Das Interview als soziale Situation
Jede Interviewsituation ist durch verschiedene Aushandlungsprozesse zwischen InterviewerIn und Interviewperson gekennzeichnet. So kann ein wechselseitiges Abhängigkeitsund Machtverhältnis zwischen InterviewerIn und Interviewpersonen entstehen: Einerseits kann die Interviewsituation dazu führen, dass sich die Interviewperson als wissenschaftliches Objekt der forschenden Person fühlt, die Gespräche steuert und Daten interpretiert. Andererseits ist die forschende Person davon abhängig, dass sich die Interviewperson zu einem Interview bereit erklärt und das Gespräch nicht boykottiert (Cotterill 1992: 600, Aléx und Hammarström 2008: 170, Helfferich 2005).
In einem Interview können bspw. Macht, Kontrolle, Verletzbarkeit, Reziprozität, Freundschaft und Interesse bedeutsam für die Interviewsituation werden. Pamela Cotterill spricht aus diesem Grund von der Interviewsituation als fluid encounters, da sich die Balance zwischen InterviewerIn und InformantIn während eines Interviews verändern kann (Cotterill 1992: 604).
Ein solcher shift der Interviewsituation kann bspw. durch eine Veränderung der Positionierung der forschenden Person beginnen, wenn diese über Teile des Interviews unzufrieden ist. Eine Möglichkeit des Interviewten Macht oder Kontrolle auszuüben, besteht zum Beispiel darin, auf Fragen nicht zu antworten oder auf Aussagen des Gegenübers nicht zu reagieren. Von der Forschenden wird eine neutrale Haltung gegenüber den InformantInnen eingenommen. Verbal oder nonverbal kommunizierte Faktoren (Einstellungen/Weltanschauung, Erfahrungshintergrund) oder soziale Kategorien (Geschlecht, Alter, Körper, Status/Zugehörigkeit) wirken verstärkend oder abschwächend auf die Interviewsituation. Hinweise auf unterschiedliche, ineinander verwobene Machtverhältnisse konnten in jedem Interview gefunden werden.
(Un)doing Gender
Versteht man Kommunikationssituationen und Sprache als ein Sinnsystem, das symbolische Bedeutungen produziert, dann bedingen sich Sprachund Sozialsystem wechselseitig. Bezogen auf die Kategorie Geschlecht kann man die Frage danach stellen „wie Geschlecht als gesellschaftliche Kategorie relevant gemacht wird, was eine Kultur tagtäglich unternimmt, um Geschlechterdifferenzen herzustellen" (Kotthoff 1993: 79 f.). Doing gender kann als fortlaufende Aktivität verstanden werden, die in konkrete soziale Interaktionen eingebettet ist:
„First, and perhaps most important, conceiving of these as ongoing accomplishments means that we cannot determine their relevance to social action apart from the context in which they are accomplished. Individuals inhabit many different identities, and these may be stressed or muted, depending on the situation.“ (Fenstermaker/West 1995:30)
Auch das Interview muss dabei als „soziale Situation“ verstanden werden (Möhring/Schlütz 2010: 41). Identitätskategorien und soziale Kategorisierungen wie Geschlecht dürfen dabei nicht losgelöst von der Narration gedeutet oder gar festgeschrieben werden.
Wie Geschlecht in der Interviewsituation ausgehandelt wird, möchte ich anhand der folgenden beiden Interviewausschnitte darstellen. Da in den Interviewdaten eine Vielzahl von Relevanzsetzungen von Geschlecht gefunden werden konnte, werden die folgenden Interviewausschnitte im Hinblick auf ein kontrastives Spektrum der Aushandlung von Geschlecht ausgewählt.
Im ersten Interviewausschnitt erzählt die israelische Offizierin B von einem älteren Mann, der seine Position innerhalb der IDF ausnutzt und durch Berührungen und den Eingriff in Bs Privatsphäre diese (sexuell) belästigt. In dem folgenden Textabschnitt wird dies jedoch nicht sprachlich, sondern durch ein reenactment (Nachspielen der Situation, vgl. Sidnell 2006), also körperlich vermittelt. Die Erzählung lässt sich grob in drei Abschnitte segmentieren – eine erste Rahmung der Erzählung (Z. 1-10), ein reenactment der erlebten Situation (Z. 11-23) und schließlich eine Evaluation der Erzählung, welche über die erste Rahmung hinausgeht (Z. 2433).
