H. Parlamentarische Debatte um die Bundespolizei
Nachdem der Bundesregierung die Ergebnisse der New Yorker Außenministerkonferenz bekannt geworden waren, versuchte diese, die Errichtung der genehmigten mobilen Polizeiformationen auf Länderebene weiter voranzutreiben869, ohne jedoch die Länder und die SPD-Opposition im Bundestag abschließend und umfassend über die Haltung der Alliierten und die weitere Vorgehensweise in Bezug auf eine Bundespolizei zu unterrichten. Der Gedanke einer Bundespolizei wurde auch nach der ablehnenden Note der AHK von der Bundesregierung nicht abschließend aufgegeben870.
Selbst in der Presse waren vereinzelte Meldungen erschienen, die von der Aufstellung einer Bundespolizei wissen wollten871. Das Land Bayern872 wie auch die SPD-Fraktion873 im Bundestag, beklagten sich über diese, in ihren Augen undurchsichtige Informationspolitik der Bundesregierung in Bezug auf die Bundespolizei. Adenauer missbilligte zwar die Berichterstattung und wies in einer Kabinettssitzung darauf hin, dass solche Pressemeldungen geeignet seien
„Beunruhigungen im Inund Auslande hervorzurufen“874, konnte jedoch nicht
mehr verhindern, dass die SPD-Fraktion eine offizielle Interpellation875 zur Bundespolizei einbrachte, welche am 7. November 1950 zusammen mit zwei weiteren Anträgen876 der SPD zur ersten Bundespolizeidebatte im deutschen Bundestag führte. In der Interpellation warf die SPD der Bundesregierung vor, seit Monaten die deutsche Öffentlichkeit „durch einander widersprechenden Verlautbarungen über die Polizei […] und durch nichtdementierte Zeitungsmeldungen“ zu beunruhigen877. Ferner waren mehrere Fragen, vorwiegend finanzieller und organisatorischer Natur, bezüglich der Tätigkeit der Bundesregierung in der Polizeifrage enthalten.
Walter Menzel (SPD) eröffnete die Debatte im Plenum und erhob sogleich Vorwürfe gegen die Bundesregierung in Sachen des Polizeiaufbaus. Die Bundesregierung müsse „endlich Farbe bekennen“, was sie auf dem Gebiet der Polizei vorhabe878. Weiterhin kritisierte er, dass die Frage der inneren Sicherheit so „unglücklich mit dem Problem der Remilitarisierung“ verknüpft sei879. Menzel nahm ebenso Bezug auf den Parlamentarischen Rat und erklärte, dass die SPD in „die Verfassung zugunsten des Bundes die Chance einbauen wollte“ über „gewisse polizeiliche Exekutivrechte“ zu verfügen880. Tatsächlich hatte Menzel, der Mitglied des Parlamentarischen Rates gewesen war, sich im Ausschuss für Zuständigkeitsabgrenzung für eine „Bundesexekutivreserve“ eingesetzt, deren verfassungsrechtliche Grundlage seinem Vorschlag zufolge in die Vorranggesetzgebung aufgenommen werden sollte881. Der CSU-Abgeordnete Laforet hatte im Ausschuss maßgeblich eine Gegenposition vertreten, die sich abschließend durchgesetzt hatte. Laforet führte damals aus, dass „die Verwaltung, das Verwaltungsrecht und die Polizei Ländersache“ seien und er dringend davor warne „diesen Belastungspunkt in unser Recht“ zu bringen882.
Folglich hatte sich der Verfassungsgeber dafür entschieden, dass der Bund „nur“ die Möglichkeit des Zugriffs auf Landespolizeikräfte hat, aber keine eigenen Polizeikräfte errichten kann. Dies wollte die SPD mit ihrem Antrag ändern. Gemäß dem eingebrachten Antrag, der inhaltlich an Menzels Forderungen im Ausschuss für Zuständigkeitsabgrenzung angelehnt ist, sollte der Bund im Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebung die Möglichkeit erhalten „die Einstellung, Beförderung, Ausbildung, Versorgung, Ausrüstung und Bewaffnung der Polizeiexekutivbeamten“ zu regeln883. In Art. 87 GG sollte ein neuer Absatz eingefügt werden, der die Länder auf Anforderung des Bundesinnenministers verpflichtet hätte, ein „Zehntel ihrer Polizeiexekutivkräfte nach Maßgabe eines besonderen Bundesgesetzes zur Verfügung des Bundes zu halten“884.