Die Forschungslogik der Grounded Theory

Vor dem Hintergrund der Zielsetzung und Logik der GT-Forschung ist es daher interessant, wie die klassische Trias der Gütekriterien der Reliabilität, Repräsentativität und Validität nach dem Ansatz von Strauss & Corbin (1998) auslegt werden. Strübing fasst in seinem Buch über die GT die klassischen Gütekriterien neu zusammen.

Der Begriff der Reliabilität ist hier im ursprünglichen Sinne nur bedingt als existentes Gütekriterium anwendbar. Sie wird nach der Zielsetzung von Strauss

& Corbin neu definiert, „da eine buchstäbliche Wiederholbarkeit der Studie mit identischen Ergebnissen faktisch ausscheidet, weil die Herstellung identischer Ausgangsbedingungen für die erneute Untersuchung nicht zu leisten sei“ (Strübing, 2008, S. 81). Durch diese Prämisse steht sowohl die Idee der Prozesshaftigkeit der sozialen Wirklichkeit als auch die der Theorien im Vordergrund.

„Verifiziert sind bei Strauss solche Theorien, die vorläufig noch nicht falsifiziert wurden“ (a.a.O., S. 82). Die GT basiert auf einem sensiblen Verständnis einer Theoriebildung, die eben nicht als Ziel besitzt, repräsentativ für eine breite Population zu stehen, sondern vielmehr eine in die Horizontale aufgebaute Theoriebildung vorsieht, die aus möglichst vielen unterschiedlichen Kontext-Konstellationen empirisch gesättigte Aussagen zu einem Phänomen zulässt (vgl. a.a.O.). Hierbei sollten Bedingungen, Aktionen und Interaktionen sowie auch Konsequenzen zum Phänomen erfasst werden. Die Verifizierbarkeit geschieht hier über das Heranziehen von möglichst vielen Typen von Konstellationen, die eine Theorie stützen. Da beim offenen Kodieren bereits der Überprüfungsprozess beginnt, wird auch die entstandene Theorie zu einem späteren Zeitpunkt nicht falsifiziert. Dieses wirkt sich folglich auch automatisch auf das Repräsentativitätsverständnis aus. Hierzu fügt Strübing an, dass das theoretische Sampling dafür ausschlaggebend ist (Kapitel 5.3). Durch die Auswahlentscheidungen des theoretischen Samplings wird ein theoretisches Konzept erstellt, welches zum Ziel hat, empirisch gesättigte Aussagen über Bedingungen, Ursachen, Aktionen sowie Konsequenzen in möglichst vielen unterschiedlichen Kontexten zuzulassen (vgl. a.a.O. S. 82f). Auch der Begriff der Validität existiert in Bezug auf die GT unter einem anderen Grundverständnis, das aus der Prozesshaftigkeit des Analyseverfahrens der Methode hervorgeht. Die stetige Überprüfung durch das axiale und selektive Kodieren führt bereits im Theoriebildungsprozess dazu, dass eine interne Güteprüfung geschieht (vgl. a.a.O.). Strübing führt weiter an, dass auch der Begriff der Objektivität hier vor einem anderen Grundsatz zu verstehen ist. So gilt es nicht, wie üblich, eine Unabhängigkeit von Messinstrument und seinen Werten, sondern vielmehr ein „perspektivgebundenes Wissen“ zu gewinnen (vgl. a.a.O.). Daher ist es auch nicht das Ziel, eine Validität herzustellen, die alle Interpreten zu gleichen Schlüssen kommen lässt. Die GT lädt mit diesem Verständnis von Validität dank ihrer Konzeption und internen Güteprüfung im Forschungsprozess vielmehr zu einer weiteren empirisch zu überprüfenden Theorieentwicklung ein.

 
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