(8) iEI_16(05)
1 Y: @you're laughing@ (-) why are you laughing?
2 B: @ye:::s@ because I have all these (memories) about
3 these guy::s (.) they used to do all these (.)
4 thi::ngs: and we couldn't say anything about them
5 because they were in a completely different rank
6 and they were needed
7 and so there was this guy (.)
8 .hhh this older guy who wasn't a soldier (.)he was
9 like a civillian working for the army .hhh
10 Y: mhm?
11 B: and he would come up against this
12 ((steht auf, streift mit dem Schritt Ys stuhl))
13 and he would do @hhhh@he would do this
14 ((berührt mich an der schulter und lässt die finger
15 an Ys arm entlanggleiten))
16 Y: @uh:::::::::::?:huhu::::::::::::@
17 [@hhhhhhhhhhhhhhhhhh@]
18 B: @hhhhhhhhhh[hhhhhhhhhhhhhhhhhhhh]hhhhhhhhhh@ (.) oh
19 Y: okay @hhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhh@ (.) 20 uha::::: oha::::.
21 B: ye:::::::::s (.) @hhhhhhhhhhhhhhhh@ (.)
22 @for example@ (.)@hhhhhhhhhhh@
23 Y: <<smile voice> what did you say then?>
24 B: well↓ what could we say?
25 everybody saw it, everybody knew it (.)
27 there was nothing to? say (.) °there was nothing to 28 say° (.)
29 this is the whole thing when you are in an
30 authoritative .hhh uh:: system (1)
31 that`s what I was saying
32 that there are people who abuse it
33 Y: yeah
Zu Beginn der Erzählung (Z. 2-9) werden von der Interviewten B verschiedene Identitätskategorien (z.B. militärischer Rang/Zivilperson, Alter, Geschlecht) relevant gemacht. Geschlecht wird einerseits durch die dichotome Gegenüberstellung zweier Gruppen („these guys“, Z. 3; „we“,
Z. 4) thematisiert, wobei die Gruppe der Männer explizit genannt wird und sie dieser eine aktive Handlungsmacht zuweist („they used to do all these (.) thi::ngs: and we couldn't say anything about them“, Z. 3-4). Den weiteren Verlauf ihrer Erzählung stützt B mithilfe einer multimodalen kommunikativen Performanz. Sie übernimmt dazu die Rolle des „older guy“ (Z. 11-16). In dieser gender performance spielt sie die einst erlebte Situation mit der Interviewerin nach, wobei Y plötzlich ihre Position einnehmen muss und B nicht nur in Ys Privatsphäre eindringt (streift mit dem Schritt Ys Stuhl, berührt Y) sondern in dieser Rolle ihren Körper als den des älteren Mannes präsentiert. Sprachliche (Erzählung) und nonverbale Kommunikationsmittel (Gestik) greifen in ihrem reenactment nicht nur parallel ineinander, sondern die Gestik führt die Erzählung stellenweise fort bzw. ersetzt diese („and he would come up against this“//Auslassung des Wortes: „chair“//stattdessen #Gestik: Berührung#, Z. 12).
Geschlecht wird andererseits aber auch gemeinschaftlich und interaktional in der Erzählphase des reenactments hergestellt. Die Co-Konstruktion der Identitätskategorie Geschlecht basiert auf dem als geteilt angenommenem Wissen qua Geschlechtszugehörigkeit (hier: als junge Frau von einem älteren Mann berührt oder sexuell belästigt werden) bei gleichzeitiger Negierung oder Ausblendung von möglichen Differenzkategorien (wie sozialer Hintergrund, Nationalität, Alter u.v.m.). In dieser Interviewsituation wird Geschlecht nicht nur co-konstruiert, sondern Geschlechterstereotype werden auch reaffirmiert. Denn Bs gender performance kann nur symbolische Bedeutung erlangen, also überhaupt sinnhaft sein, wenn die Interviewerin den dargestellten Übergriff auf ihre (und Bs) Privatsphäre überhaupt als Belästigung dekodieren kann. Dies kann auch mit dem analytischen Konzept des „cofielding“ beschrieben werden. Der Begriff verweist dabei einerseits auf den gemeinschaftlichen Charakter, der von Interviewerin und Interviewten in der Interaktion (co-)produziert wird, während „-field“ andererseits sowohl auf den unmittelbaren Gebrauchskontext des Forschungsfeldes, als auch auf das Konzept des Feldes im Sinne Bourdieus verweist, nämlich als Feld, in dem Akteure sich positionieren (Holmgren 2011: 366). In einer Interviewsituation ist die Beziehung von InterviewerIn und Interviewte/r gekennzeichnet durch unterschiedliche practices of cofielding:
„Cofielding can be defined as an analytical concept referring to the conjoint interlacing of experiences, knowledge, and meaning making in interview interaction“ (Holmgren 2011: 366).
