Politische Forderungen und Positionierungen der AfD

In den Blättern für deutsche und internationale Politik beschrieb der Publizist Albrecht von Lucke die AfD als "in weiten Teilen genau jene Partei rechts der Union", welche "schon Franz Josef Strauß immer gefürchtet hatte" (Lucke 2013). Der inhaltliche Kern ihrer politischen Weltanschauung besteht bei der AfD in einem rechtsorientierten Euround Europaskeptizismus, der mit neoliberal wie auch nationalkonservativ grundierten Gesellschaftsund Wirtschaftsvorstellungen sowie mit wohlstandschauvinistischen Parolen [1] propagandistisch angereichert wird. Programmatisch liegt ein Kernpunkt der Forderungen in der Veränderung der aktuellen Währungspolitik. [2] Die AfD fordert eine "geordnete Auflösung des Euro-Währungsgebietes" sowie "die Wiedereinführung nationaler Währungen oder die Schaffung kleinerer und stabilerer Währungsverbünde". Dies soll dadurch vollzogen werden, "dass Deutschland dieses Austrittsrecht aus dem Euro erzwingt, indem es weitere Hilfskredite des ESM mit seinem Veto blockiert". [3] Beim Thema Staatsfinanzen und Steuern wird ein Schuldenabbau gefordert und das "Kirchhof 'sche Steuermodell" empfohlen. Nach diesem Modell soll anstelle des bislang üblichen progressiven Verlaufs der Einkommenssteuer ein Grenzstufentarif von 15, 20 und 25 % für alle Einkommensgruppen eingeführt werden. Dies kann als Veränderung zugunsten reicher Bevölkerungsschichten gedeutet werden. Mit Hans-Olaf Henkel hat die AfD einen ehemaligen BDI-Vorsitzenden zu ihrem stellvertretenden Sprecher in den Bundesvorstand gewählt, der für eine marktradikale Wirtschaftspolitik in Europa eintritt. In seiner schriftlichen Bewerbung als Kandidat zur Europawahl heißt es:

"Seit Mai 2010, seit der Vertrag von Maastricht endgültig gebrochen und damit die Brandmauer zwischen den deutschen Steuerzahlern und ausgabefreudigen Politikern im Ausland niedergerissen wurde, erschreckt mich der mit zahlreichen Rettungspaketen verbundene Trend zu Zentralismus, Gleichmacherei und Vergemeinschaftung der Schulden in Europa." (Henkel 2014)

Hinsichtlich der Frage nach einer Ausgestaltung Europas zu mehr staatlicher Vereinigung (Henkel: "United States of Europe") erklärte er:

"Wo bleibt die Wettbewerbsfähigkeit? Der Wettbewerb zwischen kleinen Einheiten führt überall zu einem stärkeren Ganzen. Das gilt im Sport, in der Wirtschaft, in der Kultur … und natürlich auch bei Staaten. Die Transferunion führt zu weniger Wettbewerb, damit weniger Wohlstand, der wäre dann ›gerechter‹ verteilt. Der jetzt angepeilte Weg führt uns weniger zur USE als zur EUDSSR." (Henkel 2011)

Der Begriff "EUDSSR", eine Zusammenfügung von EU und UdSSR, ist ein Schlagwort aus dem rechtspopulistischen antieuropäischen Protestmilieu (Posener 2011). Auf eine rechtspopulistische Stoßrichtung deutet ebenfalls ein "AfD-Manifest". In dem von einem AfD-Funktionär aus Baden-Württemberg verfassten Aufruf, der im Stil an das "kommunistische Manifest" angelehnt ist, wird zu einer "Revolution der bürgerlichen Mitte" aufgerufen:

"Die bürgerliche Mitte ist heute – paradox genug – die eigentlich revolutionäre Klasse. Der Endzweck dieser Revolution ist freilich nicht die klassenlose Gesellschaft, sondern die Wiederherstellung der sozialen Marktwirtschaft und der Souveränität des Volkes gegenüber dem Lobbyismus." (Jongen 2014)

In ihrem Bundestagswahlprogramm nimmt die AfD Bezug auf das "kanadische Modell" [4] in Bezug auf die Regelung der Zuwanderung. Zugleich wird gefordert:

"Deutschland braucht qualifizierte und integrationswillige Zuwanderung." Hierbei wird die wirtschaftliche Nützlichkeit in den Vordergrund gestellt: "Eine ungeordnete Zuwanderung in unsere Sozialsysteme muss unbedingt unterbunden werden." Diese Forderung geht einher mit abqualifizierenden Äußerungen von AfD-Sprecher Bernd Lucke in der Presse: Im Kontext der Debatte um die Zuwanderung von Menschen aus Rumänien und Bulgarien erklärte er, es gebe Menschen, die ohne Deutsch zu können und ohne Bildung ins Land kämen. Doch wegen ihrer schlechten Voraussetzungen könnten diese Menschen nicht zurechtkommen. Für sie bliebe nur ein Leben in Hartz IV. "Dann bilden sie eine Art sozialen Bodensatz – einen Bodensatz, der lebenslang in unseren Sozialsystemen verharrt." (Schneider 2013) In einer weiteren Stellungnahme zur Zuwanderung aus Rumänien und Bulgarien wird Lucke mit der Äußerung zitiert: "Das Problem sind eher Randgruppen wie Sinti und Roma, die leider in großer Zahl kommen und nicht gut integrationsfähig sind". [5]

