Rechtsradikale Parteien im Europäischen Parlament

Nach den Wahlen zum Europäischen Parlament im Mai 2014 konnten rechtsradikale Parteien in rund einem Dutzend Ländern deutliche Zugewinne verbuchen. Der Front National um Marine Le Pen wurde mit rund 25 % der Stimmen stärkste Kraft in Frankreich. Damit konnte die Partei ihr Ergebnis im Vergleich zur letzten Wahl 2009 fast vervierfachen (vgl. ausführlicher Peter 2015). Mit der Übernahme des Parteivorsitzes durch Marine Le Pen im Januar 2011 hat der Front National (FN) eine öffentlichkeitswirksame Wandlung vollzogen: Während der langjährige Vorsitzende Jean-Marie Le Pen immer wieder mit offen antisemitischen und rassistischen Äußerungen aufgefallen ist, bemüht sich seine Tochter um ein moderateres Auftreten, um eine breitere Bevölkerungsschicht anzusprechen. Mit Marine Le Pen stehen vor allem soziale Themen, der Islam und die Präsenz von MuslimInnen in Frankreich im Zentrum der rechtsradikalen Hetze. Die Kritik an der multikulturellen Gesellschaft, eine (angebliche) Islamisierung der Gesellschaft, die Ablehnung von Immigration und europäischer Integration – das sind die Themen, mit denen rechtsradikale Parteien in Westeuropa erfolgreich auf Stimmenfang gehen. In Österreich vereinigte die rechtsradikale Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) rund 20 % der Stimmen auf sich und damit acht Prozent mehr als 2009. In Dänemark verbesserte die Dänische Volkspartei ihr Ergebnis um acht Prozent auf nunmehr 23 % der Stimmen. Zusammen mit der italienischen Lega Nord, der FPÖ, der niederländischen Partei für die Freiheit um Geert Wilders und dem belgischen Vlaams Belang strebt Le Pen eine Fraktionsbildung in der kommenden Legislatur an. Sie kündigten an, mit einer Blockade aller Gesetzgebung im Europäischen Parlament gegen das "totalitäre und technokratische System der EU" vorgehen zu wollen und die nationale Souveränität zurück zu erlangen. Die Bildung einer Fraktion geht mit finanziellen und organisatorischen Vorteilen einher, zudem spielen sie eine zentrale Rolle in allen politischen Prozessen innerhalb des Parlaments. So wählen die Fraktionen das Präsidium, bestimmen die Zusammensetzung der Ausschüsse, die Tagesordnung, die BerichterstatterInnen und entscheiden über die Zuteilung von Redezeiten. Nur Fraktionen oder mindestens 40 Abgeordnete gemeinsam können Änderungsanträge zu Berichten in Plenardebatten einbringen. Um eine Fraktion zu gründen, sind 25 Abgeordnete aus sieben Mitgliedsstaaten nötig.

In den kommenden fünf Jahren werden auch Abgeordnete offen rassistischer und ultranationalistischer Parteien im Europäischen Parlament vertreten sein, die in der Vergangenheit immer wieder mit Verbindungen in die gewaltbereite subkulturelle Szene oder selbst mit Gewalttaten aufgefallen sind. Neben der ungarischen Jobbik, die mit einem Ergebnis von rund 15 % ihren Stimmenanteil im Vergleich zur letzten Wahl stabilisieren konnte, wird erstmals die griechische Goldene Morgenröte (CA) mit drei Mandaten (9,3 %) ins Parlament einziehen. In der Vergangenheit fielen AnhängerInnen der CA mit dem massiven Einsatz von Gewalt und bewaffneten Überfällen gegen politische GegnerInnen, ImmigrantInnen und ethnische Minderheiten auf. Im September 2013 verhaftete die Polizei mehrere führende Abgeordnete der Partei, unter ihnen auch der Parteivorsitzende Michaloliakos. Gleichzeitig teilte die griechische Regierung mit, die Partei als verbrecherische Organisation einzustufen und verbieten zu wollen. Für diesen Fall hat die Parteiführung der CA mittlerweile vorsorglich die neugegründete Partei Nationale Morgendämmerung vorgestellt. Die deutsche NPD, ebenfalls von einem Verbotsverfahren betroffen, erhält mit nur einem Prozent der Stimmen ein Mandat in Brüssel, nachdem das Bundesverfassungsgericht im Februar 2014 die deutsche Sperrklausel bei der Europawahl für verfassungswidrig erklärte.

