Geschichte und Hintergrund des Säulenkonzepts

Die Entstehung des Säulenkonzepts ist eng mit der Person Udo Voigt (Jahrgang 1952) verbunden [1], welcher 1996 den NPD-Vorsitz übernahm. Sein erfolgloser Vorgänger Günther Deckert hatte die Partei auf magere 2800 Mitglieder und in die parlamentarische Bedeutungslosigkeit manövriert. Unter Voigt wandelte sich die NPD "von einer überwiegend deutschnationalen, eher systemkonform agierenden zu einer neonazistischen, systemfeindlichen Partei" (Stöss 2010: 120). Waren unter Deckert klassische rechtsextreme Themen wie Revisionismus Hauptagitationsfeld der NPD, rückten nun die Themen soziale Frage, Arbeitslosigkeit, Globalisierung und Kapitalismuskritik stärker in den Vordergrund. Gleichzeitig wurde der Schwerpunkt der Organisierungsbemühungen deutlich nach Ostdeutschland verlegt. Damit einher ging eine (schon unter Deckert eingeläutete) Öffnung hin zu militanten Neonazis, die oftmals schon in Kleinorganisationen aktiv waren, von denen viele ab 1992 verboten worden waren oder sich aufgelöst hatten. [2] Parallel zu diesen Entwicklungen wurde die NPD strategisch von einer reinen Wahlpartei hin zu einer Bewegungspartei umgepolt: "Die Reduzierung der strategischen und taktischen Maßnahmen der Partei auf Aspekte, die unmittelbar mit Wahlen zusammenhängen, greift […] zu kurz." Es galt fortan, auch "eine nationale außerparlamentarische Opposition zu organisieren, die unabhängig von den Regeln eines parlamentarischen Systems das Bewusstsein neuer künftiger Führungseliten prägt" (Parteivorstand der NPD 2002: 25). Wahlzyklen seien ein zu kurzfristiger Bezugsrahmen, wenn man "langfristig inhaltlich und bewusstseinsverändernd […] wirken" wolle (Parteivorstand der NPD 2002: 6).

In den Jahren 1996 und 1997 erarbeitete eine Strategiekommission der NPD ein Papier mit dem Titel "Das strategische Konzept der NPD" in welcher sie das Dreisäulenmodell mit den Bestandteilen "Kampf um die Straße", "Kampf um die Parlamente" und "Kampf um die Köpfe" darlegte. Beim 27. Bundesparteitag 1998 in Stavenhagen (Mecklenburg-Vorpommern) wurde das Säulenkonzept als verbindliche Richtlinie für die Parteiarbeit installiert. Selbstkritisch merkte die Partei 2002 in einer Zwischenbilanz an, dass die neue Strategie "bislang nur im ›Kampf um die Straße‹ erfolgreich umgesetzt" werden konnte (Parteivorstand der NPD 2002: 25). Beim 30. Bundesparteitag in Leinefelde (Thüringen) im Oktober 2004 – wenige Wochen nach dem 9,2-Prozent-Erfolg bei den Landtagswahlen in Sachsen – wurde das Säulenmodell um den "Kampf um den organisierten Willen" zu einem Viersäulenkonzept erweitert.

Bezeichnend ist, wie sehr sich die NPD unter dem ehemaligen BundeswehrHauptmann Udo Voigt mit dem Säulenkonzept in ihrer Strategie an einer militärischen Logik ausgerichtet hat. Allgemein ist es im Rechtsextremismus weit verbreitet, das Leben als Kampf zu betrachten und sozialdarwinistisch das "Recht des Stärkeren" zu affirmieren. Allein die Benennung der einzelnen Säulen als "Kämpfe" deutet bereits darauf hin, dass die NPD ein kämpferisch-militärisches Verständnis von ihrer Arbeit hat. Darüber hinausgehend: Wenn die Partei sich zu ihrer Strategie äußert, ist es insbesondere der preußische Militärtheoretiker Carl von Clausewitz, der als Referenz herangezogen wird (vgl. beispielsweise Parteivorstand der NPD 2002: 8 ff.; Parteivorstand der NPD 1999: 358; NPD 2008: 3). Clausewitz dient dabei nicht nur als Inspiration für politische Strategie und Taktik, wie es in der politischen Theorie durchaus verbreitet ist. In der wuchtigen NPD-Rhetorik ist Krieg nicht nur Mittel zur Durchsetzung von politischen Interessen, sondern die Politik selbst wird als Krieg konzeptionalisiert. "Der Krieg ist eine Abfolge von Gefechten […] Taktik ist die Lehre vom Gebrauch der Mittel zum Gefecht […] Die Strategie ist die Lehre vom Gebrauch der Gefechte im Krieg", zitiert die NPD Clausewitz, um dann anzufügen:

"Dies muss umgesetzt werden in der Politik." (Parteivorstand der NPD 2002: 9) Die Parteistrategie ist gänzlich im Clausewitz'schen Schlachten-Schema verfangen:

"›Vernichtung der feindlichen Streitkräfte ist der Zweck aller Gefechte‹, heißt es bei Clausewitz. Für uns übersetzt heißt dies: Der Verlust von Mitgliedern, Anhängern und Mandatsträgern [bei anderen Parteien, C. S.] sowie deren eigener Gewinn ist der Zweck aller Kampagnen" (Parteivorstand der NPD 2002: 10).

  • [1] Auch Voigt stellt in einer 2013 veröffentlichten politischen Autobiographie die Säulenstrategie als Projekt dar, welches er persönlich "durchgesetzt" habe (Voigt 2013: 199).
  • [2] Aus dieser Öffnung und der darauf folgenden Eintrittswelle sind beispielsweise Frank Schwerdt (bis 1997: "Die Nationalen e. V.", jetzt Vize-NPD-Bundesvorsitzender, Leiter vom "Amt Recht") und Jens Pühse (bis 1992 "Nationalistische Front", jetzt NPD-Bundesgeschäftsführer") weiterhin in exponierter Position für die NPD tätig.
 
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