In anderen politischen Stellungnahmen der AfD zum Thema Zuwanderung wurde angesichts der Volksinitiative gegen "Masseneinwanderung" in der Schweiz gefordert, ähnliche Volksabstimmungen in Deutschland durchzuführen: "Unabhängig vom Inhalt des Schweizer Referendums ist auch in Deutschland ein Zuwanderungsrecht zu schaffen, das auf Qualifikation und Integrationsfähigkeit der Zuwanderer abstellt und eine Einwanderung in unsere Sozialsysteme wirksam unterbindet", erklärte Lucke. "Auch dafür sollten gegebenenfalls Volksabstimmungen ermöglicht werden, wenn die Altparteien das Problem weiter ignorieren" [6], ergänzte er.

Als zentrale Forderung wird im Wahlprogramm der AfD die Forderung nach einer "direkten Demokratie" erhoben. Zu deren Umsetzung werden Volksentscheide gefordert: "Wir wollen Volksabstimmungen und Initiativen nach Schweizer Vorbild einführen. Das gilt insbesondere für die Abtretung wichtiger Befugnisse an die EU." Diese Forderung ist vor dem Hintergrund zu betrachten, dass in der Schweiz besonders die rechtspopulistische Schweizerische Volkspartei durch Volksinitiativen mit ausgrenzendem und diskriminierendem Charakter internationale Aufmerksamkeit erzielt hat. Dies gilt in besonderem Maße für die Volksinitiative gegen Minarettbau sowie die Volksinitiative gegen "Massenzuwanderung". Im sächsischen AfD-Landesprogramm wurde unter anderem die Forderung nach Volksabstimmungen über den Bau von Moscheen mit Minaretten in Sachsen aufgenommen. [7]

Diese programmatischen Forderungen – Volksabstimmungen über MinarettBauvorhaben, eine Radioquote für deutsche Musik, permanente Güterund Personenkontrollen an deutschen Außengrenzen – deuten darauf, dass hier deutlich erkennbar Annäherungen an rechtspopulistische Forderungen vollzogen werden. Mit der Aufnahme der Forderung nach Volksabstimmungen über den Bau von Moscheen mit Minaretten in Sachsen hat zudem zum ersten Mal das Thema Moscheebau Eingang gefunden in den offiziellen Forderungskatalog der Partei. Dies ist vor allem vor dem Hintergrund von Bedeutung, dass bislang diese Forderung nur von rechtspopulistischen Parteien wie der Freiheit, den Republikanern und von pro NRW/Deutschland erhoben worden ist und sich die AfD-Spitze bislang um Abgrenzung von einem solchen Kurs bemüht hatte. Daher steht zu befürchten, dass mit der weiteren Entwicklung in Sachsen auch die AfD dazu übergehen könnte, mit Kampagnen gegen Minarettbau in Erscheinung zu treten.

Auch weitere Punkte aus dem sächsischen Programm weisen Ähnlichkeiten mit Forderungen rechtspopulistischer Parteien auf: So etwa die Forderung "Gegen staatlich verordnetes Neusprech", das als Ausdruck einer "in der Genderund Gleichstellungsideologie fundierte(n) Weltsicht" gedeutet wird, oder die Forderung nach einem "deutlich höheren Anteil deutschsprachiger Titel an den Ausstrahlungen in Rundfunk und Fernsehen" sowie nach "Absingen der Nationalhymne bei feierlichen Anlässen" im Schulunterricht. [8]

Ähnlichkeiten mit Rechtsaußen-Pamphleten weisen Forderungen einer im Januar 2014 von AfD-Mitgliedern gegründeten "Patriotischen Plattform" auf. Als deren Sprecher tritt Hans-Thomas Tillschneider in Erscheinung. Er wird auf der Internetseite der AfD-Geschäftsstelle Leipzig mit den Funktionen "Vorstandsmitglied, Schriftführer, Programmkommission" aufgeführt. [9] In der Gründungserklärung der Patriotischen Plattform heißt es u. a.:

"Wir halten an Deutschland fest:

- an seiner politischen Souveränität gegen alle Versuche, die Kernrechte des Parlaments auf supranationale Organisationen zu übertragen;

- an seiner finanziellen Stabilität gegen alle Versuche, es mit den Folgen der Misswirtschaft anderer Staaten zu belasten;

- an seiner Sprache und Kultur gegen die Herausbildung einer multikulturellen Gesellschaft auf seinem Boden;

