Feuereinsatz und Feuergefahr in Städten

Babylon

Zu den Spezialisten in fortgeschrittenen Agrargesellschaften zählten Schreiber, die oft einem Tempel angehörten. Sie entwickelten die Kunst des Schreibens, der wir Zeugnisse einiger Aspekte des urbanen Lebens in Mesopotamien verdanken, die älter als fünftausend Jahre sind. In diesen Quellen wird Feuer selten erwähnt. Der französische Philologe Jean Bottero, der alle Hinweise auf Feuer in alten mesopotamischen Texten gesammelt hat, erwähnt drei Bedingungen, die erfüllt sein müssen, damit wir schriftliche Zeugnisse über irgendeinen Lebensaspekt der antiken Welt erwarten können: An erster Stelle mußten sie aufgezeichnet worden sein, dann muß die Aufzeichnung überlebt haben, und sie muß auch wieder entdeckt worden sein. In bezug auf das Feuer war selbst die erste Bedingung nicht erfüllt: In den Städten, aus denen die Aufzeichnungen stammen, war der Gebrauch des Feuers so selbstverständlich und unproblematisch, daß es selten einen praktischen Grund gab, ihn schriftlich zu erwähnen.

Doch ist es Bottero gelungen, etwas Licht in einige interessante Tatsachen zu bringen. Offensichtlich hatten die ältere sumerische und die jüngere semitische akkadische Sprache zwei Wörter für Feuer. Das eine war ein allgemein übliches prosaisches Wort, dargestellt durch das Piktogramm eines Feuertopfes; das andere war sehr viel feierlicher, dargestellt durch ein Schilffeuer. Wir können diese beiden Piktogramme vielleicht so interpretieren, daß sie sich auf die zwei ursprünglichen Formen des kontrollierten Feuers beziehen, die ich in Kapitel 2 unterschieden habe: die Kochstelle (die am gründlichsten "domestizierte" Form des Feuers) und das Feuer, das für die Landrodung gebraucht wurde (und einem "wilden" Feuer sehr ähnlich war). Es ist auch spannend, in diesem Zusammenhang über die Tatsache nachzudenken, daß alle westeuropäischen Sprachen mindestens zwei etymologisch sehr unterschiedliche Wörter für Feuer und Brennen haben. Obgleich sich im gegenwärtigen Gebrauch die beiden Bedeutungen verwischt haben, könnte es möglich sein, daß die ursprünglichen Bedeutungen entweder mit Feuer als harmlosem, kostbarem Gegenstand assoziiert werden (feu, Feuer, vuur) oder mit Feuer als einer gefährlichen Naturgewalt (to burn, bruler, branden). Dies ist jedoch bloße Spekulation. Soweit ich weiß, ist das Problem noch nicht untersucht worden.

Eine weitere interessante linguistische Tatsache in den mesopotamischen Texten ist das Fehlen eines Begriffs für "Feuermachen". Bottero schlägt einige Erklärungen vor: Es könnte entweder bedeuten, daß das Feuermachen eine heilige und damit geheime Tätigkeit war oder daß es zu trivial war, um Erwähnung zu verdienen. Eine dritte, und meiner Meinung nach die plausibelste, Erklärung könnte sein, daß es in jeder Stadt eine große Zahl von Feuern über längere Zeit gab, so daß die Menschen, wenn sie ein Feuer brauchten, immer glühende Asche von einem bestehenden Feuer nehmen konnten, anstatt es selbst mit beschwerlichen Methoden wie dem Einsatz von Feuerstein oder Feuerbohrer herzustellen.

Wozu wurden Feuer gebraucht? Bottero nennt als erstes eine Anzahl häuslicher Zwecke: das Haus zu heizen oder zu beleuchten und, zu besonderen Gelegenheiten, es auszuräuchern und mit dem Geruch von Weihrauch zu füllen; andere häusliche Funktionen betrafen die Wassererhitzung für ein Bad und – die bedeutendste von allem – das Kochen. Die Häuser hatten noch keine Kamine, tragbare Feuertöpfe oder Pfannen wurden zum Heizen verwendet, gekocht wurde im Freien.

Ein weiterer großer Anwendungsbereich für den Feuergebrauch war mit den vielen Handwerken verknüpft, die in den Städten ausgeübt wurden, oft im Tempeldienst. Schmied, Bäcker, Töpfer, Ziegelbäcker, Glasbläser, Brauer, Küfer, Holzarbeiter, Korbmacher, Bootsbauer, Ledermacher, Weizentrockner, Datteltrockner, Ölhersteller, Parfümeur, Münzenpräger, Holzkohlenbrenner, Kalkbrenner, Viehmarkierer, Sklavenmarkierer – es gab kaum einen Beruf, der Feuer nicht benötigte. In einigen Handwerken, wie denen der Schmiede und Bäcker, bildete der Ofen oder die Feuerstelle das Zentrum des Arbeitsplatzes. Bei anderen, wie beim Korbmachen oder Bootbauen, wurde sie in bestimmten Phasen des Arbeitsprozesses benötigt, z. B. um Nähte mit Pech zu kalfatern.

