Indonesien
Historische Entwicklung und aktuelle Herausforderungen
Nachdem bereits die Portugiesen und Spanier im 16. Jahrhundert auf einigen der östlichen Inseln Stützpunkte errichtet hatten, erreichten die Niederländer den indonesischen Archipel 1595. Nach der Schaffung der ersten Handelsniederlassung in Banten (1603) und der Eroberung Ambons auf den Molukken (1605) verlagerte die Vereinigte Ostindien-Kompanie (Vereenigde Oostindische Compagnie, VOC) 1619 ihr Hauptquartier nach Batavia, dem späteren Jakarta. Von dort aus band die VOC durch Verträge örtliche Herrscher auf den Molukken (1646) und in Süd-Sulawesi (1669) an sich und drang schließlich nach Zentraljava vor. Die Niederländer benötigten zur Übernahme lokaler Handelsnetzwerke nicht nur Zugang zu den „Gewürzinseln“ im Osten der Inseln, sondern auch Basen zum Anschluss an das südostasiatische Handelsschifffahrtsnetzwerk zwischen den Straßen von Malakka und Sunda. Da die regierenden Herrscher auf Java, Sumatra, Bali, Lombok und Sulawesi über beachtliche militärische Mittel verfügten, unternahm die VOC kaum Expeditionen ins Hinterland der von ihr besetzten Küstenstädte, sondern bildete meist Allianzen mit lokalen Herrschern (Taylor 2004, S. 198 f.).
Nach der Auflösung der VOC 1799 übernahm die niederländische Regierung die Kontrolle über die Kolonie. Nach einer kurzen Interimsverwaltung der Inseln durch Großbritannien während der napoleonischen Kriege einigten sich die Kolonialmächte im Britisch-Niederländischen Vertrag von 1824 auf eine Flurbereinigung durch Gebietstausch. Die hieraus resultierenden Grenzen Niederländisch-Ostindiens entsprachen weitgehend dem heutigen Staatsgebiet Indonesiens. Die niederländische Kolonialverwal-
Steckbrief
Bevölkerung |
Jahr der Unabhängigkeit |
Staatsform |
251 Mio. |
1945 |
Republik |
Territorium |
Jahr der geltenden Verfassung |
Staatsoberhaupt |
1.904.569 km2 |
1945 (2002) |
Joko Widodo (seit 20.10.2014) |
BIP p.c. (2005 PPP, 2012) |
Amtssprachen |
Regierungschef |
$ 4.271 |
Bahasa Indonesia |
Joko Widodo |
Ethnische Gruppen |
Demokratiestatus (BTI 2014) |
Regierungssystem |
40,6 % Javaner, 15 % Sundanesen, 3,3 % Maduresen, 2,7 % Minangkabau, 2,4 % Betawi, 2.4 % Bugis, 2 % Banten, 1,7 % Banjar, 29,9 % Andere |
7,05a |
Präsidentiell |
Religionsgruppen |
Regimetyp |
Regierungstyp |
86,1 % Muslime, 5,7 % Protestanten, 3 % Röm.-Kathl., 1 % Hindu, 5,2 % Andere |
Defekte Demokratie |
Mehrparteienkoalition |
Quelle: CIA (2014); Bertelsmann Stiftung (2014).
a Skala von 1–10, höhere Werte zeigen höheren Demokratiegrad.
tung kontrollierte zu diesem Zeitpunkt allerdings nur einen Bruchteil des Territoriums tatsächlich (Ricklefs 2008, S. 179). Um den wirtschaftlichen Ertrag der Kolonie zu steigern, wurde ab 1830 das „Kultivationssystem“ (kultuursteltsel) eingeführt, das Dörfer zwang auf 20 % der landwirtschaftlichen Fläche exportgeeignete Produkte wie Kaffee, Tee oder Zucker anzubauen. Steigende Profite machten eine weitere territoriale Expansion lohnenswert, auch wenn die Niederländer weiterhin versuchten, existierende Hierarchien zu kooptieren. Nur wo ihnen dies nicht gelang, errichteten sie direkte Herrschaftsstrukturen (Gerring et al. 2011, S. 402).