Als Bedingungen für cofielding nennt Holmgren „overlapping positions“ und „discursive closeness“ (2011: 366), womit bspw. ein gemeinsamer Sprachbzw. Wortschatz oder auch gemeinsames Wissen gemeint ist. Die Ähnlichkeit oder Überlappung der Positionen (overlapping positions) basieren dabei entweder auf sozialen Kategorisierungen wie Geschlecht, Alter, Klasse etc. oder auf alltäglichen Routinen im Sinne eines geteilten Wissens (Holmgren 2011: 366). In der oben dargestellten Interviewsituation wird die Beziehung von B und Y durch eine als identisch angenommene Subjektpositionierung bzw. ein sich überlappendes Geschlechterwissen der Kategorisierung Frausein relevant gemacht. Die Dekodierung von Bs Darstellung wird zu Beginn der Bewertungssequenz durch Interviewerin Y deutlich gemacht („@uh:::::::::::?:huhu::::::::::::@“, Z. 16), welches mit gemeinschaftlichem Lachen unmittelbar angenommen wird (Z. 18). Nachgeschoben wird eine zweite Bewertung durch Y („okay“, Z. 19) sowie eine Interpretation der Gesamtsituation, die ebenfalls im Modus eines reenactment („uha::::: oha::::“, Z. 20) durchgeführt wird, wobei B dieser richtigen Dekodierung, also der Interpretation der Bewertungsantwort, zustimmt („yes“, Z. 21). Der (geschlechtliche) Rollentausch ist jedoch erst mit Ys Frage beendet, welche sich als Konsequenz aus (ihrer) Situation aufdrängt („<<smile voice> what did you say then?>“, Z. 23) und in eine Evaluation mündet. Aus Bs Antwort wird ersichtlich, dass sie die an sie persönlich adressierte Frage als eine auf ein Kollektiv bezogene Frage aufgreift, für das sie retrospektiv antwortet („well, what could we say?“, Z. 24). In der letzten Phase der Erzählung kommt es zur abschließenden Evaluation der Situation, die Sprecherin B in einen größeren Kontext einbettet. Innerhalb dessen wird die Bedeutung von Geschlecht wieder rückgängig gemacht („when you are in an authoritative system (...) there are people who abuse it“, Z. 29-32).
Geschlecht wird auf verschiedenen Bedeutungsebenen in der Interviewsituation hergestellt. Sprachlich (Dichotomisierung in der Narration), körperlich (geschlechtliche Inszenierung), und im gemeinsamen Herstellen von Bedeutung (cofielding). Das cofielding bedingt auch, dass die Interviewerin in dieser Situation gleichzeitig zur Insiderin gemacht wird und die Perspektive der Interviewten einnehmen kann. Der Perspektivwechsel der Interviewerin wird somit auf zwei Ebenen eines Hineinversetzens vollzogen – einmal durch die Erzählung der Interviewperson und ein anderes mal durch die erzwungene Rollenübernahme.
