Aufbau der Arbeit
Die vorliegende Arbeit gliedert sich folgendermaßen: In Kapitel 2 wende ich mich bisherigen Forschungsarbeiten an der Schnittstelle von Geschlecht, sexueller Orientierung und Militär zu. Die meisten dieser Untersuchungen wurden im Forschungsfeld der Militärsoziologie und der Frauen-, Männerund Geschlechterforschung durchgeführt.
In Kapitel 3 lege ich den methodologischen und theoretischen Rahmen dieser Arbeit dar. Ich wähle als forschungspraktische Prämisse „Intersektionalität“ (Winker/Degele 2009), die eine Untersuchung des Zusammenwirkens verschiedener Kategorien ermöglicht und sowohl an die soziologische Theoriebildung als auch an Männer-, Frauenund Geschlechterforschung anschließt (Kap. 3.1.). Als Erhebungsmethode verwende ich ikonographische Interviews (vgl. Degele/Kesselhut/ Schneickert 2009), die sich durch die Verwendung von Bildern in Einzelinterviews oder Gruppendiskussionen charakterisieren (Kap. 3.2.). Anschließend lege ich dar, wie ich bei der Herstellung des Erhebungsmaterials vorgehe – von Kriterien der Bildauswahl, zur Begründung derselben, bis zur Erstellung des Posters mit Bildern – und wie ich die Interviews zur Exploration sozialer Praxen verwende (Kap. 3.3.). Im Anschluss skizziere ich deskriptiv, welche Kategorien das Sample enthält. Ich beschreibe das theoretische und selektive Sampling für die Gruppendiskussionen und Einzelinterviews, zeige auf, welche Kategorien bei der Auswahl von TeilnehmerInnen an Gruppendiskussionen und Einzelinterviews relevant sind und stelle dar, aus welchen Kategorien sich das Sample zusammensetzt (Kap. 3.4.).
In den beiden darauf folgenden empirischen Kapiteln 4 und 5 ändere ich den Fokus, indem ich das ,Wie' der Erhebung thematisiere. Begreift man qualitative Forschung als Feldforschung, dann müssen auch der Zugang zum Forschungsfeld (Kap. 4) und die Forschungsbedingung, d.h. die Interviewsituation (Kap. 5), untersucht werden. In Kapitel 4 geht es um Probleme, die beim Zugang zum Forschungsfeld entstanden sind, bspw. um das non response. Ich analysiere Motive und Beweggründe für Interviewverweigerungen (Kap. 4.2.) und Interviewzusagen (Kap. 4.3.) und kontrastiere diese mit dem Zugang zu ausländischen Streitkräften (Kap. 4.4.). Im Ergebnis dieser Herangehensweise werden das Thema „Datenschutz“ sowie sieben Motive für die Verweigerung eines Interviews und vier Beweggründe für Interviewzusagen herausgearbeitet. Was die Interviewverweigerung betrifft, werde ich in diesem Abschnitt zeigen, dass der Zugang zum Forschungsfeld sowohl durch bundeswehrinterne Interviewregelungen als auch durch die Interviewpersonen, Interviewende und den Zeitpunkt der Erhebung beeinflusst werden. Umgekehrt zeige ich, dass die Beweggründe, bei einem Interview teilzunehmen, an ähnliche Bedingungen geknüpft sind: Die Forscherin wird als Sprachrohr wahrgenommen, um Missstände und als falsch angesehene Mediendarstellungen über die Bundeswehr zu korrigieren.
In Kapitel 5 betrachte ich die Interviewsituation als eine Bedingung des Forschungsfeldes, das den Forschungsgegenstand mitkonstituiert. Ich verstehe die Interviewsituation als eine soziale Situation, in der Kategorien im Interview von Interviewpersonen und Interviewerin ausgehandelt und relevant gemacht werden. Exemplarisch stelle ich dies anhand von Geschlecht (Kap. 5.1.), Expertise (Kap. 5.2.), Alter (Kap. 5.3.) und beobachteter Beobachtung (Kap. 5.4.) dar. Ich zeige damit, dass sich Zugangsschwierigkeiten zum Forschungsfeld auch in der Interviewsituation fortsetzen. Hinsichtlich Problemstellung, Zielsetzungen und Forschungsfragen dieser Arbeit trage ich in diesem Kapitel zum Verständnis bei, inwieweit Forschungsergebnisse von der Interviewsituation abhängen. Ich werde empirisch darlegen, dass bereits die Interviewsituation als Zugang zum Forschungsfeld ein spezifisch sozialer Kontext ist, in dem in actu soziale Kategorisierungen hergestellt, zugeteilt oder zurückgewiesen werden.
In Kapitel 6 zeichne ich unter dem Stichwort „Transformation“ Entwicklungslinien internationaler und nationaler Militärstrukturen seit dem Ende des Kalten Krieges nach, die Einfluss auf die Strukturen und Aufgaben der Bundeswehr haben (Kap. 6.1.). Ich zeige damit, dass seit Ende des Kalten Krieges auch ein Wandel des Soldatenberufes stattfindet, der in der Literatur auch als Konstabulisierung, d.h. als Verpolizeilichung, beschrieben wird: Soldat und Soldatin müssen – im Unterschied zur Blocksituation – heute nicht mehr nur die Fähigkeit zu kämpfen mitbringen, sondern sie müssen auch friedenssichernde Allrounder sein. Ich stelle dar, dass die theoretische Behauptung und politische Forderung der Konstabulisierung, die mit Bezug auf veränderte Anforderungen im Soldatenberuf auch mit den Begriffen „Zivilisierung“ und „Hybridisierung“ bezeichnet wird, von Seiten der Politik widersprüchlich kommuniziert wird (Kap. 6.2.). Dieses Kapitel schafft durch die Darstellung der allgemein juristischen und parlamentarischen Voraussetzungen sowie der sozialstrukturellen und historischen Entwicklungen der Bundeswehr den Hintergrund, vor dem ich in den folgenden beiden Kapiteln meine empirischen Ergebnisse diskutiere.
