Aktuelle Entwicklungen der NPD
Betrachtet man bilanzierend die Entwicklung der NPD in den letzten Jahren, so lassen sich keine grundlegenden Änderungen in den Bereichen Extremismusintensität, Ideologie, Organisation, Strategie und Wirkung (vgl. Pfahl-Traughber 2012) ausmachen. Die einzige Neuerung, die allerdings auch nicht von einem Erfolg bezüglich der Resonanz bei Wahlen geprägt war, kann man in der Ausrichtung der Partei auf eine
"Seriöse Radikalität" sehen. Die Formulierung geht auf den vormaligen Parteivorsitzenden Holger Apfel zurück, erhoffte er sich doch, durch die formale Mäßigung in Auftreten und Positionierung stärker in die breitere Bevölkerung hinein wirken zu können. Betrachtet man indessen die einschlägigen Wahlergebnisse, auch und insbesondere in den Hochburgen in den ostdeutschen Ländern, so kann hier gerade nicht von einer erfolgreichen Entwicklung ausgegangen werden. Zwar ist die NPD die mit Abstand bedeutendste Partei im rechtsextremistischen Lager, hinsichtlich der Mitgliederzahlen lässt sich aber eher ein Rückgang konstatieren.
Um diese allgemeinen Feststellungen zu belegen, sei hier auf bestimmte Entwicklungen im Detail verwiesen. Bezogen auf die Extremismusintensität und Ideologie verdient zunächst der Blick in das neue Parteiprogramm von 2010 inhaltliches Interesse: In der Substanz enthält es keine Änderungen zu dem vorherigen Parteiprogramm von 1996. So heißt es etwa: "Die Würde des Menschen als soziales Wesen verwirklicht sich vor allem in der Volksgemeinschaft." (NPD 2010: 6), wonach der Einzelne seine Anerkennung nur durch das Kollektiv enthalten kann. Man fordert darüber hinaus etwa: "Ausländer sind aus dem deutschen Sozialversicherungswesen auszugliedern" (NPD 2010: 11) und setzt sich dabei schlicht über rechtliche Ansprüche auch von Menschen mit Migrationshintergrund hinweg. Gleichzeitig meint die Partei: "Integration ist gleichbedeutend mit Völkermord" (NPD 2010: 13), womit sie begrifflich die moderne Ausländerpolitik mit systematischen Massenmorden identifiziert. In anderen offiziellen Papieren äußert sich die NPD sogar noch deutlicher.
Darüber können auch nicht die Forderungen des 2013 zurückgetretenen Parteivorsitzenden Apfel nach der erwähnten "Seriösen Radikalität" hinwegtäuschen. Er hatte sich 2011 nach einer Kampfabstimmung gegen den langjährigen Vorsitzenden auf dem Parteitag durchgesetzt, womit die Ära der "NPD unter Udo Voigt" (Brandstetter 2013) als abgeschlossener Prozess anzusehen war. In einem programmatischen Text in der Parteizeitung "Deutsche Stimme" erläuterte Apfel zu dieser Bezeichnung:
"Unsere Wortwahl muss sich stärker an unseren Zielgruppen orientieren … Wir neigen noch zu häufig zu Szene-Rhetorik, die der normale Landsmann nicht versteht und zu ziellosem Verbalradikalismus, der potentielle Wähler verschreckt." Die damit einhergehende Forderung nach einer formalen Anpassung sollte aber nach Apfel nicht mit einer inhaltlichen Anpassung einhergehen. Denn man wolle weiterhin
"ohne ständige Vergangenheitsbezüge Klartext … reden und systemüberwindende Lösungsvorschläge … erarbeiten" (Apfel 2011).
In diesen Ausführungen artikulierte sich die Erkenntnis, dass eine rechtsextremistische Partei in einer doch weitgehend gefestigten Demokratie nur mit formaler Mäßigung in der politischen Agitation und mit inhaltlicher Thematisierung von tagesaktuellen Problemen längerfristig Erfolg bei Wahlen haben kann. Dies veranschaulicht zumindest der Blick auf einschlägige Entwicklungen in vielen europäischen Ländern, wo eben Parteien des gemäßigten Extremismus wie die "alte" NPD und nicht Parteien des harten Extremismus wie die "neue" NPD bedeutendere Anteile der Wählerschaft für sich mobilisieren können. Apfel ging dabei sogar so weit, dass er in einem Interview behauptete: " … die NPD steht fest auf dem Boden des Grundgesetzes und bekennt sich zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung" (Apfel 2012). Angesichts der früheren Aussagen des Parteivorsitzenden und den programmatischen Positionen der NPD können solche Statements nur als taktisch motivierte "Lippenbekenntnisse" auch in Lichte der Debatte um ein Partei-Verbot gelten.