- an seiner ökonomischen Stärke, die von der Energiewende bis hin zu einem falsch eingestellten Sozialstaat vielerlei Anfechtung ausgesetzt ist;

- an seinem Sozialstaat, der durch falsche Strukturen, vor allem aber durch massenhafte Einwanderung in die Sozialsysteme zunehmend in Frage gestellt wird." [10]

Hiermit weist die "Patriotische Plattform" deutliche Annäherungen an programmatische Forderungen von Rechtsaußenparteien wie etwa den Republikanern oder pro NRW/Deutschland auf. Zugleich lässt diese Erklärung die Annahme zu, dass dieser Kreis seine Aufgabe darin sieht, gegen die multikulturelle Verfasstheit der deutschen Gesellschaft politisch aktiv zu werden. Diese Annahme wird durch einen schriftlich verfassten Standpunkt von Tillschneider auf der Internetseite der Plattform bekräftigt. Dort schreibt er:

"Das nächste Feld könnte die Kontroverse Leitkultur vs. multikulturelle Gesellschaft sein. Noch 2010 hat die CDU die multikulturelle Gesellschaft für gescheitert erklärt und versucht, sich auf eine deutsche Leitkultur zu berufen. Doch zwischenzeitlich wurde die multikulturelle Gesellschaft im Diskurs der etablierten Parteien und Medien zu einer kaum noch hinterfragbaren Selbstverständlichkeit, und Berufungen auf die deutsche Leitkultur sind zunehmend schwerer, fast schon unmöglich geworden. Halten wir diese Entwicklung auf! Was 2010 in der CDU erlaubt war, kann 2014 in der AfD nicht verboten sein. Holen wir uns, wie Alexander Gauland es so schön gesagt hat, die Diskurshoheit von den 68ern Stück für Stück zurück!" (Tillschneider 2014)

Solche Anfeindungen einer multikulturell verfassten Gesellschaft gehen einher mit nationalistischen Vorstellungen: Ein nationalistisches Verständnis von Demokratie hat die AfD-Politikerin Beatrix von Storch mit der Aussage zum Ausdruck gebracht:

"Demokratie geht nur national. Sie geht nicht international. Sie heißt: Herrschaft des Volkes, es heißt: eines Volkes, nicht Herrschaft der Völker." (Storch 2014)

Derartige Positionierungen, die dem Europaparlament im Grunde genommen die demokratische Legitimation absprechen, machen es verständlich, dass die AfD in neurechten Publikationen wie der Wochenzeitung Junge Freiheit (JF) und von Teilen der Wählerschichten vom rechten Rand als Hoffnungsträgerin angesehen wird. Die JF hat sich seit der Parteigründung der AfD als deren publizistisches Unterstützungsmedium erwiesen. Umgekehrt stellen sich nahezu alle Mitglieder aus der AfD-Parteiführung für Interviews in der JF zur Verfügung. Auf deren 14. Sommerfest formulierte Ulrike Trebesius aus dem AfD-Bundesvorstand ein Grußwort, in dem sie laut Auskunft der JF die Bedeutung der Zeitung für eine "wirklich freie Presse" zum Ausdruck gab (Behrens 2014).

  • [1] So etwa mit der Parole auf Wahlkampfplakaten "Wir sind nicht das Weltsozialamt".
  • [2] S. AfD-Wahlprogramm unter https://alternativefuer.de/partei/wahlprogramm/, abgerufen am 05. 01. 2014.
  • [3] So laut dem AfD-Bundestagswahlprogramm, online unter: alternativefuer.de/pro- gramm-hintergrund/programmatik/, abgerufen am 20. 06. 2014.
  • [4] Vgl. bpb.de/apuz/31674/einwanderungsland-kanada-ein-vorbild-fuer-deutschland?p= all, abgerufen am 12. 08. 2013.
  • [5] Euro-Rebell Lucke klagt Brüssel an: EU ruiniert deutschen Sozialstaat, in: Focus v. 12. 01. 2014, unter: focus.de/politik/deutschland/landesparteitag-afd-hessen-vorsitzender-lucke-gegen- hartz-iv-arbeitslose-einwanderer-bruessel-ruiniert-deutschland-sozialstaat-2_id_3532695.html, abgerufen am 20. 02. 2014.
  • [6] Reaktionen auf Volksabstimmung zur Einwanderung, unter rp-online.de/politik/aus- land/schweiz-volksabstimmung-gegen-masseneinwanderung-aid-1.4024114, abgerufen am 12. 03. 2014.
  • [7] afdsachsen.de/index.php?ct=wahlprogramm, abgerufen am 12. 06. 2014.
  • [8] Ebd.
  • [9] afdsachsen.de/index.php?ct=kreis&kreis=leipzig#, abgerufen am 12. 03. 2014.
  • [10] Gründungserklärung der Patriotischen Plattform, unter: patriotische-plattform.de/, abgerufen am 12. 03. 2014.
 
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