In diesen werde ich mich mit den Kategorien Geschlecht (Kap. 7) und sexuelle Orientierung (Kap. 8) befassen, die ich als ungleichheitsgenerierende Kategorien im Militär zur analytischen Trennung deduktiv festgelegt habe (vgl. Kap. 3). [1] In Kapitel 7 untersuche ich, inwiefern Geschlecht kulturell und symbolisch im Militär verankert ist (Kap. 7.1.) und wie Geschlecht in der sozialen Praxis ausgehandelt wird (Kap. 7.2.). Was die symbolische Verankerung von Geschlecht betrifft, zeige ich erstens, dass sich die theoretische Diskussion um die Hybridisierung des Soldatenberufes nicht in der Empirie widerspiegelt. Der Soldatenberuf wird in Bezug auf die Aufgaben von den SoldatInnen dichotom wahrgenommen (Kap. 7.1.1.). Zweitens besteht eine generelle Orientierung hin zum Kampf und zum Kampfsoldaten. Dieses empirische Ergebnis widerspricht nicht nur der theoretischen Diskussion, sondern steht auch der Aufgabenvielfalt des Soldatenberufes und dem Sampling dieser Studie entgegen (Kap. 7.1.2.). Drittens zeige ich, dass der Prozess der Zivilisierung im Militär mit Verweichlichung und symbolisch mit Verweiblichung verbunden ist – diesem Prozess stehen SoldatInnen negativ gegenüber. Auf der Ebene der symbolischen Zuweisung von Geschlecht im Militär hat die Öffnung der Streitkräfte für Frauen und Homosexuelle kaum für Verschiebungen gesorgt, weshalb sich ein Blick auf die soziale Praxis der Soldaten und Soldatinnen lohnt. In diesem Abschnitt untersuche ich, ob und in welchem Zusammenhang die Kategorie Geschlecht für die Aushandlung des Soldatenberufes in der sozialen Praxis relevant oder irrelevant ist. Ich verdeutliche meine Ergebnisse zur vielfältigen Aushandlung von Geschlecht an sechs Aspekten: An körperlicher Leistungsfähigkeit (Kap. 7.2.1.), an Wahrnehmung von Kameradschaft als vergeschlechtlichtes Deutungsmuster (Kap. 7.2.2.), am Taliban als kulturell Fremden (Kap. 7.2.3.) und am Topos des Schützengraben (Kap. 7.2.4.). Ferner lege ich dar, wie der Soldatenberuf durch Plausibilisierung und Naturalisierung von Geschlecht (am Beispiel von Sanitätsdienst und Peacekeeping) hergestellt (Kap. 7.2.5.) und wie Geschlecht über sexuelle Belästigung ausgehandelt wird (Kap. 7.2.6.).
In Kapitel 8 stelle ich die Kategorien Geschlecht und sexuelle Orientierung gegenüber, indem ich unterschiedliche Perspektiven auf die Aushandlungsprozesse von Homosexualität im Militär aufzeige. Dies hat auch einen methodischen Hintergrund, denn neben der Unterscheidung von Gruppendiskussionen und Einzelinterviews erlaubt mein Sample, bei der Analyse zwischen homound heterosexuellen SoldatInnen zu unterscheiden. Ich stelle heraus, dass Homosexualität im Militär als Gegenbild militarisierter Männlichkeit fungiert (Kap. 8.1.) und tabuisiert ist (Kap. 8.2.). Ich werde herausarbeiten, dass sich männliche (homosexuelle und heterosexuelle) Soldaten an hegemonialen Männlichkeitsvorstellungen des wehrhaften und körperlich leistungsfähigen Kämpfers orientieren und homosexuelle Soldaten vom vorherrschenden stereotypen Bild von Homosexualität sogar profitieren. Des Weiteren zeige ich auf, dass sich homosexuelle Soldaten von zivilen Homosexuellen (und auch von Soldatinnen) abgrenzen: Sie differenzieren Homosexualität in verschiedene Homosexualitäten, hierarchisieren diese und schließen effeminisierte Homosexualität symbolisch aus (Kap. 8.3.1.). Mit Hilfe des Konzepts der sozialen Mimesis zeige ich, wie homosexuelle Soldaten militärische Wahrnehmungs-, VorstellungsVerhaltenspraxen verinnerlichen (Kap. 8.3.2.). Danach gehe ich der Frage nach, welche möglichen Outing-Kontexte Homosexuellen zur Verfügung stehen bzw. welche Rückschlüsse sich auf Grundlage der Empirie auf eine zu Grunde liegende Norm militarisierter Männlichkeit ziehen lassen (Kap. 8.3.3.).
In Kapitel 9 fasse ich als Schlussbetrachtungen die theoretischen und empirischen Ergebnisse dieser Arbeit noch einmal zusammen.
- [1] Für die Soldatinnen und Soldaten ist diese Trennung auf der Identitätsebene (und auch auf der Ebene der Repräsentation) nicht vorhanden und sogar, dies kann vorweggenommen werden, irrelevant.