Die Entwicklung der "alten" NPD

Zu diesem Zweck soll hier die Entwicklung der "alten" und der "neuen" NPD über ein einheitliches Analyseraster dargestellt und eingeschätzt werden. Mit der erstgenannten Formulierung ist fortan die Partei in den 1960er Jahren, letztendlich aber bis 1996 gemeint (vgl. Fascher 1994: 27–72; Hoffmann 1999: 74–273; Kühnl et al. 1969; Maier 1967; Schmollinger 1984). Die Bezeichnung "neue" NPD bezieht sich dementsprechend auf den Zeitraum ab 1996 (vgl. Backes/Steglich 2007; Bergsdorf 2007; Brandstetter 2006; Pfahl-Traughber 1999; Staud 2005). Im Einzelnen soll es um die lagerinternen Prozesse hin zur Entstehung der "alten" und "neuen" NPD, um die organisatorische Entwicklung der Partei, ihre ideologische Ausrichtung und politische Programmatik, die Mitgliederentwicklung und -zusammensetzung und die Wählerentwicklung und -zusammensetzung gehen. Dem folgen dann im Schlusswort bilanzierende analytische Betrachtungen zu Ideologie, Organisation und Strategie sowie zur gesellschaftlichen Verankerung und öffentlichen Wahrnehmung.

Die Gründung der NPD als Sammelpartei der extremistischen Rechten

Anfang der 1960er Jahre stand es aus Sicht seiner Anhänger schlecht um den parteipolitischen Rechtsextremismus in der Bundesrepublik Deutschland. Zwar existierten bereits zur Gründungszeit des neuen Staates gleich vier rechtsextremistische Parteien, zwei mit bundesweitem Anspruch in Form der "Deutschen Konservativen Partei – Deutschen Rechtspartei" (DKP-DRP) und der "Sozialistischen Reichspartei" (SRP) und zwei mit regionalem Anspruch in Gestalt der "Nationaldemokratischen Partei"

(NDP) in Hessen und der "Wirtschaftlichen Aufbau-Vereinigung" (WAV) in Bayern. Bei Wahlen konnten sie aber keine Erfolge erzielen, sieht man einmal von der SRP ab. Sie erhielt 1951 bei den Landtagswahlen in Niedersachen 11 Prozent und bei den Wahlen zur Bremer Bürgerschaft 7,7 Prozent der Stimmen. Aufgrund ihrer Ablehnung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung und Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus wurde die SRP aber nach einem Antrag der Bundesregierung 1952 durch das Bundesverfassungsgericht verboten.

Bereits zuvor entstand 1950 die "Deutsche Reichspartei" (DRP) als Fusion des niedersächsischen Landesverbandes der DKP-DRP und der hessischen NDP. Als eine eher traditionell autoritär-konservativ geprägte Partei erhielt sie durch die Zugänge ehemaliger SRP-Aktivisten einen nationalsozialistisch orientierten Flügel, der zwar bedeutsam, aber nicht vorherrschend wurde. Bei Wahlen konnte die DRP nicht an die Erfolge der SRP anknüpfen: Bei den Bundestagswahlen 1953 erhielt sie lediglich 1,1 Prozent der Stimmen, ein Anteil, der bis 1961 sogar auf 0,8 Prozent zurückging. Zwar bildete die DRP als Partei die dominierende Kraft im Rechtsextremismus, spielte aber als Wahlpartei mit einer solch geringen Zustimmung keine Rolle. Darüber hinaus waren die organisierten Kräfte in diesem politischen Lager nicht gebündelt, sondern in Parteien und Vereine mit unterschiedlicher Schwerpunktsetzung zersplittert. Dies führte nicht nur zur Aufspaltung der vorhandenen Anhängerschaft, sondern auch der potentiellen Wählerschaft.

Anfang der 1960er Jahre setzte sich im rechtsextremistischen Lager zunehmend die Einsicht durch, dass man um der beabsichtigten Wahlerfolge willen, die Kräfte bündeln müsste. Vorantreibende Kraft dieser Entwicklung war der zwischenzeitlich zum DRP-Vorsitzenden aufgestiegene Adolf von Thadden, der an die Erfahrungen eines relativen Erfolgs bei den Wahlen zur Bremer Bürgerschaft 1963 anknüpfen wollte (vgl. Jesse 1990): Dort hatte eine gemeinsame Liste von DRP und "Deutscher Partei" (DP) mit 5,2 Prozent der Stimmen knapp den Einzug in das Parlament geschafft. Als Folge der bündnispolitischen und organisatorischen Entwicklung im rechtsextremistischen Lager kam es ein Jahr später, am 28. November 1964, zur Gründung der NPD. In ihr versammelten sich fortan frühere Mitglieder anderer rechtsextremistischer Parteien, wobei aber die Führungskräfte der DRP überwogen. Gleichwohl handelte es sich um eine Sammelpartei zur Konzentration der Kräfte. Damit war eine wichtige lagerinterne Voraussetzung für die kommenden Wahlerfolge entstanden.

 
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