Demografische und räumliche Aspekte der Mobilität

Österreichs Bevölkerung wird zunehmend älter. Prognosen der Statistik Austria zufolge wird die Bevölkerung Österreichs bis 2050 auf 9,52 Mio. EinwohnerInnen ansteigen, wobei besonders der Anteil der älteren Personen signifikant zunehmen wird. Bis 2030 soll der Anteil der 60-Jährigen und älteren Personen von heute 22 % auf mehr als 30 % ansteigen (Statistik Austria 2008). Für alle Personen und Gruppen wird aber auch in Zukunft Mobilität in jeder Lebensphase und in jedem Alter eine zentrale Rolle spielen, um die eigene Lebensqualität und Lebenszufriedenheit gewährleisten zu können.

Die Veränderung der Altersstruktur hin zu weniger SchülerInnen und mehr älteren Personen ist verknüpft mit dem Faktum, dass Generationen mit hohem Führerscheinanteil nachrücken und in Zukunft vor allem mehr ältere Frauen auch in fortgeschrittenem Alter über einen Führerschein und ein Auto verfügen. Lag der Führerscheinanteil bei den Frauen der Generation der heute 70bis 90-Jährigen bei rd. 50 %, beträgt er bei den heute 50bis 60-Jährigen rd. 90 %. Dazu kommt ein Steigen der Pkw-Verfügbarkeit vor allem bei älteren Menschen (VCÖ 2007). Die Veränderung der Nutzergruppen, es sinkt die Gruppe der „captive rider“ – Personen, welche bei der Verkehrsmittelwahl keine Wahlfreiheit haben (z. B. SchülerInnen, Personen ohne Führerschein etc.) –, wird sich auf die Mobilitätsstrukturen wie Verkehrsmittelnachfrage und -angebot sowie Verkehrszahlen beträchtlich auswirken.

Städte und Stadtregionen sind zentrale Lebensund Wirtschaftsräume. Mehr als 70 % der europäischen Bevölkerung leben in Stadtgebieten mit der räumlichen Konzentration von Funktionen und Nutzungen, „die von entscheidender Bedeutung für Wachstum und Beschäftigung sind“ (Kommission der Europäischen Gemeinschaften 2009). Auch in dünn besiedelten, ländlichen Regionen ist für die Bevölkerung eine angemessene Versorgung mit Dienstleistungen und Infrastrukturen der Daseinsvorsorge zu gewährleisten. Eine zentrale Rolle spielt dabei die Erreichbarkeit. Besonders die Erreichbarkeit von Einrichtungen und Angeboten der Grundversorgung ist allen Bevölkerungsgruppen zu ermöglichen. Dies bedeutet für den ländlichen Raum die Aufrechterhaltung von strukturellen Mindeststandards und Mindesterreichbarkeiten.

Betrachtet man die Entwicklung der Bevölkerung in der Steiermark während der letzten Jahre, so ist festzustellen, dass in der Verteilung die Konzentrationstendenzen angehalten und sich sogar verstärkt haben (GIS Steiermark 2014). Die räumlichen Umverteilungen erfolgen einerseits von den peripheren Gebieten in die Ballungsräume und auch innerhalb der Ballungsräume. Dort steht einer Konzentration der Arbeitsplätze in den Zentren eine Stadt-Umland-Wanderung der Wohnbevölkerung gegenüber. In der grafischen Darstellung der Bevölkerungsentwicklung respektive Migrationsbewegungen von 1981 bis 2012 (siehe Abb. 14) ist auffallend, dass nicht generell von einer Entleerung des ländlichen Raumes gesprochen werden kann. Diese Entwicklung der dispersen räumlichen Bevölkerungsverteilung führt zur Frage nach einer Erklärung dieser Verteilungsmuster (Bähr 2010). Ein diesbezüglicher Ansatz wäre das Konzept der demografischen Gravitation aus der „sozialen Physik“. Eine Grundkonzeption besteht darin, dass eine große Anzahl von Menschen, in einer Stadt beispielsweise, für andere Menschen wie eine Anziehungskraft wirken (Stewart 1948). Mit dem Problem der Abwanderung sind offensichtlich ländliche Räume, die eine hohe funktionale Verflechtung mit „sozialen“ Ballungsräumen aufweisen, nicht konfrontiert. Die Menschen suchen die räumliche Nähe des für ihren kulturellen, gesellschaftlichen Lebensstil relevanten Umfeldes (siehe Abb. 14). In der verknüpften Betrachtung der steirischen Bevölkerungsentwicklungsgrafik mit der Bevölkerungsdichtegrafik wird diese These untermauert. So weisen das absolut ländlich strukturierte Schöcklland und die Kleinregion „10vorGraz“ (Regionalmanagement Graz&Graz Umgebung 2010) mit einer relativen Nähe zur Landeshauptstadt, aber relativ schlechter Verkehrsinfrastruktur Bevölkerungszuwachsraten von rund 30 % auf. Im Vergleich dazu verliert das obersteirische Paltental trotz seiner ausgezeichneten Verkehrsinfrastrukturen und Erreichbarkeiten, aber räumlich-topografischer Abgeschiedenheit, mit minus 30 % massiv

an EinwohnerInnen.

Abb. 14 Bevölkerungsentwicklung 1981 bis 2012 (GIS Steiermark 2014)

Die Raumstruktur der Steiermark hat wesentlichen Einfluss auf die Verkehrsverhältnisse. Unterschiedliche Bevölkerungsdichten und Siedlungsstrukturen stehen mit den Erreichbarkeitsverhältnissen in unmittelbarem Zusammenhang. Die Oststeiermark ist ein stark agrarisch orientierter, ländlicher Raum. Durch die für ein Riedelland typischen Streusiedlungsmuster war und ist es sehr schwierig, eine zufriedenstellende Anbindung an die größeren Arbeitsplatzund Dienstleistungszentren im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) zu erreichen, sodass in diesem Bereich eindeutige Defizite konstatiert werden müssen. Als günstiges Zugangsverhältnis zum öffentlichen Verkehr wird eine mittlere Distanz von 300 m noch als attraktiv empfunden. Die Süd-, aber auch die Weststeiermark zählen abseits der Schienenachsen zu den im ÖV am schlechtesten verkehrsinfrastrukturell erschlossenen und an die größeren Zentren angebundenen Regionen der Steiermark. In der Obersteiermark sind die abseits der großen Talfurchen gelegenen Bereiche nur schwierig im öffentlichen Verkehr zu erschließen, deren Erreichbarkeit ist ungünstig. Die in Abbildung 15 grafisch dargestellte räumliche Verteilung der steirischen Bevölkerung lässt in der Obersteiermark eine vor allem topografisch bedingte

Abb. 15 Bevölkerungsdichte Steiermark EW/qkm (GIS Steiermark 2014)

starke Konzentration der Bevölkerung in den Tallagen (Mur-/Mürztal, PaltenLiesingtal, Ennstal) erkennen. Südlich des Alpenrandes, im ostund weststeirischen Hügelland und dem Grazer und Leibnitzer Becken, weist die Bevölkerung eine sehr flächige Verteilung mit einigen Konzentrationspunkten (hauptsächlich Bezirkshauptstädte) auf.

 
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