Die damit einhergehende Entwicklung führte indessen nicht zu einem Aufschwung in der Mitgliederentwicklung der Partei. Ganz im Gegenteil kann von einem kontinuierlichen Rückgang ausgegangen werden: 2009 gehörten 6 800, 2010 6 600, 2011 6 300, 2012 6 000 und 2013 5 500 Personen der NPD an. Berücksichtigt man darüber hinaus noch, dass ab 2010 stärker ehemalige Mitglieder der "Deutschen Volksunion" (DVU) in die Partei eintraten, so muss dieser Prozess als ausgesprochene Krisenentwicklung interpretiert werden. 2012 entstand mit der Partei "Die Rechte" auch eine Konkurrenz im eigenen politischen Lager, wobei ihr im Gründungsjahr lediglich 150 Personen angehörten. Demnach lässt sich der Rückgang der NPD-Mitgliedschaft auch nicht durch Hinwendungen zu der neuen Partei erklären. Ohnehin setzt sie sich aus früheren Mitgliedern der DVU und Neonazis verbotener "Kameradschaften" zusammen. Gleichwohl blieb die NPD die nicht nur hinsichtlich des Mitgliederpotentials mit Abstand bedeutendste Partei im rechtsextremistischen Lager.
Bei Wahlen gelangen ihr indessen keine entscheidenden Erfolge mehr. Als Ausnahmen können die erneuten Einzüge in die Landtage von Sachsen 2009 mit 5,6 Prozent (2004: 9,2 Prozent) und Mecklenburg-Vorpommern 2011 mit 6,0 Prozent (2006: 7,3 Prozent) der Stimmen gelten. Dabei musste die Partei aber erhebliche Stimmverluste hinnehmen. Indessen gelang es ihr erstmals in ihrer Geschichte, erneut in einen Landtag mit einer Fraktion einzuziehen. Bei den Landtagswahlen 2015 in Sachsen scheiterte die Partei mit 4,9 Prozent allerdings – mit 809 fehlenden Stimmen – dramatisch knapp an der 5-Prozent Hürde.
Dennoch deuten die Werte auf die Existenz eines Stammwähler-Potentials in den neuen Bundesländern hin. Auch wenn man dort nicht in weitere Parlamente einziehen konnte, verbuchte die Partei durchaus relativ hohe Zustimmungswerte. Dafür steht etwa das Ergebnis von 2,5 Prozent bei den Landtagswahlen in Brandenburg 2009 und von 4,6 Prozent bei den Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt 2011. Indessen ging es der NPD jeweils um den Einzug in das Parlament und die damit einhergehende Entwicklung hin zu einer Etablierung als Wahlpartei. Gerade hier verzeichnete man aber erhebliche Rückschläge.
Dies gilt in noch weitaus höherem Maße für die westdeutschen Länder, wo die NPD nicht nur in keinen einzigen Landtag einziehen konnte. Bei entsprechenden Wahlen bewegt man sich allenfalls knapp über ein Prozent der Stimmen. Exemplarisch seien hier einige Ergebnisse zur Veranschaulichung genannt: 2011 in Hamburg 0,9, in Baden-Württemberg 0,9 und in Bremen 1,6 Prozent, 2012 im Saarland 1,2, in Schleswig-Holstein 0,7 und in Nordrhein-Westfalen 0,5 Prozent, 2013 in Niedersachsen mit 0,8, in Bayern mit 0,6 und in Hessen mit 1,1 Prozent. Meist lagen die Werte somit unter einem Prozent, was für die NPD angesichts der dadurch ausbleibenden staatlichen Teilfinanzierung von Parteien bei Landtagswahlen nicht nur politisch von negativer Bedeutung war und ist. Die referierten Ergebnisse machen deutlich, dass die NPD meist das doppelte, dreioder mehrfache Stimmenpotential im Osten mobilisieren kann. Insofern änderte sich auch nichts an einschlägigen Schwerpunkten für das Wahlverhalten. In der Gesamtschau ist man demnach dem Ziel, regelmäßig in die Parlamente einzuziehen, noch weniger nahe wie noch in den 2000er Jahren.
Auch allgemein kann von einem Bedeutungsverlust der NPD gesprochen werden. Dies gilt für ihre Außenwirkung wie ihren Binnenstatus: Die Ergebnisse bei Wahlen machen in Ost wie West eine sinkende Tendenz deutlich. Demnach geht auch die gesellschaftliche Akzeptanz der Partei zurück. Innerhalb des rechtsextremistischen Lagers konnte man kaum von dem Niedergang anderer Kräfte wie etwa der DVU profitieren. Während etwa in den letzten Jahren das Potential der Neonazis kontinuierlich anstieg, sank ebenso regelmäßig die Mitgliederzahl der NPD. Der mittlerweile von Udo Pastörs und seit November 2014 von Frank Franz beerbte Parteivorsitzende Holger Apfel gab zwar mit dem Konzept der "Seriösen Radikalität" eine neue strategische Linie vor, sie fand aber weder in der Partei noch bei den Wählern breitere Akzeptanz. Insofern besteht in der NPD auch eine gewisse Orientierungslosigkeit. Gleichwohl darf ihre Bedeutung als wichtigste Einzelorganisation im Rechtsextremismus nicht ignoriert werden. Immerhin gibt es ein einschlägiges Einstellungspotential in der Bevölkerung, das die Partei nur nicht mobilisieren kann (vgl. PfahlTraughber 2012).