Dem zweiten Interviewausschnitt geht inhaltlich die Schilderung von dem tödlichen Unfall einer Offiziersanwärterin auf dem Segelschulschiff Gorch Fock (2010) voraus – auf diesem Schiff befand sich der Interviewte Q zu selben Zeit im Rahmen seines Grundwehrdienstes. Im Zuge der polizeilichen Ermittlungen wurde der Kommandant des Schiffes seines Postens enthoben, während die mediale Berichterstattung Vorwürfe der Misshandlung und sexuellen Belästigung durch Ausbildungsoffiziere aufnahm. Auch in diesem Interviewausschnitt wird Geschlecht für die Interviewsituation relevant gemacht, wobei hier vor allem die geschlechtliche Differenz zwischen Interviewerin und Interviewtem die Vertrauensbeziehung stark beeinflusst.
(9) EI_07(13)
1 Q: (...) ich kann ja auch nicht mehr erzählen als es
2 vielleicht in der ZEItung gekommen is,
3 vielleicht n bisschen detaillierter dass einfach
4 die:: anschuldigungen (--) n:NICH so kräftich sind,
5 also nich sodass ich die nicht bekräftigen kann .hh,
6 aber↓
7 Y: wie mit sexistischen::-?
8 Q: (.) (hhhh)ja:: es is n::es is n männerschiff,
9 NATÜRlich werden da blöde sprüche losgelassen. und so.
10 ohne das GEHTS auch nicht
11 Y: ja?
12 Q: JA:: es isäh
13 Y: was denn für sprüche
14 Q: <<smile voice> NEI:: will ich jetzt nichts> @zitieren@
15 @hahhhahhha@
16 Y: wieso? is doch alles anonym
17 Q: <<smile voice> ja ich weiss, aber↓> das,
18 da merkt man schon DEUTlich, dass esdass es männer
19 sind, die unter sich sind. (.) allein schon(.)
20 das<<smile voice> das kann man als frau
21 nicht verSTEH=N.>
Zunächst entkräftet der Interviewte Q die durch die Medien formulierten Sexismus-Anschuldigungen gegenüber dem Kommandanten des Ausbildungsschiffes, obwohl er die Anschuldigungen nicht gänzlich verwirft („n:NICH so kräftich“, Z. 4). Der Interviewte beginnt dann die Umstände und die Realität des „Männerschiffs“ (Z. 11) zu erläutern. Qs Sprache hat einen formellen Charakter, worüber er auch selbst lachen muss („@zitieren@“, Z. 14). Konkrete Akteure – wie der Kommandant – werden nicht genannt („es“, Z. 8; „werden losgelassen“, Z. 9), stattdessen wird das Männerschiff als Begründung für Sexismus herangezogen und das Geschehen in diesem Zusammenhang nicht nur naturalisiert, sondern auch agentiviert: Das Männerschiff wird hier zum handelnden (männlichen) Akteur, auf dem selbstverständlich „blöde sprüche losgelassen“ (Z. 12) werden. Auf dem Schiff sind Männer erst einmal unter sich – das muss man, salopp gesagt, als Interviewerin erst einmal verstehen können.
Wie im ersten Interviewbeispiel wird Geschlecht relevant gesetzt. Auch hier bedingt die Geschlechtszugehörigkeit die Voraussetzung für das Verständnisvermögen des Erzählten. Was in der homosozialen Gemeinschaft des Männerschiffs vor sich geht, bleibt exklusiv („NEI:: will jetzt nichts @zitieren@“, Z. 14), und damit wird die Grenze, die zwischen den Geschlechtern auf dem Männerschiff gezogen wird, auch im Interview reproduziert. Die weibliche Interviewende wird hier zu einer Außenstehenden gemacht. Aufgrund der Geschlechtszugehörigkeit ist eine Überlappung der Positionen bzw. ein cofielding von vornherein und generell ausgeschlossen: „das kann man als frau nicht verSTEH=N“ (Z. 20-21).
Mit diesem Interviewbeispiel wird jedoch auch eine andere Ebene der Relevanzsetzung von Geschlecht deutlich. So zeigt sich, dass die bereits beschriebenen Zugangsschwierigkeiten zum Forschungsfeld sich innerhalb der Interviewsituation manifestieren. Dass Forscherinnen, die Männerdomänen untersuchen, oft beim Zugang zum Feld durch Barrieren herausgefordert werden und Schwierigkeiten haben, Vertrauen aufzubauen, ist bereits untersucht worden (Sallee/Ill 2011). Als weibliche Forscherin übertrete ich in vielen militärischen Kontexten die soziale Grenzziehung zwischen Einund Ausschluss qua Kategorie Geschlecht. Mit dem Interesse für das Militär als einem als männlich geltenden Bereich werden geschlechtliche Rollenzuweisungen zeitweise aufgebrochen – das Interesse am Militär wird begründungspflichtig, wie ich im folgenden Interviewausschnitt zeigen möchte.
