Schlagen und Abbrennen: das europäische Beispiel

Selbst unter günstigen Klimaund Bodenbedingungen können die Körner des Getreides und anderer Gräser nur keimen, wenn der Boden nicht schon mit anderen Pflanzen bedeckt ist. Für Ackerbau und Weidewirtschaft mußten die ersten Pioniere daher – soweit wie möglich – jede vorhandene Vegetation roden. Die effizienteste Methode war das Abbrennen.

In den meisten Fällen war das Land, das Menschen als Ackerland oder Weide benutzten, ursprünglich mit Wald bedeckt. Absichtlich eine Waldfläche abzubrennen war keine einfache Angelegenheit. Den größten Teil des Jahres hindurch enthalten Bäume und Sträucher Saft und brennen nicht leicht. Dann wieder ist die Vegetation so trocken, daß ein Feuer ausgesprochen schwierig einzudämmen ist. Um diesen Schwierigkeiten zu begegnen, haben die Menschen eine Praxis entwickelt, die als "Schlagen und Abbrennen bzw. Brandrodung" oder als "Brandrodungswirtschaft" bezeichnet wird.

Brandrodung ist ein anderes Beispiel dafür, daß die Probleme, die durch den Einsatz von Feuer gelöst wurden, in der ganzen Welt bemerkenswert ähnlich sind. Trotz vielfältiger regionaler Varianten mit einer Überfülle unterschiedlicher Bezeichnungen besteht die Methode des Schlagens und Brennens überall in der Anwendung des elementaren Prinzips, daß totes Holz leichter brennt als lebendes Holz. [1] In einem zu rodenden Gebiet beginnen die Menschen deshalb mit dem Töten der Bäume: Sie schneiden die Zweige ab und entrinden die Stämme. Diese Tätigkeiten werden gewöhnlich zu Beginn der Trockenperiode vorgenommen. Wenn einige Monate später das tote Gestrüpp angezündet wird, können die Flammen das Holz schnell zerstören.

In Gesellschaften mit einer intensiveren Form der Landwirtschaft wurden sowohl Land als auch Holz zunehmend knapper, und folglich wurde die Praxis des Schlagens und Brennens als primitiv und verschwenderisch angesehen, was sie unter modernen Bedingungen in der Tat sehr häufig ist. [2] Als Charles Dickens dieses Verfahren auf seiner Reise in die Vereinigten Staaten im Jahre 1842 in den Allegheny Bergen sah, hielt er es für "traurig und bedrückend", auf große Landstriche zu stoßen, in denen Siedler die Wälder niedergebrannt hatten, und er hatte Mitleid mit den Bäumen, deren "verwundete Körper herumliegen wie die ermordeter Kreaturen, während hier und dort ein verkohlter und geschwärzter Riese seine verdorrten Arme in den Himmel streckte und Flüche auf seine Feinde auszustoßen schien".[3] Als das Brandroden gerade entwickelt wurde, stellte es jedoch einen weiteren Schritt im Zivilisationsprozeß der Menschheit dar, einen entscheidenden Durchbruch, in dem die unmittelbaren destruktiven Wirkungen des Feuers nutzbringend in eine langfristige ökologische Strategie eingebracht wurden. Diese Strategie erforderte ausgefeilte technische und soziale Fähigkeiten. Sie setzte nicht nur die Verfügbarkeit von starken und scharfen Äxten voraus, sondern auch die Fähigkeit, für mindestens einige Monate im voraus zu planen. Das ganze Verfahren umfaßte eine Serie aufeinanderfolgender Schritte: Erstens mußte ein geeignetes Stück Land ausgesucht werden; dann mußten die verschiedenen, dem Schlagen vorausgehenden, Operationen durchgeführt werden; und nach einer beträchtlichen Zeitspanne mußte der richtige Moment gefunden werden, um das trockene Holz in Brand zu setzen. Die Wahl des richtigen Zeitpunktes des tatsächlichen Verbrennens erforderte besondere Kenntnis und Sorgfalt. In Afrika konnte noch in unserer Zeit beobachtet werden, was passierte, wenn ein Waldstück zu früh in Brand gesetzt worden war: "viel von der kostbaren Asche wird weggeblasen und verloren gehen; wenn es zu spät geschieht und der Regen schon eingesetzt hat, wird die Verbrennung unvollständig vor sich gehen, und die Ernte wird schlecht".[4]

