Die Entwicklungsgeschichte der Partei in den 1960er Jahren

Aufgrund der starken Dominanz von DRP-Funktionsträgern und -Mitgliedern mag verwundern, warum nicht deren Vorsitzender von Thadden, sondern Friedrich Thielen erster Bundesvorsitzender der NPD wurde. Dafür gab es einen strategischen Grund: Im öffentlichen Agieren bemühte sich die neue Partei darum, vom Ruf einer ideologischen Nachfolgeorganisation der NSDAP weg zu kommen. So vermied die NPD etwa im Unterschied zu ihren Vorläuferorganisationen aggressive Forderungen und bekannte sich formal zu "Demokratie" und "Rechtsstaatlichkeit" – allerdings in einer anderen Form, als diese Prinzipien dem demokratischen Verfassungsstaat eigen sind. Dies diente ebenso wie die verbale Bejahung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung nicht nur dazu, einem möglichen Verbotsverfahren keine Anknüpfungspunkte zu geben. Darüber hinaus bemühte man sich um ein bürgerliches, konservatives und seriöses Image, wofür das ehemalige CDU-Mitglied Thielen mehr als das frühere DKP-DRPund DRP-Mitglied von Thadden stand.

Hiermit hatte die Partei eine weitere wichtige Lehre für ihre strategische Ausrichtung gezogen: In einer von der Bevölkerung zunehmend akzeptierten Staatsform der parlamentarischen Demokratie und des liberalen Rechtsstaates verschreckt eine sich offen extremistisch und verfassungsfeindlich gebende Partei weite Teile der Öffentlichkeit und Wählerschaft. Nur mit einem gemäßigten Image und einem legalistischen Kurs kann breiter in die Gesellschaft hineingewirkt und Sympathie mobilisiert werden. Gleichwohl führt diese strategische Ausrichtung in der Regel auch zu innerparteilichen Konflikten: Die gemäßigten Kräfte fühlen sich instrumentalisiert und marginalisiert, die radikaleren Strömungen wollen sich deutlicher artikulieren und positionieren. Daher kam es in der NPD intern immer wieder zu heftigen Konflikten um die richtige Linie. In der Folge einer solchen Auseinandersetzung, die aber auch einen machtpolitischen und persönlichen Charakter hatte, trat Thielen im Sommer 1967 aus der Partei aus und überließ von Thadden das Amt des Vorsitzenden.

Da er schon seit Gründung der NPD eine Art "Vorsitzender im Hintergrund" war, verlief dieser Wechsel an der Spitze relativ reibungslos. Von Thadden bemühte sich fortan um eine straffe Führung der NPD und fand dafür aufgrund seines hohen Ansehens in der Partei großen Rückhalt. Die Parteitage plante die NPD-Führung ohnehin so, dass sie nur zur Legitimation des offiziellen Kurses und nicht zur Diskussion kontroverser Fragen genutzt wurden. Bei Personalfragen konnte sich aber auch von Thadden nicht immer durchsetzen. Trotz der erwähnten ständigen, inneren Auseinandersetzungen, welche die Partei in ihrer Arbeit und Außenwirkung teilweise lähmte, wuchs die Mitgliedschaft binnen kurzer Zeit enorm an. Damit war auch genügend Personal vorhanden, um in den einzelnen Bundesländern funktionsfähige Organisationsstrukturen aufzubauen. Diese ermöglichten einen engagierten Wahlkampf, dem zwischen 1966 und 1968 der regelmäßige Sprung in den jeweiligen Landtag folgte. Die NPD erweckte so den Eindruck, dass sie sich als Wahlpartei etabliert habe.

 
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