(10) EI_01
01 A: ( )
02 also dass SIE sich so ein militärisches thema vorgenommen haben?
03 Y: @ha@ (.) @hhhh@
04 A: das ist ja NICHT so::::: GANZ selbstverständlich.
In einer Interviewsituation darf der Einstieg des Interviews nicht mit dem Einstieg der Kommunikation verwechselt werden. Der Interviewte (A) beginnt das Interview noch vor der Tonaufzeichnung (Z 1, siehe Auslassung) – womit er nicht anerkennt, dass die Interviewerin markiert, ab welchem Zeitpunkt das Interview beginnt. Die Unklarheit über die Rollenverteilung wird fortgesetzt, indem die vermeintliche Frage-AntwortSituation vom Interviewenden umgedreht wird, und A sein Interview mit einer betont persönlichen Adressierung im metakommunikativen Stil beginnt („dass SIE sich (...)“, Z. 1). Mit seiner Frage lässt der Interviewte A das Vollenden der Forschungsarbeit als ein rein hypothetisches Vorhaben erscheinen („vorgenommen haben?“, Z. 2) und führt die Frage mit einer faktisch-normativen Setzung fort („das ist ja NICHT so::::: GANZ selbstverständlich“, Z. 3), während die Betonung und der Akzent („NICHT“, Z. 3) das Ausmaß der Einschränkung von Selbstverständlichkeit anzeigt. Deutlich wird, dass der Interviewte die normativen Maßstäbe für das Interview setzten möchte (etwa in Bezug auf Selbstverständlichkeiten). Der Intervieweinstieg kommt einem Informationshandel gleich und steht dabei gleichzeitig für das Kommunikationsmuster des Interviewverlaufs, das durch ein stetiges Aushandeln von Macht (z.B. Rederecht) gekennzeichnet ist. Wie Gailey und Prohaska (2011: 371) zeigen konnten, spiegeln Kommunikationsmuster auch immer strukturelle Machtrelationen wider, gerade, wenn der Interviewer weiblich ist. So stellen die Autorinnen heraus, dass Männer im Interview mit Interviewerinnen in vielfältiger Weise Geschlecht herstellen, zum Beispiel durch den Versuch, durch Unterbrechungen und Ausschweifungen Kontrolle über das Interview zu gewinnen, und dass die Interviews häufig durch damit in Verbindung stehende Probleme gekennzeichnet sind (2011: ebd.).
Unterbrechungen zur Sicherung des Rederechts können als Ausdruck des doing masculinity gelesen werden. Kompetenzinszenierungen und Demonstration von Expertenwissen können aber auch in sozialen (und nicht nur geschlechtlich zugeschriebenen) Unterschieden begründet sein, und sie haben Einfluss auf die „soziale Mikrostruktur“ (Kotthoff 2002: 14) der Selbstpräsentation und Interaktion:
„Die Herstellung dieser Asymmetrie [z.B. Einnahme verschiedener Rollen z.B. als ExpertIn oder Betroffene/r; K.B.] ist folgenreich für die soziale Ordnung der Diskussion. Experten bekommen klassischerweise mehr Redezeit und sie definieren Themen und Standpunkte und vermitteln diese in der Modalität des Faktischen. Die Herstellung dieses geschlechterbezogenen Gefälles ist durch und durch interaktiv, d.h. Männer agieren von Anfang an als Experten (werden auch so angesprochen und aufgefordert), indem sie z.B. ihr Wissen ausführlich darlegen. Sie treten mit kleinen Monologen in Aktion, die Belehrungen enthalten“ (Kotthoff 2002: 14 f.).
Systematische Unterbrechungen im Gespräch sind aber nicht ausschließlich ein Zeichen von (männlicher) Dominanz oder Ausdruck eines männlichen Gesprächsstils. Kein Gesprächsstil symbolisiert für sich genommen allein gender.