Experimente unter nachgestellten prähistorischen Bedingungen haben bestätigt, daß die Methode des Schlagens und Brennens – mit Geduld und Geschicklichkeit praktiziert – zu ausgesprochen fruchtbarem Boden für den Anbau von Getreide führen konnte. [5] Fast unvermeidbar konnten auch andere Pflanzen in diesem Boden keimen. Ohne Pflug hatten die konkurrierenden Pflanzen, "das Unkraut", nach ein paar Ernten gewöhnlich die anderen Pflanzen überwuchert. Solange es genügend passendes wildes Gelände in der Umgebung gab – entweder unbearbeiteter "primärer" oder schon früher gerodeter "sekundärer Wald" –, war die einfachste Lösung, einen benachbarten Abschnitt durch Brandrodung zu roden und die Felder, die bisher bearbeitet worden waren, zu verlassen. Ein Kreislauf entwickelte sich: Die Bauern bearbeiteten einen neuen Abschnitt des Landes alle paar Jahre neu, wobei sie die Felder, die sie bisher anbauten, zurückließen, um dann einige Jahre später, wenn die Waldvegetation sich regeneriert hatte, zurückzukehren. Unter optimalen Bedingungen konnte eine Gemeinschaft von diesem Zyklus viele Generationen lang profitieren.

Diese optimalen Bedingungen bestanden an erster Stelle in einer natürlichen Umgebung, die gegen Erosion und andere Formen des Substanzverlustes resistent war. In Hanglagen und in trockenen Zonen war die Wahrscheinlichkeit groß, daß nach einem Feuer ein Großteil der losen Erdkrume, die die fruchtbare Asche enthielt, weggeschwemmt oder verweht wurde. Darüber hinaus durfte die Bevölkerung nicht zu zahlreich sein und nicht zu schnell wachsen, so daß das Land eine ausreichend lange Periode brach liegen konnte. Dann mußte die Bevölkerung noch die Klugheit besitzen, sich "verschwenderischer oder ungeeigneter Landbaumethoden zu enthalten, die den zukünftigen Wohlstand gegenwärtiger Bequemlichkeit opfern wurden".[6]

Die Art und Weise, wie die ersten Rodungen für die Landwirtschaft in den verschiedenen Ländern und Regionen vonstatten gingen, ist immer noch Gegenstand der Forschung und der Diskussion unter Archäologen. Jedoch schon 1952 zeichnete der britische Archäologen. J. G. D. Clark ein allgemeines Bild dieser Entwicklung in Europa, das in verschiedener Hinsicht auch für andere Teile der Welt als paradigmatisch gelten kann. In seinem Buch Vorhistorisches Europa: Die ökonomische Basis beschrieb Clark, wie sich die Grenze zwischen Wald und offenen Feldern in nordwestlicher Richtung von Kleinasien über den Balkan bis in das Donaubecken verschob, ein Prozeß, der im sechsten Jahrtausend vor Christus begonnen haben muß und sich bis in die moderne Zeit fortgesetzt hat. Vor dem Entstehen der Landwirtschaft erstreckte sich ein dichter Laubwald (der nach der letzten Eiszeit entstand) fast ununterbrochen über ganz Mittelund Nordeuropa. Die Vorherrschaft der Landwirtschaft, wie Clark bemerkt, mußte aus diesem Urwald herausgeschnitten werden. Unter diesen Bedingungen war die Pionierlandwirtschaft extensiv.

Waldflecken wurden gerodet, es wurde gesät, geerntet, und nach einer Saison oder zwei wurde das Land wieder der Wildnis überlassen, während die Bauern einen anderen Teil bearbeiteten. In diesem Prozeß spielte das Verbrennen eine vitale Rolle, denn es verwandelte Holz in Asche und stellte damit dem jungfräulichen Boden eine Pottaschedüngung zur Verfügung. Solange es Wald gab und bis zu dem Zeitpunkt, zu dem die Rodung die Fähigkeit der Wälder, sich selbst zu regenerieren, überstieg, war das System der Brandwirtschaft in der Lage, die prähistorischen Bauern auf einem sehr beachtlichen Niveau des Wohlstandes zu halten. [7]

