Wärme, Licht und andere Funktionen
Roden und Kochen repräsentieren sozusagen zwei prototypische Formen des Feuergebrauchs, die verschiedene Arten von Feuer benötigen. Beim Roden wird das Feuer "losgelassen", damit es sich schnell über ein großes Gebiet ausdehnt. Beim Kochen wird es in einem eingegrenzten Raum gehalten, um eine gleichmäßige und konzentrierte Hitze zu erzeugen.
Von diesen beiden Hauptformen des kontrollierten Feuers ist die Art, die man zum Kochen braucht, die dauerhaftere. Und damit konnte dieses Feuer gleichzeitig einer Menge anderer Funktionen dienen. Als Quelle von Hitze und Licht gab es Schutz gegen Kälte und Dunkelheit. Es hielt Raubtiere und andere Tiere fern. Wegen des Komforts und der Sicherheit, die es bot, konnte es der Mittelpunkt des Gruppenlebens sein und Kommunikation und Solidarität fördern. Es war auch nützlich für eine ganze Reihe praktischer Zwecke, wie z. B. zum Schärfen der hölzernen Werkzeuge oder zum Zertrümmern von Steinen. Glühende Kohlen der Kochstelle konnten mit an andere Orte genommen werden, und auch der Rauch konnte vorteilhaft eingesetzt werden – um Insekten abzuwehren, das Wild aus seiner Deckung zu treiben oder Signale über weite Entfernungen zu senden.
Diese kurze und unvollständige Liste der verschiedenen Einsatzmöglichkeiten des Feuers kann als Ergänzung meiner Ausführungen über die Vorbedingungen der Feuerkontrolle in Kapitel 1 gelesen werden. Wenn wir den Verlauf des Domestizierungsprozesses verstehen wollen, reicht es nicht, die Eigenschaften aufzuzählen, die die Hominiden als VorBedingungen ("precondition") entwickeln mußten, um die Kontrolle über das Feuer zu erlangen. Wir müssen auch berücksichtigen, was es für sie so reizvoll machte, dieses Potential tatsächlich auszuschöpfen und weiterzuentwickeln.
Feuer, um es zu wiederholen, ist eine physikalisch-chemische Reaktion, die unter verschiedenen Bedingungen auch unterschiedliche Auswirkungen haben kann, sowohl kurzals auch langfristig. Die Menschen haben gelernt, bestimmte Auswirkungen wahrzunehmen, zu genießen und herbeizuführen, indem sie die angemessenen Bedingungen herstellten. So konnten sie sicher sein, erwünschte Ergebnisse auch zu erzielen. Mit der Sprache der Systemtheorie könnten wir sagen, daß sie "Effekte mit einem positiven Feedback" erzeugten. Wir können auch von Nach-Bedingungen ("postconditions") sprechen oder gebräuchlicher von Funktionen. [1] Der Punkt, auf den es ankommt, ist, daß nur die kontinuierliche Jagd auf Vorteile eines Feuers den Domestizierungsprozeß über so viele Tausende von Generationen im Gange hielt.
Aber auch dies war wiederum nicht die ganze Geschichte. Ob die Menschen es wahrnahmen oder nicht, der regelmäßige Gebrauch des Feuers hatte unvermeidlich mehr Konsequenzen als diejenigen, die erwünscht waren. Eine dieser unvorhergesehenen Konsequenzen war die langfristige Herausbildung einer neuen ökologischen Ordnung, die ein integraler Bestand der menschlichen Gesellschaft wurde. Wenn die Menschen Brände nutzten, um zu roden oder um andere Tiere zu vertreiben, zwangen sie diese soziokulturelle Handlungsweise der natürlichen Umgebung auf. Indem sie einen Teil ihrer Energien darauf verwandten, ein Feuer zu hüten oder Brennholz zu sammeln und zu lagern, unterwarfen sie sich auch diesem "Feuerregime".
Das Feuerregime machte Menschengruppen als Überlebenseinheiten sowohl hominiden als auch nichthominiden Konkurrenten gegenüber starker. [2] Langfristig konnten nur solche Gruppen überleben, die mit Feuer ausgestattet waren und die bereit waren, unter einem Feuerregime zu leben. Indem sie die Macht des Feuers ihrer eigenen hinzufügten, konnten sie ihre Gesellschaften produktiver und wehrhafter machen. Die Produktivitätszuwächse, die durch effektiveres Jagen und auch durch Kochen erzielt wurden, waren am Anfang möglicherweise nicht sehr groß. Doch führten sie langfristig unausweichlich zu einem Anheben des materiellen Komforts und auch zu einer Zunahme der Bevölkerung oder, wie moderne Wirtschaftshistoriker sagen würden, zu einem "intensiven und extensiven Wachstum".[3]
Der Gebrauch des Feuers als Quelle für Hitze und Licht führte unleugbar zu einem höheren Lebensstandard (um einen anderen Begriff der zeitgenössischen Wirtschaftswissenschaften auf die Vorgeschichte anzuwenden). Wir neigen immer noch dazu, Wärme mit Bequemlichkeit und Licht mit Helligkeit gleichzusetzen. Fähig zu sein, Wärme und Licht willentlich zu erzeugen, das ganze Jahr hindurch, muß in der Tat eine große Verbesserung der Lebensbedingungen zur Folge gehabt haben. Selbst wenn der Besitz eines Feuers für Menschen nicht unbedingt notwendig war, um kalte und feuchte Winter im nördlichen Eurasien zu ertragen, machte er aber diese Winter zweifellos erträglicher.
