"Kampf um die Parlamente"

Wahlteilnahmen werden von der NPD in ihrem strategischen Konzept mit der Säule des "Kampfes um die Parlamente" berücksichtigt. Wahlen seien "Ausdruck der politischen Willensbildung" und die Beteiligung daran ein "entscheidendes Kriterium für die Glaubwürdigkeit einer politischen Gruppierung" (Parteivorstand der NPD 1999: 360). Zu seltene Wahlteilnahmen würden dazu führen, dass die Bürgerinnen und Bürger das "Vertrauen in die Beharrlichkeit der Partei" verlieren würden (Parteivorstand der NPD 1999: 360). Parteien genießen in der Bundesrepublik eine bevorzugte Stellung dank des Parteienprivilegs – dieses sei "aber an die Bedingung der Wahlteilnahme geknüpft" (ebd.). Schon um sich gegen staatliche Repressionen zu schützen sei die Erhaltung des Parteiprivilegs nötig; die Partei müsse also bei Wahlen antreten (ebd.). Von solchen basalen Existenzfragen abgesehen, betont die NPD, dass

"die konsequente Teilnahme an Wahlen vor allem deshalb unverzichtbar ist, weil sie auf die unmittelbarste und am besten zu vermittelnde Art und Weise folgenden grundlegenden operativen Zielen der Partei dient: dem stetigen Ausbau der Parteistrukturen; dem Mitgliederzuwachs und der Bekanntmachung der Ziele der Partei" (ebd.).

Udo Voigt unterstrich erneut die Bedeutung der Arbeit in der Kommunalpolitik:

"Kommunale Mandate müssen die Grundlage für unsere weitere politische Aufbauarbeit sein, denn hier können wir dem Wähler zeigen, dass die NPD keine Briefkastenpartei ist" (Voigt 1999: 470). Er hält auch eigentlich aussichtslose Wahlteilnahmen für notwendig, "um Erfolge der ›Auch-Nationalen-Konkurrenz‹ zu verhindern", denn diese wäre zu instabil und systemimmanent (Voigt 1999: 470). [1] Auch würden Wahlantritte helfen, "die zusätzliche finanzielle Grundlage über Wahlkampfkostenerstattungen zu erhalten, die es uns ermöglicht, die Infrastruktur weiter auszubauen" (Voigt 1999: 470).

Als das Säulenkonzept verabschiedet wurde, lagen größere Wahlerfolge der NPD noch in weiter Ferne. Seit dem Einzug in die Landesparlamente in Sachsen 2004 und Mecklenburg-Vorpommern 2006 ist die Bedeutung von Wahlantritten und parlamentarischer Arbeit gewachsen. Der NPD-Parteivorstand hielt 2009 in einem Strategiepapier erfreut fest, dass es mittlerweile gelungen sei, ein "Stammwählerpotenzial" an sich zu binden (Parteivorstand der NPD 2009: 15). Schon 2002 notierte die NPD eine umfangreichere Liste von Vorteilen bei erfolgreichen "Angriffen" im Rahmen von Wahlen:

"Wahlkampfkostenerstattung nach einem Wahlsieg Andere finanzierte und personelle Verstärkungen durch Mandatsübernahmen Organisatorische Ausstattung von Fraktionen Steigende Moral der Mitglieder und Funktionsträger bei Siegen Gewinnung von zusätzlichen Anhängern und Mitgliedern Übertritte von Mitgliedern der auch nationalen Konkurrenz Schwächung des Gegners aus komplementären Gründen" (Parteivorstand der NPD 2002: 12 ff.).

Tatsächlich hatten die beiden Erfolge bei den Landtagswahlen eine immense Stärkung der Partei zur Folge. Die NPD profitierte von der sich daraus entwickelnden Dynamik und schöpfte neues Selbstvertrauen. Die Mitgliederzahlen schnellten in die Höhe (von 5000 in 2003 auf zwischenzeitlich 7500, mittlerweile allerdings wieder in die Nähe des Ausgangsniveaus gesunken). Die Fraktionsgelder entlasten die (insgesamt weiterhin sehr klammen) Parteifinanzen. Seit 1999 stehen der NPD wieder staatliche Gelder zu. [2] 2005 wurden 42 Prozent der NPD-Einnahmen (1,2 Millionen Euro) aus Steuergeldern bestritten; erstmals seit 1990 lag dieser Anteil damit über dem der Spendeneinnahmen (2005: 33 Prozent) (vgl. Schulze 2008: 225). [3] Die Mandate und die Stellen bei der Fraktion sichern den Lebensunterhalt von Parteifunktionären ab und sind somit ein nicht zu unterschätzender Stabilisierungsfaktor für die Partei.

Nachdem 2011 die Fünfprozenthürde für die Europaparlamentswahlen für ungültig erklärt wurde, bereitete sich die NPD insbesondere auf den anstehenden europäischen Wahlgang im Jahr 2014 vor. Diese Wahl habe, so der damalige NPD-Vorsitzende Apfel 2012, "höchste Priorität" (Apfel 2012). Der sächsische NPD-Landeschef und Chef des "Parlamentarischen Beratungsdienstes" der Dresdener NPD-Fraktion, Holger Syzmanski, bekundete, dabei würden für die Partei die "finanziellen Aspekte im Vordergrund" stehen und er rechnete detailliert vor, mit welchen Zuwendungen zu rechnen wären (Syzmanski 2012: 94).

Schnell entdeckte die NPD das Parlament als Bühne für Provokationen und Selbstinszenierungen – um dann dort gewissermaßen den "Kampf um die Köpfe" weiterführen zu können. Bekannte Beispiele sind die Dresdener "Bombenholocaust"-Reden 2005 [4] oder die Weigerung der NPD-Fraktion in Mecklenburg-Vorpommern 2008, an einer Gedenkminute zur Erinnerung an die Machtübertragung an die Nationalsozialisten 1933 teilzunehmen.

  • [1] Diese Aussagen stammen aus der Zeit vor der Installation des Bündnisses mit der DVU.
  • [2] Zwischen 1991 und 1997 war die NPD wegen fehlender Minimal-Wahlerfolge aus der staatlichen Parteienfinanzierung gerutscht.
  • [3] Zu beachten ist die begrenzte Aussagekraft dieser Zahlen, die sich auf NPD-Eigenangaben stützen. Im Zuge mehrerer Finanzskandale wurde unter anderem aufgedeckt, dass die NPD in betrügerischer Absicht den Umfang privater Spendengelder nach oben manipuliert hatte, um dadurch Anspruch auf zusätzliche Staatsgelder zu erlangen.
  • [4] Die NPD-Fraktion verließ im Januar 2005 den Plenarsaal des sächsischen Landtags, als dort der Opfer des Nationalsozialismus gedacht wurde. In der darauf folgenden "Aktuellen Stunde" bezeichneten die NPD-Abgeordneten Jürgen Gansel und Holger Apfel die alliierten Luftangriffe auf Dresden 1945 als "Bomben-Holocaust" (vgl. Sächsischer Landtag 2005: 463 f.).
 
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