Clarks Worte haben das Bild, das Anthropologen später von der Überflußgesellschaft gezeichnet haben, in der viele neolithische Schlagund Brennbauern gelebt haben sollen, vorweggenommen. [8] Diese Idylle, wenn es sie je gab, war jedoch nicht von langer Dauer. Mit dem Getreide erschienen auch andere Pflanzen – wie z. B. verschiedene Sorten Gräser, Heidekraut und Farne. Intensives Weiden von Schafen und Ziegen hatte immer häufiger den Effekt, daß Landstriche, die durch Abbrennen gerodet waren, ohne Waldbewuchs blieben, selbst wenn darauf nichts mehr angebaut wurde. Dies führte zusammen mit dem Bevölkerungswachstum zu einem schleichenden Prozeß der Entwaldung. Nach Clark führten diese Umweltveränderungen unvermeidlich zu sozialen Veränderungen. In vielen Gegenden erreichte diese Kultur des Schlagens und Brennens einen Punkt der Erschöpfung, über den hinaus eine Fortsetzung der alten Lebensweisen nicht länger möglich war. Das Leben wurde härter und gewalttätiger, anstelle der "friedlichen Bauern" kamen "Krieger",

Sicherlich handelt es sich hier um Effekte eines großen ökologischen Wandels auf die menschliche Geschichte, die von den neolithischen Bauern und ihren Herden unbeabsichtigt hervorgebracht worden sind. Als die Krise kam, breitete sie sich weit über die Sphäre der Tiere und Pflanzen aus und bezog nicht nur die ökonomischen Grundlagen mit ein, sondern auch die gesamten Lebensbedingungen großer Teile der prähistorischen europäischen Bevölkerung. In vielen Gegenden waren die fetten Jahre des Waldackerbaus ein für allemal vorbei. Die gespeicherte Fruchtbarkeit der jungfräulichen Erde war verbraucht, und die Pottasche der abgebrannten Waldgebiete war aufgezehrt. [9]

Nachdem die Schlagund Brennwirtschaft ihren Höhepunkt überschritten hatte, wurde der Pflug zum wichtigsten Werkzeug der Landbearbeitung in Europa. Bis in die jüngste Neuzeit gab es jedoch im hohen Norden und im Osten, in Finnland und Rußland, ein Grenzgebiet der Landwirtschaft, wo Brandrodung immer noch praktiziert wurde. [10] Um das Mittelmeer herum war die Periode des Schlagens und Brennens dagegen schon lange vorbei. Einige Archäologen haben eingewendet, daß es reichlich wenig Beweise für den Einsatz von Brandrodung im neolithischen Europa gebe. [11] Die empirische Basis, auf die sie ihre Behauptungen stützen, scheint sich auf eine Zeit zu beziehen, in der die Bauern diese Methode nicht länger angewandt haben. Die Praxis, den Boden durch Pflügen zu bearbeiten, die in ganz Europa vorherrschend wurde, gehört zu einer Phase, die zeitlich nach der Phase der Rodungen lag, da das Land erst durch Feuer gerodet sein mußte, ehe gepflügt werden konnte. Das Szenario, das Clark ausbreitet, ist nun sehr allgemein und müßte noch modifiziert werden, um zu ganz bestimmten empirischen Befunden Aussagen zu machen. Aber als theoretisches Modell halte ich es für sehr brauchbar. Die Aufeinanderfolge von Phasen kann auch in anderen historischen Epochen und in anderen geographischen Gebieten, so weit entfernt voneinander wie Indien und Peru, nachgewiesen werden. In einer Vielzahl von Fundstellen hat sich die gleiche ökologische Sequenz ereignet, und gleichzeitig hat sich der gleiche Prozeß wachsender sozialer Ungleichheit, sozialer Spannungen, Gewalt und Krieg herausgebildet. [12]

  • [1] Vgl. Conklin 1961.
  • [2] Siehe auch Kapitel 8, S. 125–146.
  • [3] Dickens, American Notes 1842, S. 165. Zitiert in J. G. D. Clark 1952, S. 93.
  • [4] Allan 1965, S. 67. Siehe auch De Schlippe 1956.
  • [5] Steensberg 1979; 1980.
  • [6] Geertz 1966, S. 26.
  • [7] J. G. D. Clark 1952, S. 92.
  • [8] Sahlins 1972, S. 35.
  • [9] J. G. D. Clark 1952, S. 98.
  • [10] Vgl. Sigaut 1975, S. 283. Siehe auch Kuhnholtz-Lordat 1938; Raumolin 1987.
  • [11] Rowley-Conwy 1981. Siehe auch Barker 1985.
  • [12] Vgl. Carneiro 1961; Mann 1986, S. 73–104. Siehe auch Simmons 1989, S. 169; Wolf 1959, S. 58–62.
 
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