So erleichterte die Kontrolle über das Feuer auch Gebietsexpansionen und als Folge auch eine Bevölkerungszunahme oder "extensives Wachstum". Zahlreiche Fundstellen in kalten Regionen weisen auf menschliche Besiedlung vor 400 000 Jahren hin, ohne irgendwelche Spuren von Feuer. Natürlich könnten die Aschen durch Wind und Wasser ausgelöscht sein, aber es ist auch möglich, daß diese Gruppen ohne Feuer überleben konnten. Für spätere Perioden gibt es allerdings nur noch Anhaltspunkte für Gruppen mit Feuer. [4]
Ebenso wie die Wärme, die das Feuer ausstrahlte, die Expansion der menschlichen territorialen Vorherrschaft begünstigte, ermöglichte das Licht eine Expansion der Zeit, in dem dunkle Abende mit Arbeit, Spiel und Ritualen ausgefüllt werden konnten. Natürlich blieben die Menschen auch mit Feuer von den Zyklen der Jahreszeiten und vom Tagund Nachtrhythmus sehr abhängig. Ihre Abhängigkeit war aber weniger unmittelbar: Feuer wirkte als Puffer gegen die extreme Kälte und Dunkelheit, indem es kleine Enklaven von Wärme und Licht erzeugte.
Natürlich war es nicht das Feuer alleine, das das Leben im kalten Klima erträglicher machte. Wie die Beispiele der Eskimos und der Bewohner der Hochanden in der heutigen Zeit zeigen, können Unterkunft, Kleidung und eine fettreiche Nahrung ausreichenden Schutz bieten. [5] Aber Feuer trug dazu bei, ein angenehmeres Mikroklima zu schaffen. Dies war um so vorteilhafter für Menschengruppen, als die kälteren Klimazonen in Eurasien ihnen in vielerlei Hinsicht eine günstigere Umgebung boten als die tropischen oder subtropischen Regionen Afrikas, wo sie herstammten. Im Norden, wie William McNeill betont, gab es viel weniger Mikroben, von denen sie gequält oder (sogar) getötet werden konnten. [6]
Die Gewöhnung an all diese Vorteile machte die Menschengruppen langfristig abhängiger vom Feuer. Ähnlich wie einige Pflanzen, die nur in einer Umgebung gedeihen, in der es regelmäßige Brände gibt, wurden sie zu Pyrophyten, süchtig nach Feuer. Und durch diese Verflechtung hatten sie keine andere Wahl, als weiterhin unter einem Feuerregime zu leben.
Als ein soziokulturelles Regime führte das Feuerregime in der Regel dazu, Gruppenbindungen zu stärken. Nur wegen ihrer Gruppenmitgliedschaft konnten Menschen die Vorteile eines Feuers in Anspruch nehmen. In welchem Ausmaße es schon sehr früh dazu kam, daß die Gruppe mit ihrem Feuer identifiziert wurde, kann vielleicht aus dem Ausspruch geschlossen werden, der von Sammlern und Jägern in unserer Zeit überliefert ist, der sich auf die Gruppenzugehörigkeit bezieht und danach fragt, "zu welchem Feuer man gehört".[7]
Es ist eindeutig, daß Feuer einen Ort darstellte, um den eine Gruppe sich versammeln und bis weit in die Nacht gemeinsam aktiv sein konnte. Es ist verständlich, daß – nach der Etablierung des menschlichen Monopols – Feuer dazu beitrug, ein Band zwischen den Gruppen zu knüpfen, die sich im Notfall gegenseitig Feuer "ausliehen". Es gibt keine empirischen Beweise für diese Idee, aber es kann möglicherweise eine Alternative zu der Hypothese von LéviStrauss sein, daß das früheste Bindeglied zwischen Gruppen im Austausch von Frauen bestand. [8]
Zu den vielen Vorteilen des Feuerregimes kam noch ein weiteres Vergnügen: Macht über Feuer zu haben und durch das Feuer über Tiere und Pflanzen. Es gibt Hinweise aus jüngerer Zeit, daß Vergnügen und Stolz auch daraus gezogen werden können, daß Menschen schrecklichen Feuerproben unterworfen wurden, wie z. B. in Initiationsriten oder in der Folterung von Gefangenen oder Ausgestoßenen. [9]
Ich brauche kaum zu betonen, daß die Macht, die durch Feuer ausgeübt wurde, im Kern soziale Macht war – sie konnte nur durch eine Gruppe aufrechterhalten werden. Und während sich Gruppen in vieler Hinsicht unterschieden – und sei es nur durch die Art und Lage ihrer Behausung –, waren sie sich in ihrer Feuerordnung auffallend ähnlich. Die Prinzipien der Feuerkontrolle, wie sie von den Hominiden entdeckt wurden, ließen wenig Spielraum für Variationen und führten in der ganzen Welt zu mehr oder weniger denselben Anpassungen, unabhängig von Klima und Geographie. [10] Ohne ein Minimum an sozialer Kooperation und Arbeitsteilung war es einfach unmöglich, ein Feuer für längere Zeit brennen zu lassen, denn es mußte bewacht und mit Brennstoff versehen werden. Als die Menschen immer mehr auf die verschiedenen Funktionen des Feuers angewiesen waren, wurden sie auch zunehmend durch seinen Verlust verwundbar. Das mag ein weiterer Grund gewesen sein, es mit Ehrfurcht und Ritual zu umgeben. Gleichzeitig hörte das Feuer nie auf, wegen seiner destruktiven Kraft eine potentielle Gefahrenquelle zu sein, so daß der Umgang mit ihm ständige Disziplin erforderte.
