sie im Zuge dessen näher an der Basis sind. Um diesbezüglich Aussagen treffen zu können, werden bewusst NGOs mit beiden Mitgliedschaftsoptionen untersucht. Zwar zeigen sich in den einzelnen Linkage-Dimensionen in keiner PG relevante Muster in Abhängigkeit der Mitgliedschaftsoption, für deren Einfluss spricht hingegen, dass in der Gesamtbetrachtung die NGOs mit einer Mitgliedschaft, die auch natürliche Personen umfasst, in vier Dimensionen deutlich besser abschneiden als jene, mit rein organisationeller Mitgliedschaft.

In der „Interessenaggregation“ manifestiert sich der Einfluss dieses Faktors besonders in deren „Weite“. Unter den NGOs, die Möglichkeiten der Interessenartikulation für die Basis schaffen, sind jene mit individuellen Mitgliedern prozentual am stärksten vertreten. Der Zusammenhang ist für „Interessenaggregation“ und „Linkage B/Ö“ (rs = ,446 bzw. ,474; Sig. (1-stg) ,005) obendrein statistisch signifikant. Dagegen zeigen sich in „Responsivität“, „Linkage MG“ und „Interessenvermittlung“ nur marginale sowie in „Mobilisierung“ keinerlei Unterschiede in Abhängigkeit der Mitgliedschaftsoption. Betrachtet man indessen die in Tabelle 18 dargestellten durchschnittlichen Gesamt-Werte, lässt sich die Vermutung bestätigen: Jene NGOs, die auch natürliche Personen zu ihrer Mitgliedschaft zählen, erbringen eine deutlich bessere Linkage-Leistung (211 vs. 187 Punkte).

IM-NGOs MO-NGOs

Linkage

Max P

0

%

0

%

Interessenvermittlung

40

25

63

24

60

Interessenaggregation

55

22

40

16

30

Responsivität

50

20

39

21

42

Sozialisierung

55

31

56

26

47

Mobilisierung

50

26

52

26

52

Accountability

55

41

75

34

62

Linkage MG

35

19

53

20

55

Linkage B/Ö

50

23

45

14

28

Aktualität

10

5

50

5

50

Gesamt

400

212

53

186

47

Tabelle 18 Durchschnittswerte Linkage nach Mitgliedschaftsoption

Nichtsdestotrotz zeigen sich auch für den Einflussfaktor Mitgliedschaftsoption große intrakategoriale Varianzen. Zwar gehören die beiden NGOs mit der besten Gesamt-Linkage-Wertung zu jenen mit einer Mitgliedschaftsoption für natürliche Personen, aber genauso NGO5, die lediglich 177 Punkte erreicht. Deren vergleichsweise schlechtes Abschneiden ist darauf zurückzuführen, dass es sich bei den Mitgliedern ausschließlich um die Repräsentanten der Mitgliedsorganisationen handelt [1].

Speziell die Resultate in der „Sozialisierung“ untermauern auf den ersten Blick die für die Funktion als „Schulen der Demokratie“ von Rek (2007) gestellte Diagnose der strukturellen Defizite, die sie in der Tatsache begründet sieht, dass der Großteil der auf EU-Ebene angesiedelten NGOs natürlichen Personen keine Mitgliedschaft gewährt. Dagegen spricht jedoch, dass unabhängig von der Mitgliedschaftsoption den Mitgliedern bzw. deren Mitarbeitern nicht nur relevantes Wissen, sondern auch Möglichkeiten aktiven Engagements geboten werden. Außerdem ist nur eine sehr schwache Tendenz zu erkennen, dass NGOs mit individueller Mitgliedschaft aktiver bezüglich entsprechender Angebote für Basis und Öffentlichkeit sind. Dieser in Bezug auf ihre edukativ-sozialisatorische Funktion formulierte Wirkungszusammenhang ist für die untersuchten NGOs daher nicht haltbar.

„Regarding the type of members, we would expect that member involvement is stronger in the case of organizations as members compared to individual members, because the collective good problem of steering and controlling the CSO, is less strong in the case of organizations of organizations.” (Kotzian & Steffek 2011: 7)

Ein systematischer Vergleich von Organisationen, bei deren Mitgliedern es sich ausschließlich um natürliche Personen handelt und NGOs mit rein organisationeller Mitgliedschaft, ist anläßlich der geringen Zahl Erstgenannter in der Stichprobe nicht möglich. Dennoch lässt sich die von Kotzian und Steffek formulierte Annahme zur Involvierung der Mitglieder auch für die meisten Hybridorganisationen tendenziell bestätigen. In der Regel ist der Kontakt mit Mitgliedsorganisationen enger als mit individuellen Mitgliedern. Trotz allem zeigen sich auch große Unterschiede in der Bedeutung, die individuellen Mitgliedern bzw. deren Input zugeschrieben wird. Der Involvierungsgrad in die NGO-Prozesse variiert beträchtlich. Die Spanne reicht vom Versuch, möglichst viele persönliche Kontaktpunkte zu schaffen bis zu der – abgesehen von Vollversammlungen, als formal festgelegter Kontaktund Einflussoption – komplett nachrangigen Bedeutung individueller Mitglieder. NGO6, die einzige NGO mit exklusiv individueller Mitgliedschaft, sticht besonders positiv heraus, die Verbindung zu den Mitgliedern könnte kaum intensiver sein.

Kotzian und Steffeks These lässt auf einen weiteren mit der Mitgliedschaft verbundenen Einflussfaktor schließen: die Mitgliederzahl. Um sich schnelle Reaktionsfähigkeit zu erhalten, scheint es mit Referenz auf Dahls (1994) Dilemma von Effektivität und Partizipation naheliegend, dass sich NGOs mit großer Mitgliedschaft auf formelle Interaktionsmechanismen, wie etwa Vollversammlungen beschränken oder die Mitglieder, unabhängig von der Mitgliedschaftsoption, nur für fundamentale Sachverhalte in die Entscheidungsfindung einbinden. Die Annahme lässt sich für mehrere der untersuchten NGOs belegen, für andere ist sie nicht haltbar. So ist die Willensbildung auch in NGO14 und NGO7 mit über 150 bzw. 70 Mitgliedern bottom-up geprägt, während sie in NGO9 mit nur 20 Mitgliedern top-down verläuft.

  • [1] Auch Steffek et al. (2010: 10) erörtern, dass die von ihnen befragten Organisationen die Repräsentanten ihrer Mitgliedsorganisationen ebenfalls als Mitglieder bezeichnen, weshalb man aus Aussagen zur Mitgliederkommunikation nicht zwangsläufig schließen kann, dass die Basis gemeint ist. Die Gefahr der Vermischung der unterschiedlichen Ebenen besteht in der hier durchgeführten Untersuchung nicht, da in den Interviews die verschiedenen Zielgruppen sowie die entsprechenden Kommunikationsstrategien und -maßnahmen differenziert erfragt warden
 
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