Im Europäischen Parlament treten die rechtsradikalen Parteien bislang nicht geeint auf. Immer wieder gab es Versuche rechtsradikaler Fraktionsbildungen, dennoch ist es nicht gelungen, eine dauerhafte Allianz zu schmieden. In der letzten Legislatur existierte die Fraktion "Europa der Freiheit und Demokratie" (EFD), die im Grunde eine Art Zweckgemeinschaft darstellte und in der nicht ausschließlich rechtsradikale Parteien organisiert waren. Auch im neuen Parlament werden der Fraktion, nunmehr unter dem Namen "Europa der Freiheit und Direkten Demokratie", europakritische und rechtsradikale Parteien angehören, unter ihnen die Schwedendemokraten und die britische United Kingdom Independence Party. Nach der Wahl 2014 kündigte die Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformisten (EKR) an, die rechtsradikale Dänische Volkspartei in ihren Reihen aufzunehmen. Vor allem durch Mandatsverluste der britischen Konservativen von David Cameron und der tschechischen Bürgerpartei waren neue Mitglieder in der Fraktion nötig geworden. Neben der Dänischen Volkspartei haben sich unter anderem auch Die Finnen und die Alternative für Deutschland der Fraktion angeschlossen. Durch die Gründung politischer Parteien auf europäischer Ebene (Europaparteien) versuchen sich die rechtsradikalen Parteien zu koordinieren und finanzielle Zuwendungen vom Europäischen Parlament zu erhalten. Die Voraussetzungen, um als Europapartei anerkannt zu werden, sind vergleichsweise gering: aus mindestens einem Viertel der EU-Mitgliedstaaten müssen Abgeordnete aus regionalen oder nationalen Parlamenten vertreten sein oder mindestens ein Mandat im Europäischen Parlament innehaben. Alternativ müssen die Mitgliedsparteien in mindestens einem Viertel der Mitgliedstaaten bei den letzten Wahlen zum Europäischen Parlament mindestens drei Prozent der abgegebenen Stimmen in jedem dieser Mitgliedstaaten erreicht haben. Von den EU-Mitteln profitieren also auch Parteien, die eigentlich gar nicht im Europäischen Parlament vertreten sind.

Rund 384 000 Euro aus den EU-Mitteln für das Jahr 2013 erhielt die "Europäische Allianz für Freiheit" (EAF), die im Februar 2011 vom Europäischen Parlament als Europapartei anerkannt wurde. Mitglieder der EAF sind unter anderem Abgeordnete der Freiheitlichen Partei Österreichs, des belgischen Vlaams Belang und des französischen Front National. Ende 2014 kündigte Marine Le Pen an, zusammen mit der italienischen Lega Nord, der Freiheitlichen Partei Österreichs und dem Vlaams Belang eine neue europäische Partei mit dem Namen "Bewegung für ein Europa der Nationen und Freiheiten" gründen zu wollen. Bislang ist die Partei noch nicht vom Europäischen Parlament anerkannt worden.

Daneben existiert die Europapartei "Europäische Allianz nationaler Bewegungen" (AENM). Sie erhielt zuletzt rund 350 000 Euro aus dem EU-Budget für das Jahr 2013. Mitglieder des AENM sind neben der im Europäischen Parlament vertretenen ungarischen Jobbik zum Beispiel die British National Party. In der "Bewegung für ein Europa der Freiheit und Demokratie" (MELD) sind unter anderem die Dänische Volkspartei, der griechische LAOS und die Lega Nord organisiert. Sie erhielt rund 593 000 Euro für das Jahr 2013.

 
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