Die 1901 von Königin Wilhelmina verkündete neue „ethische Politik“ brachte trotz humanitärer Maßnahmen wie Interventionen gegen Sklavenhandel, religiöse Unterdrückung oder Witwenverbrennungen sowie die Erweiterung einheimischer Bildungsangebote (Vickers 2005, S. 17 f.) vor allem territoriale Expansion und eine Intensivierung der kolonialen Herrschaft (Li 2007, S. 41 ff.). So eroberten die Niederländer mit Kalimantan (Borneo 1906), Nusa Tenggara (1907), Bali (1908), und Aceh (1910) die letzten bis dato nicht unterworfenen Gebiete.
Soziale und politische Reformen wie die Einführung einer teilweise indigen besetzten Konsultativversammlung 1917 (volksraad) blieben folgenlos für die Tagespolitik (Furnivall 2010/1939, S. 280). Die Bildungspolitik hingegen schuf eine westlich gebildete und nach Unabhängigkeit strebende Elite (Ricklefs 2008, S. 193 f.), die über Zeitungen und Literatur zur Verbreitung von bahasa indonesia als lingua franca beitrug. Die Gründung erster Massenorganisationen wie der Batik-Händlervereinigung Sarekat Islam (1911), der modernistischen islamischen Vereinigung Muhammadiyah (1912), der traditionalistisch orientierten Nahdlatul Ulama (NU, 1926) und den Vorläufern der Kommunistischen Partei Indonesien (PKI, 1911) ging mit offener Kritik an den Kolonialherren einher. Nach einem Aufstand der PKI intensivierten die Niederländer ab 1927 politische Repressionen bis die japanische Besatzung sie nach 1942 verdrängte (Ricklefs 2008, S. 227).
Info-Box 4.1: Modernistischer und traditionalistischer Islam in Indonesien
Seit Mitte des 20. Jahrhunderts differenziert die ethnologische Forschung zwischen indonesischen Muslimen, die einem strengen Islam folgen (santri) und Synkretisten, die sunnitische und sufistische Praktiken mit Ritualen einheimischer Kulte und der Ahnenverehrung kombinieren (abangan). Heute gebräuchlicher ist die Unterscheidung zwischen einer modernistischen und traditionalistischen Strömung (Bush 2009, S. 29 ff.). Der Modernismus gelangte durch im Mittleren Osten ausgebildete indonesische Religionsgelehrte in den zwanziger und dreißiger Jahren nach Indonesien und legt auf das individuelle Studium der textlichen Quellen des Islam in Koran und Sunna Wert. Demgegenüber verlassen sich traditionalistische Muslime stärker auf eine Auslegung des Islam durch die Religionsgelehrten (ulema). Entsprechend tragen die mit beiden Strömungen assoziierten Massenorganisationen die Namen Muhammadiyah („Gefolgschaft Mohammeds“) bzw. Nahdlatul Ulama („Wiedererwachen der Religionsgelehrten“). Während der modernistische Islam vor allem in den urbanen Zentren des Archipels, in Westjava und in Aceh stark vertreten ist, konzentriert sich die Anhängerschaft des traditionalistischen Islam in ländlichen Gebieten und insbesondere in der Provinz Ostjava. Quer zu dieser Unterscheidung existieren in beiden Gruppen liberale wie radikale Strömungen und auch die Einstellung zum Verhältnis von Religion und Politik entlang der Achse Islamismus vs. Säkularismus ist innerhalb der Gruppen differenziert. Unter Traditionalisten ist der Anteil radikaler Islamisten allerdings deutlich geringer (van Bruinessen 2002).