Da keine hominide oder menschliche Gruppe es sich leisten konnte, ganz von vorne anzufangen und für jede Generation neue Lösungen zu entwickeln, damit Feuer nicht ausgingen, mußte sich jede Gruppe zum großen Teil auf erlernte standardisierte Verfahrensweisen oder auch Riten stützen. Riten werden als erlernte Alternative zu den "Instinkten" in jeder bekannten Gesellschaft bis zum heutigen Tage mit dem Einsatz von Feuer in Verbindung gebracht. [11] Da es sehr wahrscheinlich ist, daß dieses immer so war, seit die Hominiden als erste lernten, ein Feuer nicht ausgehen zu lassen, vermute ich, daß die Feuerkontrolle auch zu der Entwicklung der menschlichen Fähigkeit, Rituale durchzuführen, beigetragen hat.
Riten enthalten immer beides, Vorschriften und Verbote. Nach Gaston Bachelard ist für Kinder "Feuer von Anfang an das Objekt eines generellen Verbots" und das "soziale Verbot ist unsere erste allgemeine Kenntnis von Feuer".[12] Diese Bemerkungen sind gleichzeitig sehr aufschlußreich und doch in ihrer Aussagekraft beschränkt. Sie beziehen sich in erster Linie auf Kinder, die in Häusern leben, in einer agrarischen oder industriellen Gesellschaft. In einer Gesellschaft von Jägern und Sammlern, in der Erwachsene regelmäßig den Busch anzünden, um das Land zu roden, ist die Situation ganz anders. Ein Kind, das in einer solchen Gesellschaft groß wird, braucht keine ernsten Ermahnungen entgegenzunehmen, ja es könnte sogar ermutigt werden, mit Feuer zu spielen, um den Umgang mit ihm zu lernen. [13] Aber selbst in Gesellschaften, die weniger durch die Furcht vor Feuer verfolgt werden als unsere, muß jedes Kind die kulturellen Restriktionen, die das domestizierte Feuer mit sich bringt, lernen, und es muß auch wissen, daß es gefährlich ist, sie nicht zu beachten.
Wegen der Disziplin, die die Zähmung des Feuers unausweichlich erforderte, war sie auch ein Zivilisationsprozeß. Er umfaßte die Entwicklung sozialer Regeln, denen die Individuen in ihrem Verhalten entsprechen mußten. Das bedeutet nicht, daß die Feuerkontrolle die Menschen liebevoller und friedlicher gemacht hätte. Im Gegenteil, eine der langfristigen Begleiterscheinungen des Zivilisationsprozesses der Menschheit war eine zunehmende Fähigkeit, die destruktive Macht des Feuers gegen alles, was die Menschen für unerwünscht hielten und vernichten wollten, einzusetzen. Der Punkt ist, daß für den Umgang mit Feuer oder mit explosivem Material, selbst für rein destruktive Zwecke, immer eine große Vorsicht erforderlich war. Als die Menschen immer höhere, größere und heißere Feuer entfachen konnten, brauchten sie eine strengere Regulierung ihrer sozialen Beziehungen und individuellen Impulse, um diese vielen Feuer unter Kontrolle zu halten.
- [1] Vgl. Goudsblom 1979, S. 189–194.
- [2] Zum Konzept dieser "Schutzund Trutz-Einheiten" oder "Überlebenseinheiten" siehe auch Elias 1997b, GS 3.2, S. 161 f. [1939b S. 152 f.].
- [3] Vgl. Jones in Goudsblom, Jones und Mennell 1989, S. 27–62.
- [4] Perlès 1981.
- [5] Vgl. Baker 1984.
- [6] McNeill 1976, S. 27 f.
- [7] Hudson 1976, S. 235 f.
- [8] Lévi-Strauss 1976. Siehe auch Klaatsch 1920, S. 100; Lumsden und Wilson 1983, S. 100.
- [9] Vgl. Trigger 1976, S. 73 f.
- [10] Vgl. Hough 1916.
- [11] Siehe z. B. Hudson 1976; Staal 1983.
- [12] Bachelard 1964, S. 22.
- [13] Siehe auch Kapitel 8 und 9, S. 191, 197 f.