Systemische Umbrüche: Gegenwärtige ökonomische, politische und kulturelle Wechselwirkungen im Zuge des europäischen Krisenmanagements
Die EU war und ist primär ein ökonomisches und politisches Elitenprojekt (vgl. Haller 2009), jedoch beeinflusst die sich verdichtende europäische Systemintegration die Lebensbedingungen der BürgerInnen immer deutlicher. Eine europasoziologische Betrachtung muss somit – ganz im Verständnis von Habermas – auf einer ökonomischen, politischen und kulturellen Ebene ansetzen. Theoretische Zugänge, die sich primär mit den ökonomischen Auswirkungen auf die Gesellschaft auseinandersetzen, können durch deren Fokus auf Zentrum und Peripheriemodelle und auf Verteilungsfragen (Sozialpolitik) am ehesten als Konfliktrahmenansätze eingestuft werden. Die Schnittstelle zwischen Politik und einer europäischen Öffentlichkeit bilden Institutionenansätze am ehesten ab, wobei sich hier optimistische und pessimistische Prognosen gegenüberstehen. Bei den Identitätsansätzen stehen die europäischen Identifikationsprozesse und die kulturellen Ausformungen einer europäischen Gesellschaft im Vordergrund.[1] Hier beharren die SkeptikerInnen einer europäischen Gesellschaft auf der nationalstaatlichen Rahmung von Gesellschaft und bleiben dem ländervergleichenden Ansatz treu (vgl. exemplarisch Gerhards 2005), während die BefürworterInnen einer europäischen Gesellschaft (vgl. exemplarisch Büttner und Mau 2010) auf der Suche nach neuen Gesellschaftsbegriffen sind, um den transnationalen Austauschbeziehungen gerecht zu werden.
- [1] Die Einteilung geht auf Georg Vobruba (2010) zurück, der die bisher vorliegenden europasoziologischen Zugänge in diese drei Bereiche gliedert (vgl. Vobruba 2010, S. 447–462)