Statistische Argumentation

Die generalisierende wie die statistische Induktion sind sowohl in Alltagsals auch wissenschaftlichen Kontexten von Bedeutung, wobei im vorliegenden Handbuch der Alltagskontext im Vordergrund stehen soll, zumal die wissenschaftliche Statistik ein eigenständiges Forschungsgebiet darstellt.

Bei der statistischen Induktion, gefasst in syllogistischer Form (vgl. Bierman und Assali 1996, S. 191 ff.) geht man von einer Verallgemeinerung bzw. einer auf Erkenntnissen beruhenden Hypothese aus. Diese Hypothese wird verwendet, um eine Hypothese für eine Teilgruppe oder für Mitglieder einer Gruppe abzuleiten. Man kann das Vorgehen auch als hypothetico-deduktiv bezeichnen.

Im Beispiel: Eine auf medizinischen Befunden beruhende Hypothese könnte lauten: „Der in Aspirin enthaltene Wirkstoff lindert bei allen Patienten die Schmerzen.“ Unter der Annahme, dass Individuen mit Zahnschmerzen zu den Schmerzpatienten zu rechnen sind, könnte man folgern: „Der in Aspirin enthaltene Wirkstoff hilft bei Zahnschmerzen.“ Ohne jetzt ins wissenschaftliche Detail gehen zu wollen, kann man feststellen, dass diese statistische Folgerung nicht zutreffend ist. Offenbar gibt es keine einheitliche Population von Schmerzpatienten, bei der dieselben therapeutischen Maßnahmen wirksam wären.

Diagnostische Induktion

Die diagnostische Induktion wird so genannt, weil sie typischerweise in medizinischen Zusammenhängen gebräuchlich ist, wenn es um die diagnostische Bedeutung und Deutung von Symptomen geht. Allerdings ist die diagnostische Induktion keineswegs auf medizinische Anwendungen beschränkt.

Bei dieser induktiven Methode werden vorliegende Fakten („Evidenz“ wie z. B. sichtbare Symptome, Indizien in der Kriminalistik) als Prämissen für eine fallbezogene Konklusion herangezogen, unter Berücksichtigung der gegebenen Randbedingungen (also des Kontextes) sowie von Hilfshypothesen. Erst das Heranziehen solcher geeigneter Hypothesen macht die Folgerung aus den evidenten Fakten plausibel. Charakteristisch für alltägliches Argumentieren ist allerdings, dass Hilfshypothesen und Kontextfaktoren oft nur mitbedacht, aber nicht explizit genannt werden. Bei der Prüfung der Plausibilität einer Argumentation ist es jedoch erforderlich, die Hilfshypothese explizit heranzuziehen und weitergehend zu prüfen, ob es zu ihr konkurrierende Hypothesen gibt, die mit den Fakten (Evidenz) ebenfalls vereinbar sind oder aber als (wahrscheinlich!) unzutreffend abgelehnt werden können.

Zur Erläuterung sei das Beispiel aus Bierman und Assali (1996, S. 196) aufgeführt, das der medizinischen Bedeutung dieser induktiven Methode Rechnung trägt.

Tabelle 3.2 Diagnostische Induktion

Quelle Bierman und Assali 1996, S. 196 u. eigene Darstellung

Konkurrierende Hilfshypothesen könnten aufgrund der Symptomatik und anderer Randbedingungen etwa auf das Vorliegen einer allergischen Reaktion hindeuten. Zum Ausschließen dieser Alternativhypothese würde man gegebenenfalls Randbedingungen gegeneinander abwägen und/oder nach weiteren Symptomen suchen.

 
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