Nach Brandrodung: Produktivitätssteigerung oder -minderung?
ls die Menschen zahlreicher und das bebaubare Land rarer wurden, wurde die Lebensmittelproduktion intensiviert, und die Bauern begannen, die natürliche Vegetation mit anderen Mitteln als Feuer klein zu halten. Neue Methoden der Bodenbearbeitung wurden entdeckt, z. B. Bewässerung, Pflügen und Düngereinsatz, die es möglich machten, ein Gebiet nach der erstmaligen Rodung immer wieder ohne Unterbrechung zu nutzen. Die Rolle, die das Feuer in der Vorbereitung des Bodens spielte, wurde reduziert auf kleinere Operationen, wie das Abbrennen der Stop-
pelfelder und von Abfällen.
Es gibt eine klare und verständliche Reihenfolge des Wandels. Zunächst einmal wurden Enklaven von bebau baren Böden, die durch Brandrodung entstanden waren, in einem System der "wechselnden Fruchtfolge" benutzt – allerdings auf unbeständiger Basis. Dann allmählich wurden größere und dauerhaftere Siedlungen gegründet, und die Brandrodungswirtschaft wurde in die äußersten Ränder der agrarischen Welt verbannt. Als zunehmend mehr Menschen in Dörfern und Städten wohnten, wurde ihr Feuergebrauch sowohl spezialisierter als auch regulierter. Die Spezialisierung führte zur Konstruktion verschiedener Typen von Öfen, Herden und Lampen für viele häusliche und berufliche Zwecke. Hiervon abgesehen versuchten die Menschen ihre Dörfer und Städte jedoch soweit wie möglich in "feuergeschützte" Zonen zu verwandeln. Auf diese Weise wurde das Feuer noch strenger unter menschliche Kontrolle gebracht. Zur gleichen Zeit wurde es gefährlicher, einerseits wegen der zunehmenden Zahl von "Öfen und Herdstellen" und andererseits wegen der Konzentration des Brennmaterials, das Menschen in ihren feuerfreien Zonen angesammelt hatten.
Das extensive Verbrennen der Wälder und des Unterholzes, das so charakteristisch für die vorangehenden Phasen war, wurde in Gesellschaften mit intensiveren Methoden der Nahrungsmittelerzeugung zu einem Verfahren der Vergangenheit. Eine interessante Frage, die unmittelbar mit dem Argument, das ich hier ausbreite, zu tun hat, ist, ob die späteren Formen des Landbaues – Bewässerung, Düngung und Pflügen – produktiver oder weniger produktiv waren als die früheren Formen der Bodenbearbeitung mit Feuer.
In einer Untersuchung, die den Rang eines modernen Klassikers auf diesem Gebiet erhalten hat, hat die Wirtschaftswissenschaftlerin Ester Boserup eine unmißverständliche Antwort auf diese Frage gegeben. Die Produktivität mit den Verfahren des Brennens und Schlagens war größer als bei allen folgenden Formen des Anbaus. Sie kam zu dieser erstaunlichen und provokativen These, indem sie die Produktivität als "Ertrag pro Mann-Stunde" definierte. Nach dieser Definition ist die Methode des Schlagens und Brennens in der Tat sehr produktiv, denn, wie Boserup richtig bemerkt, "das Feuer [erledigt] das meiste der Arbeit".[1]
Es kann sein, daß Brandrodung relativ wenig Arbeit bedeutete, es erforderte jedoch eine große Menge an Boden. Eine ökologische und soziologische Annäherung an die Frage der Produktivität rührt uns zu einer ganz anderen Schlußfolgerung, als Boserups strikt ökonomischer Ansatz. Was zählt, ist nicht nur der durchschnittliche Ertrag pro Mann-Stunde eines abstrakten Individuums, des fiktiven Homo oeconomicus, sondern der totale Ertrag, der tatsächlich auf einem spezifischen Anbaugebiet durch und für eine bestimmte Menschengruppe erzielt worden ist.
Wenn die Menschen Landwirtschaft betreiben, konzentrieren sie Getreidesorten, die sie für nützlich halten, auf einem Gebiet und versuchen, das Wachstum anderer Pflanzen zu verhindern. Wenn dies erfolgreich ist, wird ihre Arbeit den Boden dazu bringen, einen höheren Anteil der erwünschten Produkte zu erzeugen. Es handelt sich hierbei um eine reale Produktionssteigerung durch zusätzliche Arbeit. Wenn Produktivität als der durchschnittliche Output einer Mann-Stunde definiert wird, kann dies als ein bequemes statistisches Maß gelten, aber es verdunkelt unser Bild von dem, was tatsächlich geschah, als die Landwirtschaft arbeitsintensiver wurde. Wir können nicht mehr erkennen, daß, selbst wenn viele menschliche Individuen härter arbeiten und ein monotoneres Leben unter weniger gesunden Bedingungen führen mußten, die Gesellschaften, deren Teil sie waren, insgesamt produktiver wurden.
Der Übergang von Brandrodung zu arbeitsintensiveren Methoden des Landbaus führte fast immer zu einem Produktivitätszuwachs. In vielen Fällen kam diese zunehmende Produktivität direkt im Bevölkerungswachstum oder "extensiven Wachstum" zum Ausdruck. Das heißt natürlich nicht, daß die Beziehung monokausal zu sehen ist. Das demographische Wachstum, die Intensivierung der Arbeit und das Anwachsen der Produktivität waren sich gegenseitig verstärkende Prozesse. Wenn eine Bevölkerung zunahm, ermöglicht durch arbeitsintensivere Methoden des Landbaus, erforderte dies wiederum mehr Arbeit, um die nächste Generation zu ernähren – es sei denn, alternative Methoden der Produktion oder der Ausbeutung würden gefunden. Auf diese Weise waren Völker, die die arbeitsintensive Form der Landwirtschaft praktizierten, dazu "verdammt", das Land von Generation zu Generation "im Schweiße (ihres) Angesichts" zu beackern.
Wie J. G. D. Clark meint, war der Zwang zur Arbeit während der ersten Phase der Agrarisierung nicht so stark, da immer noch genug Land da war, das man durch Brandrodung roden konnte. Aber es schrumpfte unausweichlich mit der wachsenden Bevölkerung, und weniger Land mußte durch intensivere Arbeit kultiviert werden. Dies erklärt vielleicht in gewisser Weise, warum die Produktivität fortgeschrittener Agrargesellschaften die meisten ihrer Mitglieder zu einer Existenz voller Mühen verurteilte, in die sie hineingeboren worden waren und an die sie sich auch anpassen mußten, oft unter priesterlichen Ermahnungen, daß dieses der Wille Gottes sei.
Gleichzeitig machte das hohe Niveau der Produktivität, welches durch harte Arbeit erzielt wurde, diese Gesellschaften wehrhafter als jene, die ihre Subsistenz mit Sammeln oder mit wechselnden Anbaumethoden erzielten. Dieses Argument kann uns einen Hinweis auf das Problem geben, warum die Intensivierung der Landwirtschaft zu einem unwiderstehlichen dominanten Trend wurde, in dessen Verlauf Gesellschaften seßhafter Bauern und Landbewohner diejenigen der Jäger und Sammler und auch der Wanderanbauer überragten. Es wäre sehr schwer, die überzeugende Dynamik dieser Entwicklung zu verstehen, wenn wir Produktivität nur in individuellen Begriffen fassen und damit das wirkliche Wachstum an kollektiver Produktivität in fortgeschrittenen Agrargesellschaften leugnen würden.
- [1] Boserup 1965, S. 30.