Die japanische Kapitulation am 15. August 1945 und die indonesische Unabhängigkeitserklärung am 17. August 1945 leitete die politisch und militärisch unübersichtlichste Phase der indonesischen Geschichte ein. Den Niederländern, die nicht bereit waren, die Unabhängigkeit anzuerkennen, gelang es auf den meisten äußeren Inseln rasch, die militärische Kontrolle zurückzugewinnen. Auf Java und Sumatra jedoch lieferten ihnen die aus ehemaligen Kolonialsoldaten, Milizen und islamischen Kämpfern (laskar) geschaffenen Streitkräfte der jungen Republik einen zähen Guerillakampf. Durch die euphemistisch als „Polizeiaktion“ bezeichnete brutale niederländische Aufstandsbekämpfung und nach der Festnahme der indonesischen Regierung im Dezember 1948 wuchs die internationale Kritik, so dass Den Haag schließlich gezwungen war, die Republik der Vereinigten Staaten Indonesiens am 27. Dezember 1949 (ohne Westpapua) in die Unabhängigkeit zu entlassen.
Die wichtigsten politischen Kräfte im neuen Indonesien waren die säkularen Nationalisten unter Präsident Sukarno (Partai Nasional Indonesia, PNI), die Muhammadiyahnahe Masyumi, die PKI, die NU sowie das Militär. Während eine Serie kurzlebiger Kabinette an der Bewältigung der massiven innerstaatlichen Probleme scheiterte, konnte sich Präsident Sukarno als charismatischer Führer etablieren (Feith 1962). Die von ihm 1959 dekretierte „Gelenkte Demokratie“ beruhte auf einer korporatistischen Doktrin „Funktionaler Gruppen“ (golongan karya, Golkar) und der 1945 proklamierten Pancasilaoder „Fünf Säulen“-Doktrin (vgl. Kap. 4.2).
Auf der Suche nach politischer Unterstützung bewegte Sukarno sich zum Missfallen der Armee auf die PKI zu und nahm die Kommunisten 1962 offiziell in die Regierung auf (Sundhaussen 1982, S. 156). Die innenwie außenpolitische Krise verschärfte sich dadurch: 1962 provozierten PKI-Kader auf Kalimantan einen Konflikt mit Malaysia (konfrontasi) und arbeiteten auf die gewaltsame Annexion Westpapuas (Irian Jaya) durch die Niederländer hin. Daraufhin stellten die USA ihre Entwicklungszahlungen ein, was die ohnehin prekäre wirtschaftliche Lage weiter belastete (Sundhaussen 1982,
S. 177). Zudem brachte die Annäherung an die PKI auch die religiösen Parteien gegen Sukarno auf, nachdem deren Kader eigenständig begannen, das Land zumeist NU-naher Großgrundbesitzer zu besetzen (Utrecht 1976, S. 280).
Die politische Krise kulminierte am 30. September 1965 in einem Putschversuch linker Luftwaffenoffiziere gegen die Militärführung, dem zahlreiche hohe Armeeoffiziere zum Opfer fielen (Roosa 2006, S. 62–81). In Reaktion initiierte der ranghöchste überlebende Armeeoffizier, Generalmajor Suharto, eine von verschiedenen antikommunistischen Gruppen getragene gewaltsame Kampagne gegen die PKI und vermeintliche Sympathisanten, in deren Verlauf bis März 1966 mehr als 500.000 Menschen starben (vgl. Cribb 2002). Sukarno, dem nun neben der Armee auch die PKI als wichtigste Säule seiner Regierung weggebrochen war, sah sich gezwungen, seine Macht an Suharto abzutreten. Der Übergang von Sukarno auf Suharto fand formal mit der Übergabe des Präsidentenamts am 27. März 1968 seinen Abschluss.