Der vielfältige Einsatz von Feuer in Häusern und Werkstätten muß Feuergefahr hervorgerufen haben. Bemerkenswert wenig wird hiervon in den Quellen erwähnt. Die älteste bekannte Sammlung geschriebener Gesetze, der Kodex des Hammurabi (aufgezeichnet ungefähr um 1780 v. Chr.), der einige Regeln für das tägliche Leben in der Stadt Babylon festlegte, enthält keine Gebote, die die Bürger zwangen, spezielle Vorkehrungen beim Gebrauch von Feuer zu treffen. Es scheint so, daß die elementare Sorgfalt, die beim Feuereinsatz notwendig ist, als grundlegende Fertigkeit angesehen wurde, die jeder schon als Kind erlernt hat und die nicht ausdrücklich durch das geschriebene Gesetz verstärkt werden mußte.

Das Fehlen von Hinweisen auf Probleme des Feuerschutzes ist keine Besonderheit Mesopotamiens. Es scheint ein generelles Merkmal der Texte aus dem alten Mittleren Osten und der mediterranen Region vor dem Aufstieg Roms zur Metropole zu sein. Es gibt möglicherweise zwei Erklärungen: zunächst einmal, daß ein Gefühl für Vorsicht in der Tat mehr oder weniger selbstverständlich war; und zweitens, daß die Häuser im allgemeinen niedrig waren, mit feuerresistenten Außenwänden aus Stein, Ziegel oder Lehm, und daß sie nicht so dicht aneinander gebaut waren, daß bei einem Feuerausbruch die ganze Stadt unmittelbar in Gefahr geriet.

Nachdem ein Brand erst ausgebrochen war, konnte wenig zur Rettung des inwendigen Holzes und des Daches eines einzelnen Hauses getan werden. Nach einem Sprichwort waren Sand, Wasser und Gebet ungefähr gleich effektive Maßnahmen der Feuerbekämpfung. [1] Das erscheint alles in allem sehr plausibel, da Wasser gewöhnlich nur in kleinen Mengen zur Verfügung stand, das erst in Eimern herangetragen werden mußte und dann auf das Feuer gegossen wurde.

Nachbarhäuser wurden durch nasse Tücher auf dem Dach geschützt. Wenn der Brand für eine derartige Bekämpfung zu groß war, war die einzige verbleibende Möglichkeit, eine "Feuerschneise" zu schaffen, indem Häuser abgerissen wurden.

Daß Feuer ausbrachen, kann aus der folgenden Regel im Gesetz des Hammurabi geschlossen werden:

Sollte ein Feuer in einem Herrenhaus ausgebrochen sein und ein Herr, der es gelöscht hat, sein Auge auf die Güter des Hausbesitzers geworfen haben und sich die Güter des Hausbesitzers angeeignet haben, soll dieser Herr in dieses Feuer geworfen werden. [2]

Die Tatsache, daß dies in der ganzen Gesetzessammlung der einzige Hinweis auf Brände ist, weist auch darauf hin, daß die Hauptsorge der städtischen Obrigkeit nicht der Bekämpfung von Bränden, sondern der Störung der öffentlichen Ordnung galt, die sich in Form von Diebstählen und Kämpfen dabei ereignen konnte. Plünderungen wurden sofort ohne Gerichtsverhandlung bestraft. Die Härte der Bestrafung stimmte mit der allgemeinen Tendenz der Gesetzessammlung überein, viele Verstöße mit der Todesstrafe zu belegen. (Hinrichtung durch Feuer war jedoch selten; der einzige andere Fall, für den sie vorgeschrieben war, galt einer Mutter und ihrem Sohn, die nach dem Tode des Vaters geschlechtlichen Verkehr miteinander hatten.)

Der Kodex enthüllt nebenbei auch, daß es üblich war, Sklaven wie Vieh zu brandmarken. Wenn jemand das Brandzeichen von einem Sklaven, der ihm nicht gehörte, entfernte, sollten seine Hände abgehackt werden. Wer immer einen Brandmarker dazu anhielt, das Brandzeichen von einem Sklaven, der ihm nicht gehörte, zu entfernen, sollte getötet werden. [3] Diese Bestimmungen scheinen auf große Machtunterschiede hinzuweisen, nicht nur zwischen Bürgern und Sklaven, sondern auch zwischen den städtischen Obrigkeiten und den einzelnen Bürgern.

Es gibt keine Hinweise auf einen Feuerkult in Mesopotamien, wie er sich beispielsweise im benachbarten Persien entwickelt hatte. Die Priester benutzten das Feuer in den Tempeln, wie die Bürger es in ihren Häuser benutzten, für Wärme und Licht, für den Wohlgeruch, um Badewasser zu heizen und zum Kochen. Der Gebrauch des Feuers bei der Opferung war eng verbunden mit Kochen; die Mahlzeiten, die namentlich den Göttern geweiht waren, wurden tatsächlich von den Priestern gegessen. [4] Eine besondere Art und Weise des Feuereinsatzes war der Brauch, Wachsfiguren von Feinden (die oft zu "Hexenerklärt wurden) ins Feuer zu werfen, um so diese Personen bildlich zu verbrennen. (Möglicherweise kann diese Praxis das strenge Verbot in einigen orientalischen Religionen erklären, Bilder von Göttern und Menschen herzustellen; dieses Verbot könnte sehr gut aus der Furcht mächtiger Personen entstanden sein, im Bild verbrannt zu werden.)

  • [1] Ebeling 1957, S. 56.
  • [2] Pritchard 1969, S. 167 (Anmerkung 25).
  • [3] Pritchard 1969, S. 176 (Anmerkungen 226–227).
  • [4] Vgl. Lloyd 1984, S. 44. Siehe auch Goudsblom, Jones und Mennell 1989, S. 67 f.
 
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