Defi von Rechtsextremismus
Es ist dies nicht der Ort, um einen neuen Beitrag zur ausufernden, aber wenig fruchtbaren und kaum innovativen Diskussion zur Rechtsextremismusdefinition zu liefern. Der klassische Extremismusbegriff von Backes/Jesse überzeugt lediglich im Rahmen staatstheoretischer Vorstellungen, vernachlässig aber die gesellschaftspolitische Dimension der Problematik (vgl. Backes/Jesse 1993, Neugebauer 2000). Dieser Beitrag bezieht sich stattdessen auf die Vorstellungen Heitmeyers (vgl. Heitmeyer 1992). Rechtsextremismus setzt sich dabei aus zwei Kernelementen zusammen: der Ideologie der Ungleichwertigkeit der Menschen sowie der grundsätzlichen Akzeptanz von Gewalt. Die Ideologie der Ungleichwertigkeit der Menschen basiert dabei meist auf rassistischen, nationalistischen und/oder antisemitischen Vorstellungen. Ein unmittelbarer positiver Bezug zum historischen Nationalsozialismus kann, muss aber nicht mehr zwingend vorhanden sein. Rechtsextremismus wird dadurch weniger als das Weiterführen der Vergangenheitsideologie, sondern vor allem als politische Reaktion auf gesellschaftliche Konfliktlagen in der Moderne verstanden (vgl. Loch/Heitmeyer 2001).
Ausdifferenzierung des Rechtsextremismus und seiner Unterstützungskulturen
Die rechtsextremen Szenen haben sich ausdifferenziert und präsentieren sich z. T. sogar in sich widersprüchlich. Tatsächlich lassen sich deutliche ideologische Unterschiede, strategische Ansätze und Bezugsverhältnisse zur unmittelbaren Gewaltanwendung zwischen verschiedenen rechtsextremen Formationen feststellen. Ein Modell zum besseren Verständnis liefert die Bezugstheorie von Borstel und Heitmeyer (Borstel/Heitmeyer 2013).
Die Theorie unterscheidet fünf Phänomenbereiche: Rechtsterrorismus, bewegungsförmiger Rechtsextremismus, parteiförmiger Rechtsextremismus, Rechtspopulismus und Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit (GMF).
Rechtsextremer Terrorismus galt bis zur Entdeckung der NSU trotz zahlreicher historischer Vorläufer als nahezu unmöglich (Vgl. Sundermeyer 2012). Tatsächlich zeigen die Biographien der drei vermutlichen Mitglieder einen Weg der zunehmenden Radikalisierung, der seinen Höhepunkt im mörderischen Terrorismus fand (Vgl. Goetz/Fuchs 2012). Ihre rechtsextreme Sozialisation erfuhr das Trio in den thüringischen Kameradschaften und Netzwerken wie dem "Thüringischen Heimatschutz". Sie werden, wie auch die neue Generation der "Autonomen Nationalisten", zum bewegungsförmigen Rechtsextremismus gezählt. Im Gegensatz zu rechtsextremen Parteien wie der NPD verzichten bewegungsförmige Rechtsextremisten auf ein "Mitspielen" im verhassten System. Sie sehen sich als politische Kämpfer im revolutionären Kampf und der sei nicht im Parlament, sondern auf der Straße zu gewinnen. Rechtsextreme Parteien teilen durchaus den systemstürzenden Ansatz, wollen aber sehr wohl den parlamentarischen Weg als zusätzliche Option ihres Kampfes nutzen.
Anders ist dies im Rechtspopulismus: Rechtspopulisten bekennen sich offen als Demokraten, hetzen oft gegen Minderheiten und bieten führerorientiert einfache Lösungen für schwierige Themen an. Oft betonen sie auch ihre deutliche Distanz zur
"herrschenden Politikerkaste" und gerieren sich selbst als einzige Alternative zum
Abbildung 1 Phänomenbereiche des Rechtsextremismus (eigene Darstellung)
herrschenden System. Der äußerste Ring umfasst mit der Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit die Unterstützungskultur des Rechtsextremismus. GMF ist kein Spezifikum des politischen Randes, sondern mitten in der Gesellschaft verankert (vgl. Zick/Küpper 2006). Alle Bereiche eint die Vorstellung von der Ungleichwertigkeit der Menschen (vgl. Heitmeyer 2008). Differenzen gibt es bei der Gewaltanwendung und dem Verhältnis zur Demokratie.