Suharto nutzte zum Aufbau seiner „Neuen Ordnung“ viele Elemente des vorherigen politischen Systems (Slater 2010a). Anfänglich dominierte das Militär die Regimekoalition. Die Streitkräfte übernahmen Posten in der zivilen Verwaltung und engagierten sich verstärkt in der Entwicklungs-, Ressourcenund Energiepolitik. Militär und zivile Beamte, die zusammen mit Gouverneuren und Distriktvorstehern in der Regimepartei Golkar organisiert waren, dominierten den politischen Entscheidungsprozess unterhalb der Richtungsentscheidungen, die Suharto selbst traf. Durch die institutionelle Einbindung militärischer und ziviler Eliten in Golkar gelang es dem Diktator, Herausforderungen seiner Herrschaft aus der Regimekoalition selbst zu vermeiden. Die nach 1971 regelmäßig durchgeführten Wahlen waren zugunsten der Regimepartei manipuliert (vgl. Kap. 4.6). Über die Vorfeldorganisationen Golkars konnte das Regime zivilgesellschaftliches Protestpotential abfedern. Wo dies nicht ausreichte, griff harte Repression (Aspinall 2005, Kap. 1). Zudem erreichte Suharto dank der Unterstützung der westlichen Verbündeten und einer Kombination aus liberalen Wirtschaftsreformen und nationalistischen Entwicklungsplänen für die zuvor am Boden liegende indonesische Wirtschaft stabile Wachstumsraten (Pepinsky 2009, S. 43–45). Die Einnahmen aus der seit Anfang der 1970er expandierenden Förderung von Erdölund Erdgas ermöglichten zudem einen Ausbau der Verwaltungskapazität des Regimes (Smith 2007).
Die steigenden Staatseinnahmen erlaubten es Suharto, Elitenakteure durch Patronage an sich zu binden. Hierdurch nahm das Regime im Verlaufe der Zeit immer mehr den Charakter eines personalistischen Regimes an (Slater 2010a). Die Anfälligkeit der neu entstandenen Verteilungskoalitionen unter Beteiligung von Suhartos Familie, bekannt als KKN (korupsi, kolusi, nepotisme), offenbarte sich in der Asienkrise 1997: Ökonomisch geriet Indonesien unter Druck, weil die Asienkrise eine Umschuldung kurzfristiger privater und öffentlicher Auslandskredite unmöglich machte, auf denen das indonesische Wirtschaftsmodell mittlerweile basierte. Missernten nach einer Dürreperiode verschärften das Problem zusätzlich. Politisch forderte die latente Nachfolgekrise schon seit Beginn der 1990er das Regime heraus. Zudem war Suharto nicht willens, von internationalen Geldgebern geforderte Wirtschaftsreformen umzusetzen. Gesellschaftlich geriet das Regime schließlich unter Druck, als studentische Aktivisten und Massenproteste gegen steigende Lebenshaltungskosten zusammenfanden. Zudem hatten Mitglieder der Regimekoalition durch Versuche, die Krise der chinesischen Minderheit anzulasten, Plünderungen und Pogrome befördert, die das Vertrauen in das Regime weiter erschütterten (Honna 2003, S. 160).
Angesichts des wachsenden Ausmaßes öffentlicher und ausländischer Kritik an Suharto zerbrach die Regimekoalition. Softliner im Militär und unter den zivilen Regimeeliten kündigten dem Präsidenten die Gefolgschaft (Ziegenhain 2008, S. 67 ff.; Honna 2003, S. 160 f.). Innenund außenpolitisch isoliert, erklärte Suharto am 21. Mai 1998 seinen Rücktritt und Vizepräsident Habibie folgte seinem Amt. Unter Habibie sowie dessen Nachfolger, Abdurrahman Wahid (1999–2001), durchlief Indonesien die Transition von der Diktatur zur Demokratie („Reformasi“).
