Organisationsstruktur
In der Betrachtung der drei PGs zeigen sich für die einzelnen Linkage-Dimensionen keine signifikanten Unterschiede in Abhängigkeit der Organisationsstruktur, welche die Varianz in den Wertungen der NGOs einer PG erklären würden. Auch was die Gesamt-Linkage-Leistung angeht ist für die Organisationsstruktur
– im Gegensatz zur Mitgliedschaftsoption – nur ein marginaler Effekt zu erkennen. Es lässt sich weder die Annahme, dass dezentrale Organisationen die Linkage-Funktion besser erfüllen, noch die gegenteilige These, dass zentralistisch organisierte NGOs eine bessere Linkage-Leistung erbringen, bekräftigen. Wie Tabelle 19 veranschaulicht, offenbaren sich zwar in einigen Dimensionen merkliche Unterschiede in Abhängigkeit der Organisationsstruktur, diese gehen aber nicht immer in die gleiche Richtung. Überdies sind die Korrelationen nur für „Responsivität“ (rs = ,403; Sig. (1-stg) ,005) signifikant.
Für die erste Linkage-Stufe erzielen beide Organisationstypen im Schnitt identische Wertungen. Zudem verlassen sich unabhängig von der Organisationsstruktur nahezu alle auf die Mitglieder, um Basis und Öffentlichkeit zu erreichen. Die vermuteten Unterschiede in der Vorgehensweise zentralistisch und föderativ organisierter NGOs zeigen sich aber nur sehr bedingt. Auch Vertreter Erstgenannter verzichten, aufgrund der Schwierigkeit europaweiter Kampagnen, in Konsequenz divergierender nationaler politischer Kulturen und Gelegenheitsstrukturen, auf die Vorgabe einer übergreifenden Strategie. Ebenso haben nicht vor allem diese NGOs eine Strategie, die Weiterleitung der Inhalte durch die Mitglieder zu fördern. Vielmehr betonen fast alle NGOs deren Autonomie in der Implementation der Strategien und der Verbreitung der Botschaften. Der große Unterschied in „Linkage B/Ö“ mag in der Komposition der Stichprobe gründen: Vier der zentralistisch organisierten NGOs zeichnen sich darüber hinaus durch eine Mitgliedschaftsoption für natürliche Personen aus; es liegt die Vermutung nahe, dass dieser Faktor hier als intervenierende Variable wirkt [1].
Zentral Dezentral
Linkage |
Max P |
0 |
% |
0 |
% |
Interessenvermittlung |
40 |
22 |
56 |
26 |
66 |
Interessenaggregation |
55 |
17 |
30 |
19 |
34 |
Responsivität |
50 |
18 |
35 |
23 |
46 |
Sozialisierung |
55 |
30 |
54 |
25 |
45 |
Mobilisierung |
50 |
27 |
53 |
26 |
51 |
Accountability |
55 |
35 |
64 |
37 |
68 |
Linkage MG |
35 |
19* |
54 |
21 |
59 |
Linkage B/Ö |
50 |
20 |
40 |
14 |
28 |
Aktualität |
10 |
6 |
60 |
5 |
50 |
Gesamt |
400 |
194 |
49 |
196 |
49 |
Tabelle 19 Durchschnittswerte Linkage nach Organisationstyp
Für einen anderen organisationsstrukturellen Faktor lässt sich ein Effekt erkennen. In der Debatte um die Abkopplung von der Basis, als Folge der Professionalisierung, wird die Befürchtung geäußert, dass Mitglieder und Basis primär durch gewählte Vorstände repräsentiert sind. Das trifft zwar auf die Mehrheit der untersuchten NGOs zu, ist aber weniger auf den höheren Professionalisierungsgrad, denn auf die Mehrebenenorganisation zurückzuführen. Sie wirkt sich offenkundig in Gestalt der in Kapitel 7.4 benannten Herausforderungen auf die Linkage-Leistung aus. Doch weniger als die Hälfte der NGOs haben in Anerkennung der prekären Situation Prozesse etabliert, um die Vermittlung der Inhalte (top-down und bottom-up) durch die Mitglieder zu fördern. Auch sind nur wenige bestrebt, diese in naher Zukunft in ihre Organisationsabläufe zu integrieren. Folgerichtig kann die von Janett (2000: 154f) formulierte Gefahr der Loslösung der NGO-Spitze von „den mikrosozialen Milieus“ der Anhängerschaft bekräftigt werden. Das dies allein in der physischen Entfernung gründet, ist aber zu bezweifeln. Zwar erleichtert räumliche Nähe Kontaktpflege und persönlichen Austausch, indes kann die geographische Distanz zwischen Sender und Empfänger zu einem substanziellen Teil mithilfe der neuen Kommunikationstechnologien kompensiert werden. Hier scheitert es eher am Willen und den Kapazitäte der Organisationen, die webbasierten Interaktionsmöglichkeiten auszubauen. In dieser Hinsicht stehen die Ergebnisse im Einklang mit entsprechenden Studien auf nationaler Ebene (Härtel & Embacher 2011; Voss 2009: 88; 2008).
Die Annahme, dass die Verlängerung der Repräsentationsketten in Mehrebenenorganisationen die Probleme innerorganisatorischer Demokratie und Entscheidungsfindung verschärft, kann allein basierend auf Selbstaussagen der EUEbene der NGOs nicht angemessen bewertet werden und bedarf weiterführender Forschung auf Mitgliederebene. Die Aussagen der interviewten NGO-Vertreter lassen davon absehen, was jedoch darauf zurückzuführen ist, dass für sie hauptsächlich die Mitgliederinteressen relevant sind und was das betrifft, mit nur wenigen Ausnahmen, der Linkage förderliche Mechanismen der Willensbildung und Entscheidungsfindung etabliert sind.
Zugleich lassen sich nur sehr bedingt Aussagen über, durch die Etablierung der Hauptamtlichkeit und damit einhergehende Ansprüche an Demokratisierung und Mitgestaltung hervorgerufene, Spill Over-Effekte in der Gestaltung der Mitgliederbeziehung zu treffen: In allen untersuchten NGOs überwiegt klar der Anteil der Hauptamtlichen; Ehrenamtliche sind eher die Ausnahme. Unterschiede in der Mitgliedereinbindung, in Abhängigkeit des prozentualen Verhältnisses von Hauptund Ehrenamtlichen, sind nicht sichtbar.
- [1] Entsprechende statistische Berechnungen, zum Einfluss der Mitgliedschaftsoption als intervenierende Variable haben aufgrund der Stichprobengröße von sieben NGOs jedoch kaum Aussagekraft