Artikulation, Urteil und Kritik
Jede vorläufige Erklärung eines Policy-Problems wird eine Vielzahl von Logiken, sei es sozial, politisch oder phantasmatisch, beinhalten, die zusammengefügt werden müssen, um unter bestimmten Umständen ein problematisches Phänomen einleuchtend erscheinen zu lassen. In diesem Zusammenhang betonen die poststrukturalistischen Autorinnen und Autoren das Konzept der Artikulation als eine Praxis, die eine Beziehung zwischen Elementen herstellt, wobei diese ihre Identität ändern (Howarth und Griggs 2012, S. 335). Die Herausforderung für kritische Policy-Forschung besteht danach darin, das Ausmaß von Inklusion und Exklusion in Policy-Prozessen zu evaluieren sowie die Formen der Antagonismen, die diese Muster strukturieren (Howarth und Griggs 2012, S. 337). Eine ethische Kritik erfordert eine detaillierte Analyse der Fantasien, die sozialen und politischen Praktiken zugrunde liegen, und wie diese phantasmatischen Objekte destabilisiert werden können. Im Gegensatz dazu geht es bei Fragen der Normativität um die konkreten Dominanzbeziehungen, in denen sich Subjekte befinden. Das oberstes Ziel besteht darin, soziale Beziehungen als Dominanzverhältnisse zu entlarven, die im Namen alternativer Werte oder Prinzipien herausgefordert werden können (Glynos et al. 2009, S. 13). Dabei kritisieren sie an hermeneutischen Ansätzen, dass diese die Rolle des Politischen in der Konstitution von Bedeutung unterschätzten. Als Poststrukturalisten glauben sie – anders als Vertreterinnen und Vertreter einer deliberativen Policy-Analyse (siehe 3.10) – nicht an die Möglichkeit, Antagonismen durch Verhandlung und Dialog auszuräumen. Der Policy-Prozess wird unweigerlich Grenzen zwischen verschiedenen Gruppen und deren Forderungen ziehen, ebenso wie die Formierung von Policy-Regimen, verstanden als Schauplätze für politische Kontroversen, auf Mustern des Ausschlusses beruht, da widerstreitende Gruppen versuchen, ihre Partikularinteressen zu universalisieren und hegemonial werden zu lassen.
Kritik
Den Arbeiten der Essex School ist ein übersteigertes Niveau der Abstraktheit und Universalisierung vorgehalten worden (Nonhoff 2007: 15). Viele Arbeiten sind oft eher theoretisch, nutzen die Empirie lediglich, um die Theorie zu illustrieren und vernachlässigen dabei methodologische Fragen (Torfing 2005, S. 26). Diese Kritik zielt vor allem auf die älteren Texte von Laclau und Mouffe, während sich die jüngere Generation der Vertreterinnen und Vertreter wie David Howarth eher um eine empirische Anwendung bemühen. Erst in jüngerer Zeit vollzieht sich damit auch eine Öffnung für empirische Policy-Forschung.
Um die theoretischen Überlegungen für die empirische Arbeit fruchtbar zu machen, wird auf eine Reihe unterschiedlicher Techniken verwandter Zugänge verwiesen, solange diese die ontologische Verpflichtung der Diskurstheorie teilen. Hierzu gehören etwa die Rhetorische Diskursanalyse und die Critical Discourse Analysis (CDA; siehe Abschn. 3.4.4) (Howarth und Griggs 2012, S. 331–332). Letzteres ist insofern überraschend, als die CDA von Laclau und Mouffe für deren implizit naturalistische Ontologie gescholten wird, wonach der Diskurs durch außerdiskursive Mächte der Wirtschaft oder des Staates determiniert sei. Zudem bestehen von Seiten der Essex School große Vorbehalte gegenüber der Bezugnahme des CDA-Begründers Norman Fairclough auf Giddens und dessen Betonung von menschlichem Handeln und Reflexivität. Wenn es allerdings um die konkrete Analyse geht, sind die Unterschiede ausgesprochen gering (Torfing 2005, S. 9).
Ein weiterer Kritikpunkt an dieser Diskurstheorie lautet, sie sei nihilistisch und relativistisch: Wenn alles konstruiert sei, könnten bestimmte Aussagen nicht mit dem Verweis auf das Gute und Wahre gerechtfertigt oder hinterfragt werden. Torfing (2005, S. 18) als ein Vertreter der Diskurstheorie bestreitet dies, denn die Forscherinnen und Forscher selbst seien immer Teil eines bestimmten Diskurses, der ihnen bestimmte Werte, Standards und Kriterien an die Hand gibt, um etwas als richtig oder falsch, gut oder schlecht, wahr oder unwahr zu bewerten. Emanzipatorische Werte würden nicht verworfen, da sie Teil der politischen Kultur, des Diskurses seien. Kritik sollte nicht so verstanden werden, einen aktuellen Zustand gegenüber einem etablierten Maßstab zu messen, sondern die Schließung zu dekonstruieren, die bestimmte Diskurse transportieren wollen (Torfing 2005, S. 20). Ideologie werde nicht als verzerrende Darstellung einer objektiv gegebenen Realität verstanden, denn Realität ist nach ihrem Verständnis immer konstruiert. Ideologie ist aber insofern verzerrend, als sie die Unentscheidbarkeit sozialer Identität verschleiert und einen Horizont aufspannt, der den kontingenten, prekären und paradoxen Charakter sozialer Identität verdeckt (Torfing 2005, S. 15).