In den ersten Jahren der Transition erschütterten immer wieder politische Krisen das Land. So brachen in mehreren Regionen Gewaltkonflikte aus, die von Beobachtern als „Lokalpolitik mit anderen Mitteln“ (van Klinken 2007), Ergebnis von Elitenkonkurrenz (Gledhill 2012), Staatsschwäche (Tajima 2008) oder Aufleben von ethnischem Aktivismus gedeutet wurden. Die meisten dieser Konflikte sind mittlerweile unter Kontrolle (Kap. 4.7) und auch die Herausforderung durch den islamistischen Terrorismus erreichte trotz des Bombenanschlags von Bali 2002 und zahlreicher weiterer kleiner
Tab. 4.1 Entwicklung von Armut und Ungleichheit in Indonesien (1996–2011)
1996 |
1999 |
2005 |
2011 |
|
% der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze von US$ 2 (PPP) am Tag |
30,7 |
33,3 |
17,3 |
13,0 |
Einkommen des obersten im Verhältnis zum untersten Einkommensdezil |
6,7 |
5,8 |
7,7 |
9,6 |
Gini-Index |
31,3 |
29,0 |
34,0 |
38,1 |
Gini-Index: Maßzahl für die Ungleichverteilung des Einkommens; Minimum 1 (absolut gleiche Verteilung), Maximum 100 (stark ungleiche Verteilung). Quelle: Weltbank (2013)
Anschläge nie systemgefährdende Ausmaße. Selbst ein Amtsenthebungsverfahren gegen Präsident Wahid im Sommer 2001 folgte trotz intensiver öffentlicher Proteste dem verfassungsmäßigen Prozess. Dem ersten direkt gewählten Präsidenten, Ex-General Susilo Bambang Yudhoyono, gelang es nach dem pazifischen Tsunami vom Dezember 2004 zudem, den Sezessionskonflikt in Aceh beizulegen. Der politische Prozess spielt sich innerhalb der verfassungsmäßigen Verfahren ab, die seit 1999 durchgeführten Wahlen sind hinreichend frei und fair und führten 2004 zu einem Regierungswechsel auf demokratischem Wege. Trotz ihrer beachtlichen Krisenresistenz ist die indonesische Demokratie aber auch 15 Jahre nach dem Rücktritt Suhartos noch nicht vollständig konsolidiert. Vier Herausforderungen verbleiben.
Erstens hatte die Inklusion der alten Eliten in den Prozess der demokratischen Transformation ambivalente Folgen. Einerseits wurde es den autoritären Eliten durch ihre Inklusion einfacher gemacht, die demokratischen Spielregeln zu akzeptieren (Horowitz 2013). Andererseits konnte sich die alte Oligarchie der „Neuen Ordnung“ dadurch in den neuen Institutionen rasch rekonstituieren (Robison und Hadiz 2004).
Zweitens sind die chronische Schwäche des Rechtsstaats und insbesondere die endemische Korruption in Politik und Verwaltung zu nennen. Sie erschweren tiefgreifende Strukturreformen, unterlaufen staatliche Regulierungsbemühungen und schwächen den demokratischen Verfassungsstaat.
Eine dritte Herausforderung betrifft die Performanz der jungen Demokratie in sozialund verteilungspolitischer Hinsicht. Seit Beginn der demokratischen Transformation dehnten indonesische Regierungen wohlfahrtspolitische Programme, Strukturen und Institutionen stark aus, was die soziale Sicherung verbesserte und zu einem Rückgang der Armutsquote beitrug (Aspinall 2014; vgl. Tab. 4.1). Gleichzeitig nahm allerdings die sozioökonomische Ungleichheit zu und regionale Ungleichgewichte blieben bestehen (McCulloch und Sjahrir 2008).
Viertens zeigt der indonesische Staat Schwächen bei der Durchsetzung von Minderheitenrechten. So versuchten Anhänger einer strengen Auslegung des Islam in den letzten Jahren im Rahmen der Debatte um ein Anti-Pornographiegesetz nicht nur die mediale Darstellung in ihren Augen loser Moralvorstellungen zu unterbinden, sondern auch private Verhaltensweisen und kulturelle Praktiken zu regulieren. Radikale Gruppierungen veranstalten besonders im islamischen Fastenmonat Ramadan oft illegale Razzien gegen Gaststätten und Diskotheken, die Alkohol ausschenken. Teilweise finanzieren sie sich dabei über Schutzgelder und kooperieren mit lokalen Polizeieinheiten (Wilson 2011). Religiöse Minderheiten leiden besonders unter dem mangelnden Rechtsschutz durch staatliche Stellen. Oftmals scheitern christliche Gemeinden in mehrheitlich muslimischen Distrikten mit Kirchenbauvorhaben und die Polizei schreitet selten bei Gewalt gegen die islamische Minderheitssekte Ahmadiyah ein (Alfitri 2008; Mietzner 2009, S. 109).