"Sozialismus ist braun": Rechtsextremismus, die soziale Frage und lobalisierungskritik
Thomas Grumke
Einleitung
"Auch wenn die herrschenden Politiker und die Vertreter des großen Geldes den Menschen immer wieder das Gegenteil einreden wollen, kennen Kapitalismus und Globalisierung nur Verlierer in Scharen und Gewinner in kleinen Grüppchen."
Wer dieses Zitat liest, vermutet sehr wahrscheinlich Urheber aus dem linken politischen Spektrum. Auf den wahren ideologischen Hintergrund verweisen wohl erst die weiteren Ausführungen:
"Die einzige wirksame sozialistische Waffe gegen das internationale Kapital ist das grenzensetzende, volkund heimatbezogene bodenständige Gegenprinzip des Nationalismus. Gegen die kapitalistische Entwürdigung des Menschen kämpft der Nationalismus mit seiner sozialen Ordnungsidee der Volksgemeinschaft."
Die hier zitierten Stellen stammen aus einem neunseitigen Pamphlet mit dem Titel
"Zukunft statt Globalisierung", einem Aufruf von deutschen Rechtsextremisten für die im Frühjahr 2006 ausgerufene gleichnamige "antikapitalistische und antiglobalistische" Kampagne. [1] Mit ihrer völkisch gewendeten Kapitalismuskritik versuchen rechtsextremistische Kader nicht zuletzt bei Zielgruppen anzudocken, die diese mit einer generellen Kritik am politischen System, an "Amerikanisierung" und kultureller und ethnischer "Überfremdung" verbinden (vgl. Puls 2012).
Diese Konzentration auf die Themen "soziale Frage" und Globalisierung lässt sich nicht nur in Deutschland beobachten. In fast allen westlichen Industriestaaten haben rechtspopulistische oder -extremistische Parteien und Bewegungen auf die mit der globalisierten Weltwirtschaft einhergehenden Strukturveränderungen und (teilweise vermeintlichen) Sachzwänge reagiert, die in allen (west-)europäischen Gesellschaften zu Einschnitten im sozialen Netz, zum Abbau von Sozialleistungen und zum Verlust sozialer Sicherheiten geführt haben (vgl. grundlegend Betz 1994; Kitschelt 1995; Minkenberg 1998). Eine dauerhaft hohe Arbeitslosigkeit und eine wachsende Kluft zwischen Arm und Reich bringen soziale Verwerfungen und Konflikte hervor, auf die Rechtsextremisten aufsatteln. Rechtsextremisten reklamieren gerade in krisenhaften Zeiten eine Deutungshoheit ihres "nationalen Sozialismus" und verknüpfen die in diesem Sinne neu gestellte soziale Frage mit dem Thema der Migration, schüren rassistische Ressentiments vor allem gegen Einwanderer und fordern eine nationalistische Schließung gegenüber den mit der Globalisierung verbundenen gesellschaftlichen und ökonomischen Öffnungsund Liberalisierungstendenzen.
Im Folgenden sollen die einleitend angesprochenen Entwicklungen anhand von Theorie und Praxis des zeitgenössischen deutschen Rechtsextremismus beleuchtet werden.
- [1] Zitate aus: "Zukunft statt Globalisierung". In antikap.de/downloads/aufruf.pdf (zuletzt abgerufen am 28. 8. 2013).